Lebensmittel-Kennzeichnung Was der Nutri-Score wirklich bringt

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„Nutri-Score ist sicher nicht perfekt“

Nicht zufällig beeilte sich Danone, als erstes Produkt in Deutschland seine „Fruchtzwerge“ mit der Skala auszustatten. Sie tragen ein „B“, genauso wie ihre französischen Brüder, die „Danoninos“. Vorbei die Zeiten, in denen die Zwerge als überzuckerte fette Pampe verschrien waren, die man Kindern besser vorenthielt? „Sie werden damit als Lebensmittel mit einer guten Nährwertqualität eingestuft,“ betont der Hersteller. „Diese positive Bewertung resultiert aus der kontinuierlichen Rezeptverbesserung.“ Seit der Markteinführung vor mehr als 35 Jahren sei der Zuckergehalt um 37 Prozent und der Fettanteil um 68 Prozent reduziert worden. Danone veröffentlicht auf seiner Website die Rezepturen zahlreicher Produkte.

Am Kühlregal in Frankreich fällt auch die große Menge der Fertiggerichte auf, die bereits den Nutri-Score tragen. Die Kategorie „D“ für die Fertigpizza von Sodebo ist dabei die Ausnahme. Folgt man dem NutriScore, gibt es kaum eine ausgewogenere Ernährung als die mit Vorgekochtem. Das panierte Putenschnitzel hat sogar ein dunkelgrünes „A“ bekommen, wie die Pasta in Tomatensauce. Die Nudeln mit Schinken und Käse tragen immerhin ein hellgrünes „B“.

„Nutri-Score ist sicher nicht perfekt“, sagt David Garbous, Direktor für Marketing und Strategie bei Fleury Michon. Der Konkurrent des deutschen Wurst- und Fleischwarenherstellers Herta setzt trotzdem darauf. „Mit der Verwendung dieses Zeichens sagen wir den Verbrauchern auch: „Schaut her, wir haben nichts zu verbergen.“

Der Ansatz ist allerdings auch in Frankreich umstritten. Im vergangenen September kehrte Fleury Michon dem französischen Branchenverband im Streit den Rücken. Der Verband hatte sich nach heftigen Diskussionen gegen die Kennzeichnung ausgesprochen. Grund: Nutri-Score stigmatisiere die Produkte der Fleisch- und Wurstwarenindustrie. Zu viele gesättigte Fettsäuren.

Auch die französische Behörde für Lebensmittelsicherheit, Umwelt- und Arbeitsschutz (Anses) war nie Feuer und Flamme für Nutri-Score. Die Relevanz der Informationen sei nicht bewiesen, argumentierte sie. Die Skala berücksichtigt zum Beispiel weder den Zusatz von Farbstoffen oder Aromen noch unterscheidet sie gute und schlechte Kalorien wie die von Lachs im Gegensatz zu Schokolade. Die Herkunft ist genauso Nebensache wie der mögliche Austausch von Zucker und Fetten durch künstlich hergestellte Stoffe.

Genau mit diesen Mankos wettert jetzt der deutsche Marktführer bei Tiefkühlgerichten, Frosta, gegen Nutri-Score. Stellvertretend für die Lebensmittelindustrie in Deutschland macht der Spitzenverband BLL Front. Eine farbliche Kennzeichnung sei für den Verbraucher eher „verwirrend und irreführend,“ kritisiert seine wissenschaftliche Leiterin Angela Kohl. Lebensmittel wie Lachs, der wertvolle Omega-3-Fettsäuren enthalte, würden nicht mehr verzehrt, meint sie.

Ein Einteilung in gesunde und ungesunde Lebensmittel sei jedoch aus ernährungswissenschaftlicher Sicht grundsätzlich nicht sinnvoll. „Es kommt nicht auf ein einzelnes Produkt an, sondern was ich pro Tag, pro Woche und über einen längeren Zeitraum verzehre.“

Die Bundesregierung in Berlin ringt noch mit sich und der Farbskala. In Frankreich gibt es derweil nach wie vor mehr Käsesorten als Tage im Jahr. Unzensiert. Denn für frische Produkte auf dem Markt oder beim Händler um die Ecke gilt Nutri-Score nicht.

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