Lego Schluss mit dem „übernatürlichen Wachstum“

Lego-Chef Bali Padda tritt in große Fußstapfen. Die sensationellen Erfolge seines Vorgängers kann der Brite nicht wiederholen. Er setzt stattdessen auf nachhaltige Zuwächse – und die Digitalisierung der Kinderzimmer.

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Die Dänen profitieren weiterhin von den Kooperationen mit Hollywood-Studios. Quelle: AP

Stockholm Die Nervosität sah man ihm an. Bali Padda rollte während der Bilanz-Präsentation die ganze Zeit einen gelben und einen blauen Lego-Stein zwischen seinen Fingern. Am Donnerstag musste Padda erstmals als Chef ein Jahresergebnis des Spielzeugkonzerns präsentieren. Und eigentlich hätte er gelassener sein können. Denn erneut steht ein gutes Ergebnis in der Bilanz – wenn auch nicht so sensationelle Zahlen wie 2015.

Padda steht erst seit Januar dieses Jahres an der Spitze des dänischen Konzerns. Insofern ist sein Einfluss auf die Unternehmensentwicklung noch sehr überschaubar. „Wir haben in den vergangenen Jahren ein nahezu übernatürliches Wachstum gehabt“, sagte er, „jetzt werden wir eher wie der allgemeine Spielzeugmarkt zulegen, vielleicht etwas mehr“.

Tatsächlich steigerte der Lego-Konzern seinen Umsatz 2016 gegenüber dem Vorjahr um sechs Prozent auf 37,9 Milliarden dänische Kronen, umgerechnet 5,1 Milliarden Euro. Der Gewinn des im Familienbesitz befindlichen Konzerns stieg im vergangenen Jahr nur leicht von 9,2 auf 9,4 Milliarden Kronen. „Wir sind mit unserem Ergebnis zufrieden“, betonte Padda am Stammsitz des Unternehmens in Billund.

Es waren keine Rekordzahlen, die der neue Lego-Chef präsentierte. Doch das hatte auch niemand mehr erwartet. Denn der Konzern konnte seit 2006 seinen Umsatz vervierfachen und hat die Zahl der Mitarbeiter auf nunmehr 19.000 verdreifacht. Irgendwann musste dieses, wie Padda sagte, „übernatürliche Wachstum“ wieder in normale Bahnen kommen.

Das ist jetzt geschehen, und das Lego-Management rechnet auch in Zukunft mit eher moderaten Zuwächsen. „Wir streben ein nachhaltiges Wachstum an“, sagte Finanzchef John Goodwin und kündigte weitere Investitionen vor allem auf dem Wachstumsmarkt China an.

Das Geschäft mit den bunten Klötzchen lief vor allem in Europa gut. In den USA blieb der Umsatz dagegen auf dem Vorjahresniveau. Große Wachstumsmöglichkeiten sieht der Konzern künftig vor allem in China. Im abgelaufenen Jahr präsentierte Lego insgesamt 335 neue Produkte. Eines von ihnen war Lego Nexo Knights, ein Spiel, das die digitale Welt mit der physischen verbindet.

Überhaupt reagiert der Konzern seit einiger Zeit wieder verstärkt auf die zunehmende Digitalisierung im Kinderzimmer und bietet Spielformen an, die beide Welten vereinen. So gibt es seit vergangenem Monat mit Lego Life eine Plattform, auf der Kinder ihre Erfahrungen mit den Bauklötzen mit anderen teilen können. In der zweiten Jahreshälfte kommt mit Lego Boost eine Plattform hinzu, die traditionelles Bauen und Programmieren verbindet.


Der neue Chef tritt in große Fußstapfen

Äußerst erfolgreich waren auch 2016 wieder die vielen Kooperationen, die der Konzern aus dem beschaulichen Billund mit den großen Hollywood-Studios einging. So zählt die Star-Wars-Reihe weiterhin zu Legos erfolgreichsten Produkten. Weitere Bestseller sind die Baureihen Lego City, Lego Ninjago, Lego Crator, Lego Technic und Lego Friends. Damit der Erfolg des nach dem US-Konkurrenten Mattel zweitgrößten Spielwarenherstellers der Welt nachhaltig ist, hat Lego in den vergangenen Jahren massiv in neue Produktionsstätten investiert. „Wir wollen unser Unternehmen weiter globalisieren“, sagte Padda.

Der Brite mit indischen Wurzeln ist in große Fußstapfen getreten. Denn sein Vorgänger Jørgen Vig Knudstorp gilt als Retter von Lego, das Anfang des Jahrtausends in eine schwere Krise geraten war. Damals, 2004, konnte Knudstorp den Zusammenbruch des Familienunternehmens verhindern. Der Konzern hatte sich mit Computerspielen, den Legoland-Freizeitparks und Kindermode völlig verzettelt. In keinem Bereich waren die Dänen wirklich Experten.

