Lovro Mandac will nicht fusionieren Die Überlebensstrategie für Galeria Kaufhof

Lovro Mandac steuert seit fast 20 Jahren den Kölner Kaufhauskonzern und kämpft gegen den ewigen Konkurrenten Karstadt. Welche Pläne er verfolgt und wie das Warenhaus seiner Meinung nach überleben wird.

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Lovro Mandac Quelle: David Klammer für WirtschaftsWoche

Lovro Mandac steht an einem Bistrotisch auf der Dachterrasse des Rheinloft Cologne. Vor dem Kaufhof-Chef liegt das Manuskript der Rede, die er gleich halten soll. „Die Bedeutung des Einzelhandels in Deutschland“ ist das Papier überschrieben. Mandacs Blick schweift weit über den Rhein: vom blau illuminierten Musical Dome hin zum früheren Lufthansa-Haus am anderen Ufer, an dessen Fassade inzwischen der Schriftzug „Görg“ leuchtet. Die Kanzlei führte einst den Kaufhof-Rivalen Karstadt durch das Insolvenzverfahren. Mandac nippt noch einmal an seinem Glas Weißwein und bahnt sich dann den Weg durch die Gästeschar: Showtime.

Nach ein paar Minuten hat sich der Kaufhof-Chef auf Betriebstemperatur geredet, legt das staatstragende Manuskript zur Seite und wettert gegen Politiker, die ihre Innenstädte veröden lassen, und gegen Kirchenobere, die von der Sonntagsöffnung seiner Läden partout nichts wissen wollen.

Köln, Kaufhof, Kirche – die rund 200 Gäste, die zur Eröffnung des Veranstaltungsorts gekommen sind, quittieren den Dreiklang mit höflichem Applaus, auch wenn ihnen die Thesen bekannt vorkommen dürften. Ein echter Mandac eben.

Halb ehrfurchtsvoll, halb spöttisch wird der Kaufhof-Regent in der Handelszunft „der ewige Mandac“ genannt. Seit 1994 dirigiert er das Kölner Unternehmen, hat fünf Vorstandschefs beim Kaufhof-Mutterkonzern Metro kommen und vier wieder gehen sehen. Unzählige Male wurde über Mandacs bevorstehenden Abgang von der Kaufhof-Spitze spekuliert – am Ende blieb er stets der Chef des Warenhausriesen.

Im Management des Rivalen Karstadt gab es derweil mehr Wechsel als in den Kleiderschränken vieler Kunden. Walter Deuss, Wolfgang Urban, Helmut Merkel, Peter Wolf, Stefan Herzberg, Thomas Fox und Andrew Jennings amteten in Mandacs Zeit als Karstadt-Chefs.

Die Geschäftsentwicklung von Kaufhof

Zum Jahresanfang 2014 soll schließlich Karstadt-Boss Nummer acht gegen Mandac antreten. Doch bis dato ist nicht einmal bekannt, wer den Posten übernehmen soll – geschweige denn, mit welchem Konzept der taumelnde Konzern wieder auf Kurs gebracht werden könnte.

Dauerkrise auf der einen Seite, Dauerregentschaft auf der anderen – wie hat es Mandac geschafft, so lange an der Macht zu bleiben?

Der Kaufhof-Chef überhört die Frage bei einem Gespräch in seinem Büro in der Kölner Zentrale kurzerhand. Er spricht lieber über die großen Krisen und noch größeren Glanzstunden des 1879 gegründeten Unternehmens.

Hinter seinem Schreibtisch hängt ein Bild mit dem Titel „Die wahre Freude“, und wer Mandacs Ausführungen folgt, gewinnt den Eindruck, dass die Arbeit des Künstlers Imi Knoebel den aktuellen Geschäftsgang widerspiegelt: eine Bilanz in freundlichen Pastelltönen gehalten. Der Umsatz stagniert, doch das Ergebnis stimmt. Die Warenhäuser hätten sich „fantastisch entwickelt“, lobte jüngst gar Metro-Chef Olaf Koch. Wirtschaftlicher Erfolg ist indes nur eine der Bedingungen für den Verbleib im Amt. Weite Teile des Mandac’schen Beharrungsvermögens dürften auch mit seinem Werdegang zu tun haben.

