Metro Ein radikaler Umbau soll Real retten

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Gastronomie als Möglichkeit, sich von den Wettbewerbern abzuheben

„Der Handel entdeckt die Gastronomie zunehmend als Möglichkeit, sich vom Wettbewerb abzuheben“, sagt Handelsexperte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU. Derzeit sorgt etwa der Gourmetfoodanbieter Eataly mit einem Mix aus italienischem Supermarkt, Bistro, Kochschule und Pastamanufaktur in der Branche für Aufsehen. Auch Feinkostsupermärkte von Edeka-Kaufmannclans wie Zurheide an Rhein und Ruhr oder Hieber im Großraum Freiburg zelebrieren Essen als Lebensart. Doch derlei Delikatessendestinationen sind Solitäre im deutschen Handel.

Hier sieht Real eine Lücke. Läuft der Markt in Krefeld gut an, will die Führungscrew 2017 acht weitere Standorte umrüsten. In den Folgejahren könnte die Schlagzahl noch steigen. Langfristig sei „das Food-Lover-Konzept für rund die Hälfte aller Real-Märkte geeignet“, sagt Gieseke. Das wären gut 140 Filialen. „Am Ende müssen wir auch überlegen, ob der Name Real dazu noch passt“, sagt Müller-Sarmiento.

Der Vertriebschef eines Lieferanten, der in die Pläne eingeweiht ist, hält dagegen „allenfalls zwei Dutzend Standorte“ für geeignet. Für mehr sei die Marke Real schlicht „zu unprofiliert“. Über Jahre sollte die Metro-Tochter alles gleichzeitig sein – Discounter mit niedrigen Preisen, Supermarkt mit frischen Produkten und Kaufhaus mit Textil-, Elektronik- und Sportabteilung. Von Autoreifen über Fernseher bis zu frischem Fisch reichte in der Vergangenheit das Sortiment.

Wie die neuen Lidl-Filialen aussehen
Auch Lidl wird edel: Glasfronten, Aluminiumverblendungen und einem kombinierter Ein- und Ausgangsbereich sollen „ein Einkaufserlebnis“ für die Kunden zu schaffen. Quelle: Presse
Im Inneren dominiert die Farbe Grau und hat das zuvor bekannte Lidl-Blau abgelöst. Das deutet sich schon im Eingangsbereich an. Quelle: Presse
Lidl Quelle: Presse
Lidl

„Einmal hin. Alles drin“ lautet bis heute Reals Werbeversprechen. Ähnlich heterogen ist das Filialnetz, das von rumpeligen Einkaufsbunkern an Ausfallstraßen bis zu gepflegten Warenwelten in besten Lagen reicht.

Wenn Müller-Sarmiento und Gieseke ihr neues Konzept wirklich im großen Stil ausrollen wollen, können sie sich nicht allein auf urbane Standorte mit hoher Kaufkraft stürzen. Sie müssen auch in der Provinz nach Liebhabern von Langusten, Lachs und Gänseleber fahnden. Ein aufwendiges Unterfangen.

Schon Krefeld-Oppum ist nicht unbedingt als kulinarischer Hotspot bekannt. Marktleiter Bernd Szameitpreiks bahnt sich seinen Weg zum Eingang und blickt hinüber zu den Imbissbuden auf dem Parkplatz. Es gibt Bratenbrötchen für 2 Euro und Currywurst in 4 Schärfen. Nebenan bei Roland’s Grillhähnchen stehen zwei Bauarbeiter und beobachten, wie halbe Hähnchen am Spieß brutzeln – das Stück für 3,90 Euro.

Ist da wirklich Platz für einen „Food-Tempel“, wie er Müller-Sarmiento vorschwebt? Szameitpreiks zögert keine Sekunde: „Das Einzugsgebiet ist groß, und es gibt einen riesigen Bedarf“, sagt er. „Der Markt wird ein Kundenmagnet.“

Das muss er wohl auch, soll sich der Umbau je rechnen. Allein die Pilotfiliale kostet einen zweistelligen Millionenbetrag. Um den Eröffnungstermin im November zu halten, ackern die Arbeiter auf der Großbaustelle derzeit rund um die Uhr. Gleichzeitig ist Szameitpreiks dabei, neue Mitarbeiter zu rekrutieren. Bisher arbeiten im Markt 170 Vollzeitbeschäftigte, ab Herbst sollen 70 Kräfte hinzukommen. In der Etage über der Verkaufsfläche werden eigens Schulungsräume für sie eingerichtet. Darunter läuft der Verkauf weiter. „Das ist eine Operation am offenen Herzen“, sagt Szameitpreiks.

Die Einschätzung dürften seine Chefs teilen. Ab Herbst wird sich zeigen, ob ihr Eingriff glückt.

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