Es war der Computerspiel-Trend, der dem Familienunternehmen zu schaffen machte. Waren es zunächst Pokémon-Bilder, die die Kinder stärker anzogen als die bunten Bauklötze, erwiesen sich später Gameboy und Playstation als Sieger im Kampf um die Gunst der kleinen Kunden. Dann kamen Tablets und Smartphones als neue Bedrohung. Lego versuchte sich darauf einzustellen und brachte hochtechnologische Roboter und Computerspiele heraus. Doch der Ausflug in die elektronische Welt misslang.

Der ehemalige McKinsey-Manager Knudstorp startete ein umfassendes Sanierungsprogramm und ließ keinen Stein auf dem anderen. Er trennte sich von den Freizeitparks, lagerte das Kindermodengeschäft aus und holte sich Software-Experten als Partner für die Computerspiele an Bord. Ihm gelang die Wende. Seit 2003, dem Jahr, in dem Lego erstmals rote Zahlen schrieb und mehrere Hundert Arbeitsplätze streichen musste, ist der Gewinn stetig gestiegen.

Heute ist Lego der mit Abstand erfolgreichste Spielwarenkonzern der Welt. Unter Knudstorps Leitung wurde der Umsatz vervierfacht, und die bunten Klötzchen sind trotz Tablets und Smartphones wieder ein Hit im Kinderzimmer. Und nicht nur dort, denn Lego hat vor einigen Jahren auch das Kind im Manne entdeckt und stellt aufwendige Bausätze vom Unimog, dem VW Bulli oder einem Sattelschlepper mit einigen Tausend Steinen für Erwachsene her.

Ende vergangenen Jahres verkündete Knudstorp überraschend seinen Rücktritt von der Spitze des Konzerns. Padda wurde sein Nachfolger. Allerdings gilt er als eine Übergangslösung, und Knudstorp, der nunmehr Aufsichtsratschef von Lego ist wird zusammen mit der Eignerfamilie Kristiansen bereits über die Nachfolge des 60-jährigen Padda nachdenken.


Eigentümerfamilie stärkt ihren Einfluss

Mit einer Ende vergangenen Jahres durchgeführten Umstrukturierung des Konzerns stärkte die Eignerfamilie um Oberhaupt Kjeld Kirk Kristiansen ihren Einfluss auf das Unternehmen mit weltweit 19.000 Mitarbeitern. Der ehemalige Lego-Chef Knudstorp, der schon einmal bei Bilanzpräsentationen vor Freude über erneute Rekordzahlen auf der Bühne ein Tänzchen hinlegte, nimmt jetzt mehr im Hintergrund als Kopf der neugegründeten Einheit Lego Brand Group die Interessen der Familie im Gesamtkonzern wahr.

Mit Thomas Kirk Kristensen hat er den Urenkel des Lego-Gründers an seiner Seite. „Wir wollen neue Möglichkeiten für die Marke Lego finden“, erklärte Knudstorp im Dezember. Mit Möglichkeiten meint der langjährige Lego-Chef neue Partnerschaften und eine weitere Stärkung des Markennamens. Eine Neuausrichtung beinhaltet die neue Organisation aber nicht, versicherte Knudstorp.

Die neue Unternehmenseinheit Lego Brand Group, in der der 75-prozentige Familienanteil am Konzern und die 30-prozentige Beteiligung an Merlin Entertainments, die die Legoland-Parks betreibt, sowie diverse weitere Beteiligungen vereint sind, dürfe nicht als Zeichen verstanden werden, dass die Eigentümerfamilie einen Ausstieg aus dem Unternehmen vorbereite.

Ganz im Gegenteil wolle die Familie ihren Einfluss auf die verschiedenen Beteiligungen und Tochterunternehmen ausbauen, versicherten Knudstorp und Kjeld Kirk Kristensen. Das Familienoberhaupt hatte bereits im Frühjahr vergangenen Jahres einen Großteil der Verantwortung an seinen Sohn Thomas übertragen, der nun zusammen mit Knudstorp die neue Unternehmenseinheit leitet.

Und die Familie Kristiansen und Ex-Lego-Chef Knudstorp haben noch Großes vor: Bislang, so teilte der Konzern vor einiger Zeit mit, spielten etwa 100 Millionen Kinder mit den Bauklötzchen. Bis zum Jahr 2032, wenn Lego sein hundertjähriges Firmenjubiläum feiert, soll diese Zahl auf 300 Millionen gesteigert werden.

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