Im deutschen Möbelhandel ist immer Rabattschlacht. „Messepreise“, „Geburtstagsrabatte“, „Elefantastische Angebote“ oder „Räumungsverkauf“ schreien die bunten Werbeblätter jede Woche, um die Kundschaft in die Geschäfte am Stadtrand zu locken.
Etliche Anbieter rühren die Werbetrommel viel zu laut und mit falschen Versprechungen, befand die Zentrale zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs und hat sich Ende 2016 über drei Monate hinweg die Prospekte der zehn größten Anbieter sowie zehn weiterer regionaler Möbelhäuser näher angeschaut.
Das erschreckende Ergebnis: Bei insgesamt 244 überprüften Prospekten wurden nicht weniger als 266 mögliche Verstöße gegen Wettbewerbsvorschriften gefunden. Mondpreise, versteckte Zusatzkosten, kaum entzifferbare Rabattausnahmen oder vorgetäuschte Jubiläen waren nur einige der Mängel, zu denen die Wettbewerbshüter anschließend Abmahnungen verschickten. Teilweise haben sich die Händler bereits verpflichtet, die Werbeaussagen nicht zu wiederholen, andere lassen es auf eine Klage ankommen.
Die Rabatttricks
Ein bestimmter Stuhl wurde von einer norddeutschen Discount-Kette innerhalb von drei Monaten in 14 Prospekten zum immer gleichen Preis angeboten. Die genannten Anlässe für die angeblich zeitlich begrenzte Offerte änderten sich regelmäßig und reichten von „Räumungsverkauf“ über „Rotstiftpreis“ bis zu „Big Sale X-Mas“. Der Kunde wurde über die Dauer und den Anlass des Angebots getäuscht, befanden die Wettbewerbshüter.
„Preis des Jahres“ jubelte der Prospekt eines ebenfalls großen Konkurrenten. Der Fehler: Dort beworbene Produkte wurden auch später zum gleichen Preis angeboten. Die Kunden würden über die Dauer des möglicherweise nie endenden Aktionszeitraums getäuscht, befanden die Wettbewerbshüter.
Monatlich offerierte ein süddeutscher Möbelriese eine Küche mit Einbaugeräten als „letzte Chance“ für 2499 Euro und nannte dabei stets den Ausgangspreis von 9963 Euro. Nach Meinung der Anwälte wurde dieser rot durchgestrichene „Statt-Preis“ im fraglichen Zeitraum nie verlangt. Es habe sich auch nicht um „letzte Chancen“ gehandelt, weil die gleiche Küche wenige Wochen später wieder beworben wurde.
25 Prozent „Geburtstags-Rabatt“ desselben Anbieters sollten auf Möbel, Küchen und Matratzen angerechnet werden. In Mikroschrift wurden im Prospektinnern dann etliche Möbelmarken von der Aktion ausgenommen und auch „alle Angebote aus unseren Prospekten, Anzeigen und Mailings“. „Rabatt auf fast gar nichts“ wäre die ehrliche Überschrift gewesen, meint Wettbewerbsanwalt Reiner Münker.
„Immer höhere Rabatte ähneln Medikamenten, die in Überdosis oft immer weniger Wirkung erzeugen“, sagt selbstkritisch Thomas Grothkopp, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Möbel und Küchen in Köln. Wo früher ein günstiges Mittagessen oder ein billiges Kaffee-Gedeck als Lockmittel reichten, müssen heute vermeintliche Preisnachlässe von mehreren Tausend Euro herhalten.
Nach den Untersuchungen der Wettbewerbsanwälte sind die meist durchgestrichenen „Statt-Preise“ oft völlig aus der Luft gegriffen, weil sie in Wirklichkeit nie verlangt würden. Unverbindliche Preisempfehlungen der Hersteller sind wegen der zahlreichen Variationsmöglichkeiten der Einzelmöbel in der Branche eher unüblich.
Belege für Mondpreise finden sich in den Prospekten, wenn identische Küchen oder Polstermöbel immer wieder zum gleichen reduzierten Preis offeriert werden. „Das ist dann der eigentliche Preis“, sagt der Geschäftsführer der Wettbewerbszentrale, Reiner Münker. Die Nutzung eines falschen Statt-Preises aber ist verboten.
Billige Prospekt-Tricks
Auch beim Erfinden von Sonderverkaufs-Anlässen seien die Händler viel zu kreativ, moniert die von Hunderten Verbänden, Kammern und Unternehmen getragene Zentrale in Bad Homburg bei Frankfurt. So habe eine nationale Handelskette ihre bundesweit einheitlichen Angebote in regionalen, aber eigentlich inhaltsgleichen Prospekten mal als Messepreise und mal als Räumungsverkauf beworben. Auch könne der Verbraucher keineswegs darauf vertrauen, dass das vermeintliche Super-Angebot nur zeitlich begrenzt vorhanden ist.
Die Preistrickser haben in den Möbelhäusern aber auch besonders leichtes Spiel, weil den Kunden für die seltenen Anschaffungen ein echtes Preisgefühl fehlt. „Die Preise sind für die Konsumenten schon wegen der enormen Variantenvielfalt sehr intransparent. Da hilft auch das Internet nicht viel weiter. Letztlich muss man schon fragen gehen und sich bei mehreren Anbietern Angebote einholen“, beschreibt der Handelsexperte der Beratungsgesellschaft Ernst & Young, Thomas Harms, die Situation.
Welche Möbel die Deutschen wollen
Wenig gefragt sind hierzulande Esszimmermöbel. Nur 13 Prozent gaben an, in den nächsten Monaten neue anschaffen zu wollen.
Befragt wurden 810 Deutsche – Mehrfachnennung war möglich.
Auch die meisten Kinder gehen leer aus. Ebenfalls nur 13 Prozent wollen neue Kinderzimmermöbel kaufen.
16 Prozent haben keine genauen Pläne, was den Möbelkauf betrifft, wollen aber zulangen.
Wichtiger ist den Deutschen in diesem Jahr das Bad. Jeder Fünfte will hierfür neue Möbel erstehen.
Vier von zehn Deutschen wollen in den nächsten Monaten Möbel für ihre Küche kaufen.
36 Prozent planen neue Schlafzimmermöbel anzuschaffen.
Mehr als jeder zweite Deutsche will sein Wohnzimmer neu einrichten. 53 Prozent der Befragten gab an, neue Wohnzimmermöbel kaufen zu wollen.
Die ursprünglichen Kalkulationen seien im Möbelhandel schon immer „völliger Unsinn“ gewesen, sagt Harms. „Wenn ein Verkäufer nach langem Wälzen der Kataloge einen Preis nennt, ist das nicht mehr als eine erste Preisidee, über die man dann hart verhandeln sollte.“
Nur wenige Unternehmen entziehen sich der Werbeschlacht mit den billigen Prospekt-Tricks, darunter der erfolgreiche Marktführer Ikea, der aber eigentlich auch ein ganz anderes Geschäftsmodell als die übrigen Möbelhändler verfolgt. Die Schweden haben den gesamten Möbelproduktions- und Handelsprozess im Griff und setzen ausschließlich auf eigene Produkte, während ihre Konkurrenz eng mit der Möbelindustrie und Einkaufsgemeinschaften zusammenarbeitet.
Wie eng dort die Spielräume sind, zeigen die kürzlich verhängten Kartellstrafen von 4,4 Millionen Euro gegen fünf Möbelhersteller. Die Unternehmen hatten Händler mit Liefersperren bedroht, sollten sie ihre Markenmöbel zu billig abgeben. Aus Sicht der Kunden heißt das, dass es gerade für hochwertige Einrichtungen meist gar keinen Rabatt gibt - den Versprechungen in den Prospekten zum Hohn.
„Konsumenten sollten sich nicht von Rabatten blenden lassen, sondern die Produkte, Leistungen und Endpreise mehrerer Anbieter vergleichen“, sagt Verbandsfunktionär Grothkopp. Für die Zukunft sei er optimistisch: „Die Maßnahmen der Wettbewerbszentrale könnten bewirken, mit Rabatten als Werbemitteln wieder sorgsamer umzugehen.“