Lufthansa gegen Piloten Ein Konflikt ohne Ende

Die Schlichtung im Tarifstreit mit den Lufthansa-Piloten ist beendet. Ob es zu einer Einigung kommt oder neue Streiks drohen, bleibt offen. Warum eine Lösung in dem verfahrenen Konflikt so schwer fällt.

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Einige Piloten der Lufthansa wollen endlich eine Lösung, andere wiederum wollen im Tarifstreit umso härter bleiben. Quelle: dpa

Frankfurt Es ist ein Ende ohne ein richtiges Ende. An diesem Dienstag ist die Frist ausgelaufen, die sich Lufthansa und die Pilotenvertretung Vereinigung Cockpit (VC) für die Schlichtung ihres Streits um die Bezahlung der Flugzeugführer von Lufthansa, Lufthansa Cargo und Germanwings gesetzt haben. Die Gespräche in Frankfurt unter Leitung des Schlichters Gunter Pleuger gingen planmäßig zu Ende ohne, dass es zu einer Einigung gekommen wäre. Erst muss der Ex-Diplomat Pleuger seinen Schlichterspruch formulieren, den wiederum dann beide Tarifpartner akzeptieren müssen.

Für die Passagiere bedeutet das: Sie müssen vorerst weiter bangen. Zwar dürfte bis zur abschließenden Entscheidung über den Schlichterspruch kein weiterer Streik auf Seiten der Piloten drohen. Sollte aber der Kompromissverschlag von Pleuger auf Ablehnung stoßen, könnte es rasch mit der vorübergehenden Streikruhe vorbei sein. Das gilt auch für den Fall, dass der Schlichter sich am Ende außerstande sehen sollte, überhaupt einen belastbaren Kompromiss zu formulieren.

Selbst wenn der Streit um die Entgelte der 5400 betroffenen Piloten tatsächlich geschlichtet werden könnte, ist Ruhe nicht garantiert. Denn es sind mindestens weitere zehn Tarifthemen zwischen der VC und der Lufthansa-Spitze seit vielen Jahren nicht geklärt – darunter etwa die äußerst komplexe und emotional aufgeladene Frage, wie die Ruhestandsregelungen künftig aussehen sollen.

Bleibt also zu hoffen, dass es Pleuger gelingt, wenigstens im Streit um das Entgelt eine Kompromisslinie zu finden. Schon das ist heikel. Lufthansa hatte zuletzt eine Lohnsteigerung von insgesamt 4,4 Prozent über eine Laufzeit von sechs Jahren sowie eine Einmalzahlung angeboten. Die VC fordert dagegen 3,7 Prozent mehr Geld im Jahr rückwirkend ab 2012 – was sich auf ein Gehaltsplus von 20 Prozent summiert.

Für beide Seiten geht es in dem Konflikt um enorm viel. Lufthansa könne ein solches Gehaltsplus nicht akzeptieren, argumentiert der Konzern. „Wir als Lufthansa kommen aus der Phase einer Staatsairline. Mit den Tarifbedingungen aus dieser Zeit, die teilweise noch heute gelten, können Sie im heutigen Wettbewerb nicht mehr bestehen“, hat Lufthansa-Chef Carsten Spohr gerade erst in einem Interview mit der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ erklärt.

Das ist richtig, aber auch nur ein Teil der Wahrheit. Denn auch an anderen Stellen leistet sich der Konzern nach wie vor Kosten, die nicht wettbewerbsfähig sind. Das Unternehmen neigte in der Vergangenheit zu einer gewissen Komplexität was Prozesse aber auch Strukturen angeht. Diese Altlasten zu bereinigen dauert immer noch an.

Und so konterte VC-Sprecher Jörg Handwerg die Argumente von Spohr schon mehrfach mit dem Hinweis: „Die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der Lufthansa hängt nun wirklich nicht alleine an den Pilotengehältern.“ Und schiebt bei der Gelegenheit gerne süffisant nach, dass zu den weltweit mit am besten bezahltesten Piloten jene von Southwest gehörten, eine erfolgreiche amerikanische Billig-Airline.


Neuausrichtung mit der Brechstange

Der Haken solcher Verbal-Gefechte: Der Streit ums schnöde Geld ist nur ein Symptom, nicht die Ursache der „Krankheit“. Die liegt weit tiefer: Alle Beteiligten bei der Lufthansa haben es versäumt, sich beizeiten auf die komplett veränderten Marktbedingungen einzustellen. Die Billig-Anbieter wurden unterschätzt, der Vormarsch der Golf-Airlines war mächtiger und schneller als von vielen erwartet, und die geopolitischen Veränderungen mitsamt der Zunahme an Krisenherden konnte eh kaum einer vorhersehen.

Nun muss die Lufthansa quasi mit der Brechstange neu ausgerichtet werden, und das ist schmerzhaft. Seit nunmehr fünf Jahren streiten VC und Management zum Beispiel schon über ein Pensionssystem, bei dem Lufthansa nicht mehr das alleinige Zinsrisiko trägt – in Zeiten dauerhaft niedriger Zinsen eigentlich ein Muss. Leisten kann sich ein so lange währender Streit keine der beiden Seiten.

Obwohl zentrale Fragen zwischen der Lufthansa-Spitze und ihrer sicherlich wichtigsten Mitarbeitergruppe weiter ungeklärt sind, baut Spohr das Unternehmen gewaltig um, weil ihm nichts anderes übrigbleibt. Mit Eurowings entsteht ein relevanter Billiganbieter neben der Kernmarke Lufthansa. In den werden Töchter wie Brussels Airlines, Cityline und demnächst vielleicht aus Sun Express Deutschland integriert. Und mit dem Anmieten von 38 Air Berlin-Flugzeugen partizipiert Lufthansa an der Bereinigung in der deutschen Airline-Szene.

Bei all diesen Vorhaben fällt es Spohr und seinen Kollegen schwer, die Piloten eng einzubinden. Denn alles ist am Ende doch irgendwie mit den zahlreichen offenen Tariffragen verbunden. Also werden Parallelstrukturen aufgebaut. Damit man dabei aber nicht mit den nach wie vor nicht reformierten Tarifverträgen in Konflikt kommt, sind komplexe Konstruktionen notwendig, die Zeit und Geld kosten.

Und eine Lösung im Konflikt mit der VC erleichtert das auch nicht. Denn die Kollegen von Cityline, Brussels Airlines, Sun Express oder Air Berlin haben andere Tarifverträge als die Piloten der Lufthansa-Kernmarke, starten aber genau für jene Airline, die im Konzernverbund Wachstumsperspektiven hat. Lufthansa selbst dagegen stagniert oder schrumpft seit einiger Zeit.

Das erhöht den Druck auf die VC, allerdings nicht nur in eine Richtung. Einige der Piloten der Lufthansa wollen endlich eine Lösung, um auch persönlich wieder eine Perspektive zu haben. Andere wiederum wollen umso härter bleiben, je mehr Spohr ihre „Hansa“ durcheinanderwirbelt. Das führt zu Uneinigkeit auch innerhalb der VC. Hinzu kommt, dass die im Tarifstreit entscheidende Tarifkommission, in der zuletzt eher die Hardliner das Sagen hatten, relativ autark von der übrigen VC agiert. Eine hochkomplexe Situation also.

Das wissen auch die Lufthansa-Manager. Wohl auch deshalb warnte Vorstandsmitglied Harry Hohmeister vor wenigen Tagen noch einmal eindringlich vor zu teuren Tarifabschlüssen. Und untermauerte diesen Hinweis mit einer neuen Idee, die bei der VC auf völliges Unverständnis stößt. Sollte Wachstum wegen zu hoher Kosten in der Kernmarke nicht mehr möglich sein, könne man auch über eine „Lufthansa-nahe Neugründung nachdenken“. „Da darf man dann vielleicht nicht Lufthansa draufschreiben, aber sicher etwas Ähnliches“, so Hohmeister.

Doch so einfach ist auch das wiederum nicht. Lufthansa steht trotz der ganzen Streiks und Probleme immer noch für Premium-Qualität. Neben Eurowings und den ganzen anderen Konzern-Gesellschaften noch eine weitere Airline aufzumachen, würde wohl selbst die immer noch starke Marke Lufthansa nicht mehr verkraften.

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