Kleine Verhältnisse

Aufgewachsen als Sohn eines kroatischen Einwanderers in kleinen Flensburger Verhältnissen, musste er sich nach dem Abitur sein Geld selbst verdienen und gab einmal Erreichtes nicht so schnell wieder auf. Mandac überführte Mercedes-Jahreswagen von Stuttgart nach Flensburg. Nachts ging es im Schlafwagen in die Schwabenkapitale, tagsüber auf der Autobahn zurück. Heute fährt er BMW. Seinen ersten Lohn investierte er in einen lindgrünen Ausgehanzug von Boss und ein violettes Hemd. „Damals hatte ich allerdings noch 20 Kilo weniger auf den Rippen“, merkt Mandac an. Heute trägt der 63-Jährige Anzüge in gedeckten Farben, die Hemden sind weiß, allein sein Faible für auffällige Krawatten blitzt ab und an auf.

Das Wirtschaftsstudium in Hamburg finanzierte er mit Taxifahren. „Aber Arbeit schadet nicht“, so Mandac. Nach dem Studium ging es für den Diplom-Kaufmann als Revisor beim Plattenverlag Thorn/Emi in Hamburg los. Es folgten Stationen bei der Airlinetochter der Reederei Hapag-Lloyd und bei dem deutschen Ableger des Elektronikkonzerns Panasonic inklusive eines Aufenthalts bei der Muttergesellschaft in Japan. Dort arbeitete Mandac in der Finanzverwaltung und sah mit Erstaunen, dass Geschäftspläne, die fast 50 Jahre zuvor entwickelt worden waren, auch eintrafen. Seine Strategie für Kaufhof ist auf immerhin fünf bis zehn Jahre ausgelegt, konkrete, mit Zahlen unterfütterte Pläne reichen drei Jahre in die Zukunft.

Und wie sieht die aus? Mandac steht auf, öffnet den weißen Schrank in der hinteren Büroecke und holt – nein, nicht die geheimen Strategiepapiere – sondern eine Schachtel Gauloises heraus, setzt sich wieder und zückt ein rotes Feuerzeug mit dem Aufdruck Switzerland. „Dass es eine weitere Konsolidierung im europäischen Warenhausgeschäft geben wird, ist klar“, sagt Mandac und atmet den Rauch aus. „Die Frage ist nur, wann.“

Handelsexperten erwarten, dass es vor allem für Filialen in den mittelgroßen Städten hart wird. Auch bei Kaufhof dürfte in den kommenden Jahren das eine oder andere Haus die Pforten schließen. Gerade wurde das Aus für eine Filiale in Düsseldorf verkündet. Viel Aufregung gab es nicht.

Anders als die Karstadt-Granden hat das Kaufhof-Management nie in Leuchtturmfilialen zig Millionen Euro verbrannt oder ist vermeintlich großen Deals wie einem internationalen Netzwerk von Luxuskaufhäusern nachgerannt. Stattdessen sortierte die Riege um Mandac regelmäßig unrentable Filialen aus, investierte in die Fläche statt in einzelne Prunkhäuser und hielt die Ausgaben im Zaum. Obwohl die Umsätze von Kaufhof in den vergangenen zehn Jahren um insgesamt rund 19 Prozent zurückgingen, liegen die Gewinne seit Jahren stabil jenseits der 100-Millionen-Euro-Marke (siehe Grafik Seite 62). „Bei Kaufhof wurde die Kostenstruktur früh angepasst“, bilanziert der ehemalige Kaufhof-Konzernchef Jens Odewald. „Das hat Karstadt erst Jahre später nachgeholt.“ Odewald war es auch, der Mandac 1987 einstellte.

