Mieten, leihen, sammeln Auf diese neuen Märkte hat es Lidl abgesehen

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Lidl baut eigenen Personalstab für Müllentsorgung auf

Die Tönsmeier-Gruppe hat 2017 etwa 500 Millionen Euro umgesetzt und ist mit mehr als 3000 Mitarbeitern und 1100 Fahrzeugen europaweit aktiv. Das Unternehmen übernimmt allein in Deutschland in Kommunen in fünf Bundesländern die Abfallabfuhr.

Die Familie Tönsmeier hatte ihr Entsorgungsunternehmen seit Jahresbeginn zum Verkauf gestellt. Gesucht wurde ein finanzstarker Investor, der die mittel- und langfristige Wachstumsstrategie umsetzt und die Gruppe weiterentwickeln will. So stehen die Umsetzung des Verpackungsgesetzes, der Gewerbeabfallverordnung in Deutschland und die Einführung der Kreislaufwirtschaft in Polen an. Für die kommenden Jahre ergebe sich für Tönsmeier allein daraus ein Investitionsbedarf von über 150 Millionen Euro, hatte Aufsichtsratschef Jürgen Tönsmeier zur Investorensuche erklärt. Tönsmeier erklärte, er sei überzeugt, dass sich in der Schwarz-Gruppe gute Perspektiven für eine Weiterentwicklung des Unternehmens böten.

Gemeinsam könnten Kaufland, Lidl und Tönsmeier nun unter anderem dem Grünen Punkt — dem am weiten verbreiteten Mülltrennungssystem Deutschlands — Konkurrenz machen. Damit könnte der Handelskonzern die Kosten drücken und gleichzeitig die Vorbereitung für die Verschärfung des Verpackungsgesetzes zum Jahreswechsel treffen. Die Lizenzgebühren für die Verpackungsentsorgung, mit denen die Systeme etwa die Müllabfuhr bezahlen, belaufen sich laut Bericht auf annähernd eine Milliarde Euro pro Jahr. Diese Kosten werden wiederum auf den Verbraucher und somit auf die Ladenpreise umgelegt. Deshalb versuchen Konzerne und Discounter bei den Müllkosten so gut es geht daran zu sparen, um sich bei den Preisen den womöglich entscheidenden Wettbewerbsvorteil zu ergattern.

Lidl soll deshalb sogar zeitweise darüber nachgedacht haben, die zum Verkauf stehende „Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland GmbH (DSD)“ zu übernehmen. Prompt hatte Aldi als wichtigster DSD-Kunde damit gedroht, in diesem Fall alle Verträge mit dem Unternehmen zu kündigen. Und auch die weiteren Schritte von Lidl in den Entsorgungsmarkt dürften Aldi keineswegs gefallen.
Die Schwarz-Gruppe schlägt nun aber durch ihr eigenes System einen anderen Weg ein. Lidl und Kaufland bauen einen eigenen Personalstab für die Müllentsorgung auf. Nach Medienberichten wurde für diesen der langjährige Leiter für Rechtsfragen des Kölner Verpackungs- und Entsorgungsunternehmens Reclay-Gruppe, Mirko Rummler, gewonnen.

Vermutet wird nun, dass die Schwarz-Gruppe einen weiteren Entsorgungsanbieter übernehmen könnte, um sich die mühsamen Genehmigungsverfahren durch Instanzen bei Kommunen und Landkreisen zu ersparen. Einige Müll-Spezialisten stecken derzeit in der Krise und gelten als Übernahmekandidaten. An Ideen für neue Geschäftsmodelle mangelt es den Discountunternehmen jedenfalls nicht. Weil viele deutsche Großstädte eine Gemeinsamkeit haben – Wohnraummangel – treten Lidl und Aldi auf den Plan.

Vor wenigen Wochen kündigte Aldi Nord an, in Berlin insgesamt 2000 Wohneinheiten an mindestens 30 Standorten zu errichten. Im Fokus stehen dabei bestehende eingeschossige Märkte, die aufgestockt werden sollen. Bei Neubauten dagegen werden die Filialen von Beginn an im größeren Kontext gesehen. „Grundstücke einstöckig zu bebauen ist eigentlich Flächenverschwendung“, sagte daher auch Jörg Michalek, Geschäftsführer der Aldi Immobilienverwaltung, als er die ersten beiden Projekte in den Berliner Bezirken Lichtenberg und Neukölln präsentierte. Dort sind neben der Filiale selbst 200 Wohnungen geplant, von denen 30 Prozent als Sozialwohnungen ausgewiesen werden sollen. Mieter zahlen dort angeblich lediglich 6,50 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter. Auch in den anderen Einheiten soll der Quadratmeterpreis nicht die zehn Euro-Grenze passieren – für eine Neubauwohnung in Berlin ein sehr fairer Preis. Für die kommenden Jahre hat man sich bei Aldi Nord 15 weitere Neubauten dieser Art auf die Agenda gesetzt. „Mit den ersten Leuchtturmprojekten wollen wir nur den Startschuss für eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Stadt Berlin setzen“, so Michalek.

Wo Aldi ist, ist Lidl nicht weit. