Lufthansa-Chef Spohr hält Übernahme von Air Berlin für möglich

Carsten Spohr erhält von den Lufthansa-Aktionären viel Lob. Doch im Fokus der Hauptversammlung stand nicht Europas größte Airline, sondern der schlingernde Rivale Air Berlin. Hier ließ sich Spohr in die Karten schauen.

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Lufthansa-Chef Carsten Spohr Quelle: dpa

Die spannendsten Aussagen gab es von Carsten Spohr an diesem Freitag vor Beginn der eigentlichen Veranstaltung. Unmittelbar vor seinem Auftritt auf der Hauptversammlung von Lufthansa auf dem Messegelände in Hamburg stellte sich der Chef der nach Umsatz größten Fluggesellschaft in Europa den Journalisten. Thema Nummer eins: die Zukunft des schlingernden Rivalen Air Berlin.

Auf den ersten Blick sagte Spohr dazu wenig Neues. Es blieben die drei Kernprobleme, die einer Übernahme von Air Berlin im Wege stünden, betonte er einmal mehr: die hohen Schulden, die hohen Kosten und die Kartellfragen in Deutschland und auch in der EU. Doch anders als bei früheren Auftritten scheint der Lufthansa-Chef nun etwas optimistischer zu sein, die Hürden auch bewältigen zu können.

„Die Schulden kann nur Abu Dhabi lösen, das wissen die Verantwortlichen dort“, sagte Spohr, der zu Wochenbeginn mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Abu Dhabi gewesen ist. Die dortige Airline Etihad ist mit knapp 30 Prozent der größte Aktionär von Air Berlin und zudem der größte Gläubiger.

Die Kosten müsse der neue Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann in den Griff bekommen. Das geschehe bereits. Und auch die wohl heikelste Frage der kartellrechtlichen Genehmigung hält Spohr für lösbar. Spohr verwies etwa auf andere nationale Übernahmen in Europa, etwa die von British Midland durch IAG oder von Air Inter durch Air France. „Es ist also möglich“, so Spohr. Wenn alle drei Probleme gelöst seien, werde Eurowings noch ein bisschen stärker als bisher wachsen. Gelinge das nicht, werde die Tochter eben organisch wachsen.

Seit drei Jahren steht Spohr mittlerweile an der Spitze von Lufthansa. In dieser Zeit hatte er schon weitaus anstrengendere Aktionärstreffen zu bewältigen als in diesem Jahr. Der Lufthansa-Chef blickt auf durchaus erfolgreiche zwölf Monate zurück. Die rund 3000 Anteilseigner, die sich am Freitagmorgen in der Messehalle 3 in Hamburg versammelten, hatten denn auch einiges an Anerkennung im Gepäck.

Zwar gebe die Aktienkursperformance keinen Anlass zu Jubelstürmen, mahnte Winfried Mathes von Deka Investment. „Aber dafür ist aus der Streikhansa wieder eine Lufthansa geworden“, so Mathes: „Uns Aktionäre freut es, dass die Einigung mit dem Kabinenpersonal geschafft ist, die mit den Piloten ist immerhin in greifbare Nähe gerückt – beides sind wichtige Schritte für die zukunftsfähige Ausrichtung des Unternehmens.“

Eckpunkte aus der Lufthansa-Bilanz 2016

Doch so ganz zufrieden sind die Investoren mit der aktuellen Entwicklung von Lufthansa dann doch nicht. Vor allem die Kosten sind vielen von ihnen noch ein Dorn im Auge. Obwohl die Treibstoffkosten in den letzten zwei Jahren kumuliert um zwei Milliarden Euro gesunken seien, habe das bereinigte Betriebsergebnis nur um 800 Millionen Euro zugelegt, rechnet Mathes vor. Und weiter: Angesichts der Summe aus Nettokreditverschuldung und Pensionen sei der operative Mittelzufluss (Cashflow) einfach zu gering: „Da müssen wir die Frage stellen: Welche Effekte haben die Einsparungen bei den Treibstoffkosten aufgezehrt?“

Markus Neumann von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) sucht gar nach einer dauerhaft belastbaren Strategie. Nur die Kosten zu senken, reiche nicht: „Wie sichert Lufthansa die nachhaltige Rentabilität? Nur dann wird die Lufthansa überleben. Das ist eine existenzielle Frage.“

Erheblicher Handlungsbedarf bei Eurowings

Zudem sehen die Aktionäre bei der Billigtochter Eurowings noch erheblichen Handlungsbedarf. „Auf die Bedrohung durch Ryanair, die der Lufthansa jetzt auch auf dem Frankfurter Flughafen Konkurrenz macht, haben Sie noch keine passende Antwort“, beklagte Ingo Speich, Portfoliomanager bei Union Investment: „Damit Eurowings ein Erfolg wird, muss noch viel passieren. Kosten und Komplexität sind viel zu hoch, um gegen Ryanair bestehen zu können.“

Und Mathes von Deka Investment assistiert: „Die Lufthansa ist mit Eurowings unterwegs, aber noch nicht wirklich aus den Startlöchern gekommen. Herr Spohr, jetzt müssen Sie beweisen, dass das Konzept Low-Cost-Carrier auch im Lufthansa-Konzern funktionieren kann.“

Die Rolle ihres Unternehmens in der Konsolidierung der Luftfahrt verfolgen die Anteilseigner mit großer Aufmerksamkeit. „Es ist Bewegung im Markt und auch bei unserer Lufthansa. Das spüren wir“, sagte Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Doch so ganz durchblickt er das, was da derzeit läuft, noch nicht: „Ist das nur eine Opportunität, um an der Konsolidierung teilzunehmen?“, fragte Tüngler mit Blick auf eine enge Partnerschaft mit Air Berlin. Und das künftige Verhältnis zur über Jahre von Lufthansa bekämpften Golf-Airline Etihad irritiere: „Ist Etihad nun Feind oder Freund?“

Angesichts der radikalen Umbrüche in der Branche sorgt sich Speich von Union Investment, dass die Lufthansa-Spitze zu unüberlegten Zukäufen etwa der gerade insolvent gegangenen Alitalia verleitet werden könnte: „Die Lufthansa hat nichts zu verschenken und sollte das überschüssige Kapital lieber in die Stärkung der Bilanz, den Konzernumbau und die Erneuerung der Flotte stecken“, so der Portfoliomanager. Das Durchschnittsalter der Flotte von Lufthansa habe sich mit 11,3 Jahren trotz des Flottenerneuerungsprogramms in den letzten fünf Jahren nicht signifikant verändert.

Und noch etwas schrieben die Anteilseigner dem Management ins Stammbuch. Sie wollen künftig stärker am Erfolg partizipieren. „Wenn Sie die Eigenkapitalquote von 25 Prozent erreicht haben, dann wollen wir auch mehr Dividende. Vergessen Sie das nicht“, forderte Hans-Martin Buhlmann, der Vorsitzende der Vereinigung institutionelle Privatanleger.

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