Lidl macht jetzt Eis Der Handelsgigant wird zum Selbstversorger

Der Discountriese Lidl mutiert zum Hersteller: Nach Backwaren, Sprudelwasser und Schokolade will er jetzt auch Eis selbst produzieren. Wie weit die Pläne gediehen sind - und was sie für die Branche bedeuten.

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Lidl-Eisfabrik geplant. Quelle: imago, Montage

Die Eiscreme-Produzenten, allen voran DMK Eis, eine Tochtergesellschaft des Milchkonzerns Deutsches Milchkontor, dürften geschockt gewesen sein. Auch beim belgischen Eishersteller Ysco und bei dem Hamburger Familienunternehmen Eisbär schrillten die Alarmglocken.

Das Trio gehört zu den wichtigen Lieferanten von Lidl, die für mehr als 200 der insgesamt rund 300 Millionen Euro Umsatz stehen, die Lidl europaweit mit dem Verkauf von Eiscreme-Handelsmarken wie Gelatelli erlöst. Und die jetzt erfahren haben, dass ihnen bis Mitte 2017 eine der wichtigsten Erlösquellen wegbrechen wird. Denn spätestens ab dem Sommer 2017 will sich Lidl in hohem Maße selber mit Eiscreme versorgen.

Die größten Lebensmittelhändler Deutschlands

Wie wichtig das Geschäft mit den Handelsmarken für Discounter wie Lidl ist, zeigt der Anteil der Handelsware am gesamten Eiscremeverkauf, der in Deutschland bei rund 1,3 Milliarden Euro liegt: Fast 50 Prozent der Erlöse und rund 65 Prozent der Absätze entfallen auf die Eigenkreationen der Handelskonzerne. Den Rest teilen sich bekannte Markenhersteller wie Langnese, Mövenpick, Schöller oder Nestle.

Zwei Etagen, zehn Produktionslinien

Wie ein Insider, dem Details der Pläne für die neue Lidl-Eisfabrik bekannt sind, berichtet, plant der Discounter in Übach-Palenberg bei Aachen unter dem Geheimprojektnamen „Nordpol“ eine zweigeschossige Fabrik mit vorerst zehn Produktionslinien – Erweiterung nicht ausgeschlossen.

Hinzu soll ein gigantisches Tiefkühl-Hochregallager kommen. Dem Vernehmen nach soll die technische Ausrüstung, also Mixer, Leitungen, Produktions- und Verpackungslinien, vom schwedischen Verpackungshersteller Tetra Pak kommen, der mit seiner dänischen Tochtergesellschaft Tetra Pak Hoyer auf die Ausstattung von Eisfabriken spezialisiert ist. Herstellen will Lidl allerdings vorerst nur Produkte, die der Discounter ganzjährig in seinen Truhen führt. Saisonprodukte, wie etwa Eis in so genannten Quetschtüten, sollen nach wie vor von externen Herstellern bezogen werden.

Die Beweggründe für den Bau einer eigenen Eisfabrik liegen auf der Hand. Die Marge für den Hersteller entfällt. Lidl kann künftig entweder günstiger anbieten oder eben mehr Geld in die eigene Tasche stecken.

Ebenfalls wichtig laut Darstellung von Lidl sind „die Warenverfügbarkeit und langfristige Lieferbereitschaft“. Daran hatte es in der jüngeren Vergangenheit vor allem in der Zusammenarbeit mit DMK Eis gehapert. Branchenkenner berichten von schleppender Belieferung und Lücken in den Eistruhen, die die verantwortlichen Lidl-Manager immer wieder zur Weißglut getrieben haben soll – und das mitten im Hochsommer.  

Exodus von Fachkräften

Mittlerweile laufen die Vorbereitungen für den Fabrikneubau bei Aachen an. Auf Anfrage teilte Lidl mit, man habe gerade mit der Mitarbeitersuche, der Planung und Sondierung begonnen. Konkrete Details zur neuen Fabrik nannte eine Sprecherin nicht.

Insbesondere die Suche nach qualifiziertem Fachpersonal könnte für Lidl-Lieferant DMK Eis zu einem weiteren Fiasko führen. DMK hatte vor rund zweieinhalb Jahren den Wettbewerber Rosen Eis und dessen Eisfabriken in der Nähe von Heinsberg übernommen. Heinsberg und Übach-Palenberg liegen jedoch nur 30 Kilometer auseinander. Lidl werde versuchen dort gute Leute abzuwerben, heißt es in Branchenkreisen.

Offenbar hat sich Lidl schon die Dienste eines Werksleiters von Rosen Eis gesichert. DMK wird nicht nur einen riesigen Umsatzanteil verlieren, sondern wahrscheinlich auch viele Fachkräfte.

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