„Wir suchten damals jemanden, der von außen kommt, frischen Wind mitbringt, was von Bilanzen versteht, aber kein reiner Finanzmann ist“, erinnert sich Odewald. „Mandac war der richtige Kandidat.“ Er sei weltoffen, verbindlich im Auftritt und habe Humor. Ein Foto aus jener Zeit zeigt einen jungen Mann mit Halbbart und kariertem Sakko, der freundlich lächelnd in die Kamera blickt und den Eindruck vermittelt, er wolle er gleich die Nachrichten verlesen.

Geschäft im Griff

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Vor allem aber bewies Mandac schnell, dass er das Geschäft im Griff hat. Wenige Jahre nachdem er als Finanzdirektor in der Konzernholding gestartet war, stieg er zum Warenhauschef auf und steuerte den Zusammenschluss der Düsseldorfer Horten-Kaufhäuser mit Kaufhof. Fortan zog das sogenannte Galeria-Konzept in die Kaufhäuser ein, mit Warenwelten, die den Fachmärkten Paroli bieten sollten. Als „Aufsteiger des Jahres im Kaufhof-Konzern“, beschrieb die WirtschaftsWoche Mandac 1994. 2001 übernahm Kaufhof dann das belgische Warenhausunternehmen Inno.

Hinter vorgehaltener Hand moniert ein früherer Metro-Manager, dass danach nicht mehr viel kam. Mandac als oberster Ladenhüter? „Eher schon Laden-Behüter“, sagt ein Betriebsrat. Vielleicht würden die großen Initiativen fehlen, aber ebenso blieben radikale Einschnitte aus.

Stattdessen richtete Mandac das Unternehmen systematisch auf die Kernkundschaft aus und schichtete das Sortiment um: weniger Lebensmittel und Elektronik, mehr Mode und Accessoires – Ware, die vor allem Frauen ab 35 Jahren verzücken soll.

Karstadt sei dagegen dem Jugendwahn verfallen, heißt es in der Branche mit Verweis auf die Auftritte von Vertriebschef André Maeder, in der Jury des TV-Spektakels „Fashion Hero“. Der scheidende Karstadt-Chef Jennings habe mit vielen neuen, unbekannten Modelabels teilweise die Stammkundschaft vergrault. Zugleich fehle der Marke Karstadt aber der Glanz, um neue Kundengruppen zu gewinnen.

„Man muss die Menschen beobachten und mit ihnen reden“, lautet dagegen Mandacs Mantra. „Mein persönlicher Geschmack für Ware ist völlig unerheblich, das interessiert keinen Kunden.“

Ehemalige Kaufhof- und Metro-Kräfte beschreiben ihn je nach Perspektive als „Gummibär- und Süßkramjunkie“, als begnadeten „Drahtzieher“, der im Beirat des 1. FC Köln und als Vizepräsident des Handelsverbands Deutschland seine Kontaktnetze spannt oder als „machtbewussten Alpha-Rüden“, der mögliche Nachfolger wegbeißt, bevor sie ihm gefährlich werden können. In einem aber sind sich Fans wie Gegner einig: Anders als viele Manager in vergleichbaren Positionen habe Mandac Bodenhaftung bewahrt.

Am Tag vor der Rheinloft-Rede waren Mandac und seine Frau zur Eröffnung des neuen Breuninger-Kaufhauses in Düsseldorf geladen. Pünktlich zur Gala drängten sich allerlei Promis und lokale Größen vor dem Glitzer-Flaggschiff am luxuriösen Kö-Bogen, darunter auch die Mandacs.

Doch der Einlass war ob des Ansturms überfordert, vor dem Breuninger-Haus staute sich die Gästeschar. Die meisten Handelsmanager hätten jetzt ihr Handy gezückt und bei Breuninger-Chef Willy Oergel persönlich interveniert. Man kennt sich schließlich in der überschaubaren deutschen Warenhauswelt.

