Logistikexperte Björn Asdecker Die Deutschen und der Rückschickwahn

Seite 2/2

Wie die Händler ihre Kunden erziehen

Das ist wann der Fall?
Wenn sich Kunden beispielsweise vor dem Oktoberfest Trachten bestellen, sie anziehen und nach dem großen Auftritt retournieren. Meist klappt das sogar ohne Probleme. Viele Versender scheuen einen Konflikt mit dem Kunden und die Beweisführung ist schwierig. Andere sind wiederum wild darauf, ein Produkt möglichst als erste zu haben. Die bestellen dann parallel bei zehn Händlern und nur wer zuerst liefert, bekommt den Kauf. Bei den übrigen neun wird die Annahme verweigert und die Unternehmen bleiben auf den Kosten sitzen.

Wie sich die Retourenquote in Onlineshops senken lässt

Wie groß ist der Anteil dieser Retourensünder?
Etwa 20 Prozent der Kunden geben offen zu, die Möglichkeit zur Rückgabe schon einmal bewusst für ihre Zwecke ausgenutzt zu haben. Nur eine sehr kleine Gruppe macht das aber regelmäßig.

Warum ist gerade in Deutschland die Zahl der Retouren so hoch?
Das hat Tradition. Schon in einer Werbung aus dem Jahr 1880 heißt es “nicht gefallene Waren werden bereitwilligst zurückgenommen”. Die Versandhändler haben sich die Kunden also so erzogen. Das gehört natürlich zum Geschäftsmodell. Beim Bestellen über das Telefon oder das Internet gibt es ein Vertrauensproblem. Der Kunde kauft Produkte, die er nicht begutachten kann. Das fällt leichter, wenn er weiß, dass der Händler sie ohne Zusatzkosten zurücknimmt. Bei der Menge an Rücksendungen ist der Bogen aber mittlerweile überspannt. Viele Versender schreiben unter anderem wegen der hohen Retourenquoten rote Zahlen. Doch wenn die Händler aggressiv mit Slogans wie ‘Schrei vor Glück oder schicks zurück’ werben oder geworben haben, sind sie zum Teil auch selbst Schuld.

Warum sollte das auch ein Problem der Händler sein? Sie legen die Kosten doch auf die Kunden um.

Weil der Umlage in umkämpften Märkten mit einem großem Preiswettbewerb Grenzen gesetzt sind. Außerdem zieht jedes Retourenpaket einen Transportvorgang nach sich, der letztendlich der Umwelt schadet. Es ist äußerst fraglich, wie das zum vermeintlich nachhaltigen Unternehmensimage einiger Anbieter passt. Gleichzeitig muss man den Händlern aber zugutehalten, dass sie mittlerweile vieles tun, um Retouren im Vorfeld zu vermeiden.

Wie können die Händler denn die Retouren-Zahl begrenzen?
Zum Beispiel mit elektronischen Hilfestellungen. Hat ein Kunde mehrmals eine Hose in einer bestimmten Größe bestellt und behalten, könnte ihm der Onlineshop die nächste direkt in einer Größe präsentieren, die ihm vermutlich ebenfalls passt. Die meisten Händler tüfteln bereits an solchen Big-Data-Ansätzen, die im Hintergrund laufen. Eine andere Möglichkeit ist, sich die Kunden mit Retourengebühren zu erziehen. Eine neue EU-Verbraucherrechte-Richtlinie erlaubt, Rücksendung grundsätzlich kostenpflichtig zu machen - bislang war das nur bis zu einem Warenwert von unter 40 Euro möglich. Viele Händler setzten das aber nicht um, aus Angst Kunden zu verprellen. Dass dies durchaus erfolgreich funktioniert, können sie am Branchenführer Amazon sehen. Der nimmt nicht nur Rücksendegebühren für Artikel mit einem Warenwert von unter 40 Euro, sondern sperrt sogar Nutzer, die im zu großen Stil zurückschicken. Im Kern müssen viele Händler lernen, dass es nicht darum geht, Bestellungen um jeden Preis zu erzwingen, sondern profitable Kundenbeziehungen zu pflegen.

Werden wir der Paketflut so wirklich Herr?
Vorerst rechne ich noch mit einem weiteren Anstieg der Retouren. Gerade die junge Generation liebt es zu bestellen und zu retournieren. Außerdem ist es sehr schwer, die geschaffene Erwartungshaltung zu verändern. Mittelfristig aber werden Retourenquoten aber wieder etwas zurückgehen. Ganz einfach, weil die technischen Möglichkeiten und die präventiven Analyseansätze immer besser werden.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%