März 2013 Niebelschütz stellt beim Amtsgericht den Insolvenzantrag. Er ist 27 und pleite. Er nutzt die Zeit zum Nachdenken; versucht, einen klaren Kopf zu bekommt – und gelangt nach nur einer Woche zur „Erkenntnis, dass ich weiter ans Geschäftsmodell von MyParfum glaube“.
August 2013 Dem Gestrauchelten gelingt es, bei seinem Bruder und anderen genügend Geld aufzutreiben, um bei der Versteigerung durch den Insolvenzverwalter MyParfum zurückzukaufen. Er will so schnell wie möglich ein Atelier eröffnen, in dem Konsumenten und Händler seine Parfüms direkt riechen und anfassen können, „als Showroom für unser Duftsystem“.
September 2013 Doch für gescheiterte Gründer ist der Neustart in Deutschland schwer. Neun von zehn Dienstleistern, die hierzulande die Zahlung per Kreditkarte im Internet anbieten, lassen Niebelschütz mit der Begründung abblitzen, dass er als Pleitier wieder Geschäftsführer sei. Einzig die Postbank willigte ein, allerdings erst nach langen Telefonaten und viel persönlichem Einsatz. Ähnliche Probleme hat Niebelschütz, als er für MyParfum ein Bankkonto eröffnen will. Und für den Showroom muss er eine Kaution von sechs Monatsmieten hinblättern plus 15 000 Euro Risikoprämie aufgrund seiner Pleite.
Oktober 2013 Es ist so weit, zum zweiten Mal. MyParfum hat das neue Ladenlokal in der Reinhardtstraße in Berlin Mitte bezogen. Hinter dem Empfangstresen stapeln sich die weißen MyParfum-Versandschachteln. In der Mitte des Raums steht die „Duftbar“, wie Niebelschütz sagt: fünf große Flakons mit Grunddüften, sowohl für Männer als auch für Frauen, darum herum 48 kleinere Flakons mit sechs Duftnoten von Amber bis Zeder. Aus ihnen kann sich der Kunde seinen eigenen Wunschduft zusammenstellen. Niebelschütz ist zuversichtlich, mit der „Duftbar“ ein „wichtiges Element“ gefunden zu haben, „um unser Internet-Geschäftsmodell auch in die Offline-Welt zu übertragen“.
Januar 2014 Niebelschütz hat aus seiner Pleite gelernt und macht die einstige MyParfum-Mitarbeiterin Carina Stammermann, eine Betriebswirtin, zur Geschäftsführerin. Er selbst tritt ins zweite Glied und kümmert sich um die Produktentwicklung und neue Geschäftspartner.
Ostern 2014 Niebelschütz nutzt die Feiertage zur inneren Einkehr. „Wir wollten bestimmt zu schnell zu viel“, sagt er. „Aber das war ein unternehmerisches Risiko, das wir bewusst eingegangen sind – das gehört eben als Unternehmer dazu.“ Für solch große Worte hat er eine einfache Erklärung: „Gefühlt hat mich erst die Erfahrung rund um Aufstieg, Fall und Wiederaufstehen von MyParfum geistig erwachsen werden lassen.“