Einer mit Überzeugungen

Nicht so Mandac. Seine Frau und er reihten sich artig in die Riege der Wartenden ein, entdeckten dort den Strumpf-Fabrikanten Franz-Peter Falke und entschieden sich, die Wartezeit gemeinsam in der Bar des nahegelegen Steigenberger Parkhotels zu überbrücken und den Wettbewerber später zu inspizieren. Mandac, sagt Falke, sei „ein Händler durch und durch“. Einer mit Überzeugungen – das sei inzwischen selten. Einer, der einstecken könne, aber auch „gerne mal frotzelt“ – gegen politische Eingriffe und gegen Bürokratie.

Vor allem aber gegen Karstadt. „Auch die Kunden bemerken die Probleme von Karstadt“, sagt Mandac etwa und fügt an „das hat uns sicherlich Umsatz gebracht.“

Zurzeit rückt wieder die K-Frage auf die Agenda. Werden Karstadt und Kaufhof fusionieren? Kaum hatte Metro-Chef Koch Ende September im Interview mit der WirtschaftsWoche seine Pläne bekräftigt, die Warenhaustochter zu verkaufen, brandeten wieder Spekulationen über einen Zusammenschluss von Kaufhof und Karstadt zu einer deutschen Warenhaus AG auf. Seit Jahren schon beflügelt das K.u.K.-Szenario die Fantasie von Beratern wie Journalisten.

Doch Mandac sperrt sich: „Ein Zusammenschluss mit Karstadt würde Kaufhof in der Entwicklung drei Jahre kosten. Wir kommen sehr gut alleine zurecht.“ Sicher wären einzelne Standorte interessant, räumt er ein. „Aber wir brauchen keine zweite Verwaltung, Logistik, IT und, und, und. Ich sehe da keine Möglichkeit, es sei denn, die Läden würden uns geschenkt.“

Fast scheint es so, als hätte Mandac den Erzrivalen schon abgeschrieben und wolle sich auf neue Wettbewerber konzentrieren.

Gern erzählt Mandac die Geschichte, wie er versuchte, ein Exemplar von Fritz Steubens „Der weite Ritt“ im Buchhandel aufzutreiben – lange Zeit vergeblich. Bis er sein Glück bei Amazon versuchte. Erst habe sich der Internet-Anbieter auf die Suche gemacht nach jemandem, der das Buch abgeben wollte, es dann gekauft und schließlich an ihn weiterveräußert.

Mandac dürfte die Einkaufserfahrung bei dem Online-Riesen eine Warnung gewesen sein: In Sachen Service und Kundenfreundlichkeit haben viele Online-Shops stationäre Geschäfte abgehängt. Der Kaufhof-Chef propagiert die Verbindung beider Welten, das sogenannte Multichannel-Modell.

Als sich die E-Commerce-Szene jüngst zum Neocom-Kongress in einer alten Düsseldorf Industriehalle versammelte, stand neben einem Heavy-Metal-Musikversender und dem Chef der Startup-Schmiede Project A Ventures auch Mandac auf dem Podium. Im Online-Geschäft, so die Botschaft, wolle nun auch Kaufhof ordentlich zulegen. Nur ein Bruchteil der Umsätze erzielt das Unternehmen bisher im Netz. Dabei gibt es intern längst Gedankenspiele, die Schwestermarke Inno über einen WebShop zu einem europäischen Anbieter auszubauen.

Mandac schweigt dazu. Nur so viel: Bis 2017 soll der Online-Anteil am Umsatz auf zehn Prozent steigen. „Wenn es in dem Tempo weiterläuft wie bisher“, so Mandac, „schaffen wir das ein Jahr früher.“ Das wäre dann wohl der perfekte Abgang für den „ewigen Mandac“, dessen Vertrag 2016 ausläuft. Ist dann endgültig Schluss?

Mandac federt in seinem Bürosessel ein wenig nach vorn, grinst und sagt: „Noch 20 Jahre, dann ist Schluss.“

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