Lidl-Manager Christian Härtnagel Lidl wird 50 – was der Deutschlandchef mit dem Discounter vor hat

Christian Härtnagel, der Vorsitzende der Geschäftsleitung des Lebensmittel Discounters Lidl, steht bei einem Pressetermin zum 50. Geburtstag von Lidl neben Lidl Logos in der Zentrale in Bad Wimpfen. Quelle: dpa

50 Jahre nach der Eröffnung der ersten Filiale ist Lidl zum größten Discounter der Welt avanciert. Wie wichtig ist da noch der Heimatmarkt? Ein Rundgang durch das Reich von Lidl-Deutschlandchef Christian Härtnagel. 

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Bad Wimpfen, am Mittwochvormittag: Christian Härtnagel, Chef von 100.000 Mitarbeitern, spielt heute mal den Fremdenführer. Der Lidl-Manager lehnt an einem Stehtisch in der Deutschlandzentrale des Discounters. Hinter ihm ein Meer bunter Blumen. Vor ihm gut ein Dutzend Journalisten, denen Härtnagel jetzt die neue Deutschlandzentrale des Discounters zeigen will. Lidl lädt zum Presseevent? Bislang war der Handelsriese nicht gerade für das Entzünden kommunikativer Feuerwerke bekannt. Doch diesmal liegt die Sache anders: Lidl feiert Geburtstag; vor 50 Jahren eröffnete die erste Filiale. Also muss Deutschlandchef Härtnagel ran. 

Die Botschaft ist klar: Zum Jubiläum will sich Lidl als erfolgreiches Handelsunternehmen präsentieren, als sympathischer Weltkonzern von nebenan. Ein Handelsriese, der mittlerweile rund 12.000 Filialen in 31 Ländern betreibt, aber seine Wurzeln nicht vergessen hat.

Und Härtnagel versteht es, dieses Bild zu transportieren. In blauer Jeans und dunklem Sakko schwärmt er in der Lidl-Lobby über die „tollen Weinfeste“ in der Gegend und betont gern und oft die Verantwortung seines Unternehmens in turbulenten Zeiten.  

Christian Härtnagel, der Vorsitzende der Geschäftsleitung des Lebensmittel Discounters Lidl Quelle: dpa

Jetzt aber los und hinaus auf das Außenareal, das die verschiedenen Lidl-Gebäude im baden-württembergischen Bad Wimpfen nahe Neckarsulm verbindet. Das Ganze sei ja „wie bei einer Stadtführung“, sagt Härtnagel und steigt auf das „e“ in einer Art Buchstabenskulptur, die zusammengesetzt das Wort „Artikel“ ergibt. Im Hintergrund sind die geschwungenen Büro-Bauten zu sehen, in denen rund 1200 Lidl-Mitarbeiter seit zwei Jahren arbeiten. Die meisten kommen nur an einzelnen Tagen ins Büro und arbeiten ansonsten vom Homeoffice aus. Härtnagel ist einer der wenigen, der in dem Gebäudekomplex einen festen Schreibtisch hat.

Der Brexit als Feuertaufe

2003 fing der Manager an der Kasse einer Nürnberger Lidl-Filiale an und machte rasch Karriere. Er wurde Verkaufsleiter, stieg zum Bezirksleiter auf, übernahm Führungspositionen in der Logistik und im Vertrieb, ging dann zu Lidl nach Irland und Österreich und wurde im September 2016 schließlich Chef von Lidl in Großbritannien. Das war seine Feuertaufe. 
Mitten im Brexit musste er auf der Insel dafür sorgen, dass die Regale trotz Lkw-Staus einigermaßen gefüllt blieben. Außerdem hat er den Ausbau der Filialen vorangetrieben: In fünf Jahren eröffneten in Großbritannien 240 neue Lidl-Läden. Im März 2022 vertraute ihm Kenneth McGrath, der weltweite Lidl-Chef, schließlich den deutschen Markt mit 24,3 Milliarden Euro Umsatz an. „Lidl betreibt in Deutschland 3250 Filialen, das zeigt schon die Bedeutung des Heimatmarktes“, wird Härtnagel nach dem Rundgang im Gespräch mit der WirtschaftsWoche sagen und hinzufügen: „Deutschland ist das größte Lidl-Land“. 

Doch zunächst geleitet er die Journalistenschar wieder hinein ins Gebäude und eine Freitreppe hinab. Am Abend zuvor standen hier noch Tische für die Geburtstagsparty. Zur Feier des Tages stellte Härtnagel eine großangelegte Werbekampagne vor. Stars wie Helene Fischer, Barbara Schöneberger und Max Giermann sollen in den nächsten Wochen in TV-Spots für die Handelskette trommeln.

Neue Werbegesichter für die 50-Jahre-Lidl-Kampagne: Barbara Schöneberger, Helene Fischer und Max Giermann. Quelle: PR

Dazu gibt’s allerlei Rabatte und Gewinnspiele. In erster Linie wolle man sich damit bei Kunden, Mitarbeitern und Geschäftspartnern bedanken, sagt der Lidl-Manager. Aber natürlich soll die Werbung auch für zusätzlichen Umsatz sorgen. „75 Prozent der deutschen Haushalte kaufen schon heute regelmäßig bei Lidl ein“,  so Härtnagel. Wenn die Jubiläums-Kampagne dazu beitrage, dass uns „die übrigen 25 Prozent eine Chance geben, dann freuen wir uns darüber“. 

