
Mehr Marktschreier geht kaum: "Jetzt spart ganz Deutschland die Mehrwertsteuer" steht groß in der Zeitungsanzeige. Darunter eine fette "19" in roter Schrift. So viel Prozent an Nachlass verspricht Elektronik-Riese Media Markt seinen Kunden bis zum Dienstagabend – in allen 259 Media Märkten und „auf alles“. Naja, nicht ganz: Zeitschriften und Bücher sind genauso ausgeschlossen, wie Software-Downloads oder Serviceleistungen. Hamsterkäufe sind auch nicht drin. Der Rabatt gilt nur für "handelsübliche Mengen".
Dennoch werden viele Kunden auf ein Schnäppchen hoffen und in die Läden strömen – schließlich gibt es zum Beispiel das iPhone 5s für mehr als 100 Euro günstiger. Media Markt und Saturn – beide Teil der Metro Group – sind für ihre öffentlichkeitswirksamen Rabatt-Aktionen bekannt. Regelmäßig übertrumpfen sie einander und die Konkurrent mit ausgefallen Lockangeboten: Vom Gratis-Einkauf für den richtigen WM-Tipp bis zum aktuellen Mehrwertsteuer-Nachlass. Aber auch wenn die Werbung es anderes suggeriert, glücklich sind die Händler mit dem Preis-Wahn nicht. Den Geiz der Kunden finden sie überhaupt nicht geil.





"Wie viele Branchen in Deutschland unterliegen die Elektronik-Ketten einem großen Wettbewerbsdruck", sagt Handels- und Marketingexperte Hendrik Schröder, Professor an der Universität Duisburg-Essen. "Das führt zu den regelmäßigen Rabattschlachten." Klassischerweise wollen Händler bei Rabattaktionen ihre Lager leeren oder hoffen auf Verbundkäufe: Will ein Kunde eigentlich nur die Blu-ray zum Schnapper-Preis kaufen, nimmt er im Optimalfall noch zwei weitere zum vollen Preis mit. Was dem Händler durch den Rabatt verloren geht, macht er so wieder wett.
Billiges Versprechen
Gerade bei Media Markt und Saturn greift aber eine andere Strategie noch stärker. "In Verbindung mit der Werbung wollen die Händler so ihr Image als Preisbrecher aufbauen", sagt Schröder. Tatsächlich: Keine Rabatt-Aktion ohne exzessive Print-, TV-, und Online-Werbung. Millionenbeträge fließen jährlich in das Werbebudget, mit dem die Märkte als Paradies für Schnäppchenjäger angepriesen werden sollen.
Das Problem: Media Markt wirbt – ähnlich wie Saturn – mit seiner "Auswahl an Markenprodukten zu Tiefpreisen". Dabei ist die Kette häufig teurer als viele Online-Anbieter oder die Konkurrenz an der nächsten Straßenecke – teilweise um 100 Euro und mehr. Und die Konsumenten wissen das. "In den vergangenen zehn Jahren hat der Informationsgrad der Kunden deutlich zugenommen", sagt Hendrik Schröder. Preisvergleichsseiten im Internet haben den Markt transparenter gemacht. Versprechen alleine reichen vielfach nicht mehr, die Händler müssen sie nun einhalten. Zwar geben sich manche Händler Mühe, den Preisnachlass nicht zu groß werden zu lassen - etwa indem sie den Rabatt auf einen zuvor angehobenen Preis gewähren. Insgesamt aber wächst der Druck auf sie seit langem.





Gefahr für Unternehmen
Besonders in Branchen mit hohem Wettbewerbsdruck sind Preis-Kämpfe und Sonderangebote deshalb an der Tagesordnung. Der Preis scheint vielen Händlern das letzte Mittel, um sich von der Konkurrenz – online und stationär - abzugrenzen - häufig auf Kosten der eigenen Substanz. Denn gelingt es nicht mit den Niedrig-Preisen genügend Frequenz zu schaffen, sprich Kunden zu locken, wird die Rabatt-Aktion zum Minusgeschäft. Das stellt nicht nur Elektronik-Händler vor Probleme. Schon lange bezeichnen Experten zum Beispiel die Preiskämpfe in der Autobranche als ruinös.
Und der Rabatt-Wahn greift um sich. "Mittlerweile sind viele Branchen von diesem Virus befallen, von denen man es früher nicht geglaubt hätte – Apotheken zum Beispiel", sagt Hendrik Schröder. Die unterbieten sich bei nichtverschreibungspflichtigen Medikamenten nämlich regelmäßig mit Preisnachlässen im zweistelligen Bereich. Was Kunden freut, wird für die Unternehmer zum Problem. Häufig schaffen sie es nicht, ihre Produkte später zum normalen, gewinnbringenden Preis zu verkaufen.
Für Handelsexperte Schröder ist der Baumarkt Praktiker das vielleicht bekannteste Beispiel dafür, wohin der Rabatt-Wahn führen kann. Mit regelmäßigen Rabatt-Kampagnen und dem Versprechen "20 Prozent auf alles" warb die Baumarktkette um Kunden. Das Problem: Außerhalb der Aktionsphasen blieben die Kunden weg. Aus eigenem Verschulden handelte Praktiker handelte den Ruf eines Billigheimers ein, dessen Waren den Normalpreis nicht wert waren.
Kurz vor dem Ende änderte Praktiker sein Konzept, versuchte das Ramsch-Image los zu werden und setzte auf ein verändertes Shopping-Konzept. Gebracht hat es nichts mehr. "Praktiker hat keinen Weg aus der Preis-Abwärts-Spirale gefunden", urteilt Schröder. Im Sommer 2013 ging Praktiker in die Insolvenz.
Alternativen zu Rabattschlacht
Gefangen in der Abwärts-Spirale: Ein Problem, das offenbar auch Media Markt und Saturn haben - wenn auch weniger stark. Und eines, von dem sie selbst genau wissen: Im Herbst 2011 riefen die Ketten ein Ende des "Preis-Irrsinns" aus und kündigten an, in Zukunft auf "faire und marktgerechte" Preise setzen zu wollen. Die Feuerpause in der Rabatt-Schlacht war kurz. Der Verzicht auf Aktionen bescherte den Elektronikhändlern offenbar deutliche Umsatzeinbrüche. Nach nur einem halben Jahr kehrte der Irrsinn zurück. Die anhaltenden Umsatzrückgänge der beiden Riesen hat er bislang nicht stoppen können.
Statt nahezu aussichtslose Preiskämpfe zu führen, raten viel Branchenkenner den Händlern dazu auf andere Stärken zu setzen, Service, spezielles Angebot und Kundenähe in den Vordergrund zu stellen. Das auch Media Markt davon profitieren kann, legt eine Studie der Managementberatung Batten & Company nahe. Sie besagt, dass der Elektronik-Händler 2013 in der Kundengunst deutlich gestiegen ist und zwar nicht nur aufgrund des Preisbrecher-Images. "Zu den Verbesserungen haben die Rückkehr zu einer klaren Markenkommunikation, der Aufbau des Eigenmarkensortiments, die Investition in Zusatzservices und der Relaunch des Onlineshops beigetragen", schreibt das Beratungsunternehmen.