Lay's von PepsiCo Chipskrieg um deutsche Wohnzimmer

Lay’s ist die größte Chipsmarke der Welt – nur weiß das in Deutschland kaum jemand. Nun soll Lay’s auch hierzulande den Markt erobern und die Dominanz von Intersnack und Lorenz Bahlsen brechen.

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Chips: Lay's soll Deutschland erobern. Quelle: imago images

Wie mehr als acht Millionen andere Deutsche saß Jürgen Reichle Ende Mai vor dem Fernseher, als Atletico und Real Madrid um den Sieg in der Champions League spielten. Dass sich das Spiel bis ins Elfmeterschießen zog, freute ihn besonders. Denn so flimmerte der Lay’s-Schriftzug noch häufiger über die Werbebanden im Mailänder Stadion. Und damit auch in deutsche Wohnzimmer.

Dass es sich hierbei um die größte Chipsmarke der Welt handelt, ist in Deutschland kaum bekannt, ebenso wenig wie die Tatsache, dass hinter der Marke der Konzern Pepsico steht, der Hersteller von Pepsi Cola, Lipton-Eistee, Punica und Schwip Schwap. Reichle will die Marke bekannt machen. Seit Jahresbeginn drückt der Deutschlandchef von Pepsico die Chips mit dem geschwungenen weißen Schriftzug auf rotem Grund in den deutschen Knabbermarkt. Den dominieren die heimischen Rivalen Intersnack und Lorenz Bahlsen. Die Chancen, dass Reichle Erfolg hat, stehen nicht schlecht. Deutsche Lebensmittelketten, zermürbt im Preiskampf mit Aldi, suchen neue Produkte.

Mit umgerechnet 56 Milliarden Euro Umsatz zählt Pepsico zu den global größten Lebensmittelkonzernen. Fast ein Viertel stammt aus dem Chipsgeschäft. „Lay’s ist mit einem Umsatz von rund 13 Milliarden Euro die größte Lebensmittelmarke der Welt“, sagt Reichle.

Die beliebtesten Süßigkeiten der Deutschen

Die Chips gibt es seit 1932, seit 1965 gehören sie zum Reich von Pepsico. In vielen Ländern sind sie der unbestrittene Champion bei den Couch-Potatoes. Fast 50 Prozent Marktanteil in den USA, 40 in Großbritannien, Spanien und Belgien und in den Niederlanden sogar 70 Prozent. Nur in Deutschland und Italien ist die Marke kaum vertreten. Hierzulande lag der Marktanteil 2015 bei kaum zwei Prozent.

Reichle kann aus Fehlern seiner Vorgänger lernen: Vor rund 15 Jahren hatte Pepsico es schon einmal versucht. Damals hatten sich die Amerikaner von den Niederlanden aus in deutsche Regale eingekauft. Da der Konzern den Händlern viel Geld dafür zahlte, dass sie die Chips in ihr Sortiment aufnahmen, war die Aktion zunächst sogar erfolgreich. Doch Lay’s mangelte es an einem schlagkräftigen Außendienst, der die Filialleiter vor Ort besucht, berät und mit Werbematerial versorgt. Vor allem aber hatte der Konzern deutsche Präferenzen wie die Vorliebe für Paprika ignoriert und stattdessen auf weltweit beliebte Geschmacksrichtungen wie salzig und Barbecue gesetzt. Die Marke verschwand so schnell, wie sie gekommen war.

Marktanteile Kartoffelchips in Deutschland

„Die Einführung im Jahr 2000 war nicht besonders gut vorbereitet“, räumt Reichle ein. Mit den Planungen für den abermaligen Angriff begann der 49-Jährige, der 2011 von Procter & Gamble zu Pepsico kam, schon Mitte 2014. Sein Ziel: „Bis 2020 wollen wir 100 Millionen Euro Umsatz mit Lay’s erreichen“, sagt Reichle. Das käme einer Versechsfachung gleich. Aktuell dürfte Lay’s in Deutschland kaum mehr 20 Millionen Euro erlösen.

Flache Chips für Deutschland

Richten sollen es speziell für den deutschen Markt entwickelte Produkte. Fünf Sorten – darunter eine Paprikavariante – bilden das Basissortiment. „Früher hatten wir nur geriffelte Chips. Aber für Deutschland brauchten wir flache Chips“, sagt Reichle. Auch die gibt es nun, vertrieben von einem 70-köpfigen Außendienst. Begleitet wird der Angriff von einer aufwendigen Werbekampagne. So hat Pepsico vor deutschen Champions-League-Spielen Probiertütchen vor dem Stadion verteilt. In Privatsendern läuft ein Werbefilmchen, in dem Weltfußballer Lionel Messi Kunststücke am Kickertisch zeigt. „Das können wir uns nur leisten, weil wir in das globale Pepsico-Netzwerk eingebunden sind“, sagt Reichle.