Momentan dürfte Lidls Geschäft ohnehin anziehen. Angesichts der hohen Inflation müssen viele Verbraucher sparen. Es sei daher kein Geheimnis, dass der gesamte Discountsektor in den vergangenen Monaten Marktanteile gewonnen habe, so Härtnagel. „Das gilt auch für Lidl.“ Gleichzeitig sehe sich sein Unternehmen selbst mit erheblichen Preissteigerungen konfrontiert. Die Energie- und Transportkosten hätten sich erhöht und Lieferanten fordern Zuschläge, die Lidl nach eigenen Angaben nicht vollständig an die Kunden weitergibt. Im Gegenteil: „Seit Jahresbeginn haben wir rund 700 Artikel im Preis gesenkt“, betont Härtnagel. 

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Der Lidl-Deutschlandchef zeigt jetzt noch stolz die Kantine für die Mitarbeiter in Bad Wimpfen, führt vorbei an Salatbar und Wok-Station, hinab in die Untergeschosse, die flächenmäßig für rund zwei Drittel des Gebäudekomplexes stehen. „Schön zusammenbleiben“, mahnt Härtnagel die Journalistengruppe. Tatsächlich sehen die Gänge in den Lidl-Katakomben alle ähnlich aus: weiße Wände, grauer Boden. Weiter hinten öffnet sich eine Tür zur Testküche, wo auf einem Stahltisch schon Schokolade und Eis zur Verkostung bereitstehen – jeweils als Marken- und als Eigenmarkenvariante. Was besser schmeckt? Schwer zu sagen. 

Im Normalbetrieb werden hier Wettbewerbsprodukte gescannt, oder die Zusammensetzungen von Markenartikeln wird analysiert, um später Eigenmarken zu kreieren, die dem Original möglichst nahekommen. Aber auch für Preisverhandlung ist Detailwissen hilfreich. 

Stress mit den Goldbären

„Wir können die Kostenentwicklung einzelner Produkte sehr genau nachvollziehen und beobachten, ob sich Rohstoffe gerade verteuern oder verbilligen und wie relevant die Energiepreise für das jeweilige Produkt sind“, sagt Härtnagel. „Insofern wissen wir auch, ob die Preisforderung eines Herstellers gerechtfertigt ist.“ 

Auf dieser Basis werde dann verhandelt und „in den allermeisten Fällen“ einige man sich auch mit dem jeweiligen Hersteller. „Momentan gibt es nur eine Ausnahme - und das ist Haribo“, sagt Härtnagel. „Hier laufen aktuell die Verhandlungen noch.“ Er verweist damit auf einen Konflikt, über den die WirtschaftsWoche jüngst berichtet hat. Haribo hatte angesichts gestiegener Kosten für Logistik und Rohstoffe Preiserhöhungen gefordert, war bei Lidl aber abgeblitzt, weshalb Goldbären und Co. bald in den Regalen des Discounters fehlen dürften. Allen Fans der Marke „empfehle ich unsere Eigenmarke Sweet Corner“, stichelt Härtnagel nun in Richtung Haribo.  

Ein Händler lässt die Muskeln spielen? Das geht auch anders. Hanteln, Rudermaschinen und Laufbänder stehen in dem Raum, den Härtnagel jetzt zeigt: das Lidl-eigene Fitnessstudio. Zwischen 6 und 22 Uhr könnten sich seine Mitarbeiter hier austoben, berichtet er und eilt weiter in Richtung Aufzug. Es geht nach oben zum „Skywalk“, der zwei Lidl-Gebäude verbindet. Dahinter beginnen die Arbeitszonen: Schreibtische reihen sich aneinander. Irgendwo in dem Gebäudekomplex soll es auch noch Reserven für zusätzliche Arbeitsplätze geben. Geht es nach Härtnagel, wird das Unternehmen den Platz in den nächsten Jahren auch brauchen.  

Schon heute gibt es hierzulande zwar kaum einen Haushalt, der die nächstgelegene Lidl-Filiale nicht innerhalb von 15 Autominuten erreichen könnte. „Wir haben in jedem Landkreis auf dem Festland mindestens eine Lidl-Filiale“, sagt Härtnagel. Aber in einigen großen Städten sieht er eben doch noch Expansionspotenzial: Im urbanen Raum zeigten sich „noch einige Lücken, die wir zukünftig schließen möchten.“

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Wie? Mit Lösungen, die auch den jeweiligen Städten und Metropolregionen helfen. „Beispielsweise mit neuen Filialstandorten, an denen wir zusätzlich Wohnraum schaffen, oder einen Kindergarten in die Gebäudeplanung integrieren“, sagt Härtnagel und klingt dabei ganz so, als hätte er in den nächsten Jahren noch einiges vor. 

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