Landwirtschaft Junge Bauern übernehmen Höfe trotz harten Wettbewerbs

Der Druck auf junge Landwirte wächst. Diejenigen, die sich zur Hofübernahme entscheiden, suchen nach wirtschaftlichen Perspektiven und sehen sich mit steigenden gesellschaftlichen Ansprüchen konfrontiert.

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Meistens werden die Höfe von den Eltern an die Kinder weitergegeben, ein Prozess, der mehrere Jahre begleitet und vorbereitet wird. Quelle: dpa

Wennigsen/Hannover Aufgeregt flattert ein Huhn aus dem mobilen Stall, als Landwirt Christoph Möller sich ein braunes Ei aus der Klappe herausnimmt. Die anderen picken weiter nach Körnern im Gras am Boden rings um den Wagen. „Wir haben diesen Stall gekauft, um es zu probieren und es läuft echt super“, sagt der 32-Jährige über die Freilandhaltung. Möller hat den Hof in Wennigsen südwestlich von Hannover von seinem Vater vor vier Jahren übernommen. Mit der Hühnerhaltung hat er 2014 begonnen. Sie ist sein Projekt, mit dem er sich ein neues Standbein schaffen will.

Zu dem 150-Hektar-Betrieb gehören auch eine Biogasanlage und Äcker, auf denen der junge Landwirt Rüben, Mais und Weizen anbaut. „Mein Ziel ist, die Fläche zu vergrößern“, sagt Möller. „Es gilt: Wachsen oder weichen“.

Die Härte des Wettbewerbs haben in den letzten drei Jahren viele Höfe zu spüren bekommen. 1700 Betriebe gaben in Niedersachsen nach Angaben des Landesamt für Statistik Niedersachsen seit 2013 auf. Die Größe der Höfe stieg von 66 auf 69 Hektar. Bundesweit sank die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe zwischen 2007 und 2016 laut Deutschem Bauernverband um 46.200 auf 275.400 Betriebe.

Gut geführte Höfe hätten generell kein Problem, einen interessierten Nachfolger zu finden, sagt der niedersächsische Landesbauernverband Landvolk. Meistens werden die Höfe von den Eltern an die Kinder weitergegeben, ein Prozess, der mehrere Jahre begleitet und vorbereitet wird.

„Nicht jeder Hof bietet eine wirtschaftliche Perspektive für die Folgegeneration“, sagt Hartmut Völz, der Berater der Landwirtschaftskammer in Gifhorn ist. Der Trend geht zu größeren Betrieben und mehr Spezialisierung. „Jede Familie muss sich etwas überlegen, ob das Biogas, Windkraft, Photovoltaik oder Urlaub auf dem Bauernhof ist“, sagt Völz.

Die Eier seiner Hühner vermarktet Landwirt Möller selbst. Auf dem Hof steht ein Verkaufsstand, der wie eine Reihe Bankschließfächer aussieht. Wer Geld einwirft, kann eine der durchsichtigen Türen öffnen und einen Zehnerkarton herausnehmen. In manchen steckt ein Schoko-Ei statt einem Hühnerei. „Das ist eine Belohnung für die Kinder, wenn sie die Eier holen“, erklärt Möller.


Politisch unsichere Zeiten

Eine große Herausforderung für die junge Generation sind die politisch unsicheren Zeiten, sagt Berater Völz, denn ein Landwirt müsse langfristig planen. Für Landwirte sei es schwierig, sich auf neue Richtlinien und Reformen einzustellen. Für Investitionen, an die man mindestens 20 Jahre gebunden ist, brauche es eine gewisse Sicherheit.

Auch Elisabeth Fresen hat sich für die Landwirtschaft entschieden. Die 26-Jährige studiert derzeit noch in Kassel Agrarwissenschaften, möchte danach aber die Rinderzucht ihres Vaters in Verden übernehmen.

„Jeden Tag, an dem ich auf dem Hof arbeite, bestärkt mich“, sagt die angehende Landwirtin. Nach dem Abitur sei ihr das aber noch nicht klar gewesen. „Ich habe davor nicht wirklich daheim mitarbeiten müssen. Meine Eltern meinten, dass ich mir nicht so viel Arbeit aufhalsen soll, jetzt sind sie aber stolz darauf.“

Für junge Menschen ist das keine einfache Entscheidung: Warum soll man sich an einen Hof binden? Gerade in den niedersächsischen Automobilregionen gibt es andere Möglichkeiten, um mehr Geld bei geregelten Arbeitszeiten zu verdienen. Dazu können Konflikte mit den Eltern bei den Hofnachfolgern kommen. Und auch der Partner muss mitspielen. „Drei Generationen auf einem Hof, das geht gar nicht“, findet Landwirt Möller. Wer den Platz hat, solle nicht auch noch in den gleichen Räumen leben.

Bei Familie Behrens in Wildeshausen im Landkreis Oldenburg ist morgens beim Frühstück Lagebesprechung. Niklas Behrens nennt es Tagesbriefing. „Um halb sieben geht es zu den Tieren“, sagt der 28-Jährige. Wie viele Hähnchen und Schweine er auf seinem 150 Hektar-Betrieb hält, will er nicht sagen. „Dann kommt gleich wieder die Massentierhaltungsdiskussion auf.“ Viele Leute, die darüber sprechen, hätten niemals in einen Betrieb geschaut. Für ihn ist die Diskussion unsinnig: „Es bringt mir nichts, einen Stall voll kranker Tiere zu haben.“ Die schlechte Stimmung gegen Landwirte und die ständig neuen Vorschriften nagen an der Moral. „Wir sind eine Familie, kein Weltkonzern. Wir wollen davon leben“, sagt der junge Hofnachfolger.

Elisabeth Fresen findet es gut, dass regionale und ökologische Landwirtschaft stärker nachgefragt wird. „Missstände sollten aufgezeigt werden“, sagt sie. Ihre Sorge ist allerdings, dass kleine Betriebe auf der Strecke bleiben. „Richtlinien erachte ich als sinnvoll und nötig, aber es muss bezahlbar sein.“

Auch Landwirt Möller in Wennigsen beschäftigt die Diskussion um Massentierhaltung. „Mehr als drei mobile Hühnerställe, das gefällt den Leuten nicht, obwohl die Hühner immer gleichviel Platz haben.“ Kunden zeigt er gerne, wie seine Tiere leben, aber Zeit hat er selten dafür. Fast 40 Prozent der Arbeit macht er im Büro, zum Beispiel um die Märkte zu beobachten, um zu entscheiden, wann er Weizen verkauft oder Dünger einkauft. „Ich fahre gern einen Zug Weizen weg“, sagt Möller, „aber eigentlich habe ich keine Zeit dafür.“ Als neues Projekt plant er eine Photovoltaikanlage.

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