Diese Fast-Food-Läden stürmen die Deutschen
31. Hans im GlückHans im Glück konnte seinen Umsatz fast verdoppeln auf 86,8 Millionen Euro. Einen Dämpfer gibt der Abschied vom größten Franchisenehmer Patrick Junge, der seine eigenen Kette „Peter Pane“ aufzieht und ein Drittel des Umsatzes mitnimmt. Erfolg bringt das Konzept, edle Burger und Cocktails zu verkaufen. Denn das lockt vor allem weibliche Gäste zwischen 20 und 40 Jahren, für die Hamburger ganz selbstverständlich auf der Speisekarte stehen. Die aktuellen Wachstumspläne sind ambitioniert.Quelle für alle Zahlen: Fachzeitschrift „Food Service“ Quelle: dpa
15. Joey’sJoey’s wächst als größter deutscher Lieferdienst auf 143,5 Millionen Euro. Dennoch verliert das Unternehmen seine Unabhängigkeit: Die Inhaber konnten einem Angebot der US-Kette Domino’s Pizza nicht widerstehen. Die Filialen sollen auf die neue Marke umgeflaggt werden. Quelle: dpa Picture-Alliance
11. VapianoVapiano wächst um gut 15 Millionen Euro auf 190,8 Millionen Euro. Doch Berichte über Probleme bei Zeiterfassung und Frische bremsten das Tempo. Das italienisch inspirierte Konzept arbeitet zudem daran, Schlangen zu verkleinern – etwa durch Bestell-Apps. Quelle: dpa-dpaweb
10. EdekaDass Edeka Zentrale im Ranking auftaucht, zeigt: Auch bei Bäckern und in Supermärkten wird das Gastronomie- und Snack-Geschäft wichtiger. In die Umsatzzahl von 198 Millionen Euro sind dabei viele Angebote der Kaufleute nicht mal eingerechnet. Quelle: dpa
9. IkeaIkea wächst ebenfalls bei der Gastronomie – auch dank neuer Angebote wie vegetarischer Bällchen um 13 Millionen auf 204 Millionen Euro. In der ersten City-Filiale in Hamburg-Altona ist die Gastronomie sogar so erfolgreich, dass Ikea bereits am dortigen Bahnhof wirbt. „Bei uns gibt es neben Coffee auch Tische to go“. Quelle: dpa
8. AralAral wächst mit Petit Bistro in den Filialen seiner 1137 Franchisenehmer und bringt es auf 212,1 Millionen Euro Umsatz. Der Ölkonzern sorgte für Aufsehen, weil die konzerneigenen Filialen schrittweise auf Rewe to Go umgestellt werden. Das Kölner Handelsunternehmen weitet so die Präsenz seiner Convenience-Linie deutlich aus. Quelle: dpa
7. SubwaySubway hat seine Krise in Deutschland überwunden und wächst wieder. Zwischenzeitlich hatte die Kette mit ihren Franchise-Nehmern zu viele Filialen in Deutschland eröffnet. Anschließend gab es Ärger mit mehreren Partnern, die sich über hohe Gebühren bei wenig Umsatz beklagten. Inzwischen ist das Filialnetz bereinigt, Subway läuft in Deutschland wieder recht geräuschlos – und wächst um zwölf Millionen Euro auf 215 Millionen Euro. Die Positionierung als gesunde Alternative hilft. Quelle: PR

Deutsche im Knabbermittelfeld

Der Weg nach oben wird für ihn trotzdem kein leichter sein. Mit Lorenz Bahlsen und Intersnack dominieren zwei seit Jahrzehnten etablierte Platzhirsche den inklusive Erdnüssen, Nachos und Salzgebäck insgesamt 2,6 Milliarden Euro Umsatz schweren deutschen Knabbermarkt. Der wächst seit Jahren, hat sich in der vergangenen Dekade fast verdoppelt. Dabei rangieren die Deutschen mit einem jährlichen Durchschnittskonsum von 4,5 Kilogramm im Knabbermittelfeld. Der Rückstand auf Norwegen (6,8 Kilo) und die Niederlande (7,5 Kilo) ist beträchtlich.

„Wir sind Marktführer in Deutschland. Diese Position haben wir uns über Jahrzehnte erarbeitet“, sagt Intersnack-Geschäftsführer Roland Stroese. Mit den Unternehmen Intersnack und Ültje und Marken wie funny-frisch, Chio, Pom-Bär, Goldfischli und Pittjes ist die Intersnack-Gruppe aus Düsseldorf unbestritten die Nummer eins in Deutschland. „Wir haben die lokale Expertise, und die spielen wir aus, egal, ob Lay’s kommt oder nicht“, sagt Stroese.

Der 55-Jährige ist davon überzeugt, das Intersnack die Vorlieben der Deutschen besser kennt als der ausländische Newcomer. Stroese meint, dass zudem Themen wie Heimat und regionale Produkte künftig noch wichtiger werden. Während die Kartoffeln für Lay’s-Chips zum Teil aus Polen stammen und in einem polnischen Werk verarbeitet werden, verwendet Intersnack nur Knollen vom Niederrhein und aus der Pfalz. Produziert wird in heimischen Fabriken. Auch in der Werbung spielt Stroese seit Jahren die deutsche Karte: Er setzt auf den Kapitän der Fußballnationalelf, Bastian Schweinsteiger.

Preiskrieg um den Klassiker

Absoluter Renner im Angebot ist ein Klassiker: „Chipsfrisch ungarisch im 175 Gramm Beutel ist der umsatzstärkste Artikel mit der höchsten Wiederkaufsrate im gesamten deutschen Süßwarenmarkt“, sagt Stroese. Doch ausgerechnet um diesen gibt es in der Branche Ärger. Intersnack setzt auf Wachstum durch Masse und hat dafür, wie viele andere Markenartikelhersteller auch, ein Tabu gebrochen: Seit Mitte 2015 liegen Chipsfrisch-Beutel bei Aldi im Regal. Der Preis je Tüte rauschte seitdem von im Schnitt 1,89 auf 1,19 Euro in den Keller – ein Minus von fast 40 Prozent.

Gegenreaktionen auf das gebrochene Tabu

Unter dem Preiskrieg leiden die Spannen der Handelsmanager. So dauerte es nicht lange, bis die Aldi-Rivalen Strafaktionen gegen Intersnack verhängten: Der Edeka-Discounter Netto feuerte gleich alle Chipsfrisch-Sorten aus dem Regal; Kaufland und Real dampften das Intersnack-Sortiment ein oder bewarben die Produkte nicht mehr so oft in Handzetteln. „Wir wollen, dass der Industrie klar ist, dass es von uns eine Gegenreaktion gibt, wenn Aldi bedient wird“, drohte Klaus Gehrig, mächtiger Boss der Schwarz-Gruppe, zu der Lidl und Kaufland gehören.

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Wirklich geschadet hat das Intersnack bisher nicht. Weltweit machte die Tochter des Kölner Zuckerkonzerns Pfeifer & Langen 2014 laut Bundesanzeiger mit rund 6000 Mitarbeitern einen Umsatz von 2,2 Milliarden Euro. 2015 dürfte der Erlös zwar leicht gesunken sein, die abgesetzte Menge aber zugelegt haben: Im vergangenen Jahr habe Chipsfrisch 1,6 Millionen neue Käuferhaushalte gewinnen können, meint Intersnack-Chef Stroese. Das wäre ein Plus von 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Offensichtlich ist das ein Effekt der Aldi-Belieferung. Auch der Streit mit Netto ist beigelegt und die Marke wieder eingelistet worden.

Angesichts der globalen Kraft von Pepsico und des breiten Sortiments von Intersnack könnte vor allem die bisherige Nummer zwei in Deutschland ins Hintertreffen geraten. Mit Marken wie Crunchips, Chipsletten und Nic Nacs erlöste Lorenz Bahlsen mit rund 3000 Mitarbeitern zuletzt geschätzt rund 520 Millionen Euro Umsatz. Das Unternehmen geht auf den 1859 gegründeten Kekshersteller Bahlsen in Hannover zurück. Doch die Erben Werner Michael und Lorenz Bahlsen waren Ende der Neunzigerjahre so zerstritten, dass nur noch die Trennung half. Lorenz bekam den „salzigen“ Unternehmensteil, Werner die Kekse.

Entscheidender Nachteil könnte sein, dass Lorenz Bahlsen die Mittel fehlen, um in einem Preiskampf zu bestehen und auch noch ausreichend in Werbung zu investieren. „Vom Budget her sind die sehr knapp gestrickt“, sagt der Geschäftsführer einer Kölner Werbeagentur. Das Lorenz-Management wollte keine Fragen beantworten.

Vom ruinösen Preiskampf könnte letztlich vor allem Lay’s profitieren. „Der Handel ist immer auf der Suche nach Alternativen, um sich von Wettbewerbern zu differenzieren“, sagt Ute Nusko, Research Director bei der Beratungsgruppe Nymphenburg in München. „Da kommt Lay’s gerade recht.“

Erste Erfolge kann der globale Chips-Champion schon melden. Im März hatte Lay’s seinen Marktanteil auf drei Prozent gesteigert, aktuell sollen es schon fünf sein. Die Marke ist bei fast allen Händlern außer Aldi präsent und deckt damit rund 80 Prozent des Marktes ab. Auch der Bekanntheitsgrad sei, nicht zuletzt durch das Engagement in der Champions League, von 48 auf 60 Prozent gestiegen, sagt Pepsico-Deutschlandchef Reichle. Er rechnet fest damit, dass er seine verkaufte Menge massiv steigert. Schließlich steht die Fußballeuropameisterschaft bevor – ein Spektakel, bei dem der Chipskonsum in die Höhe schießt.

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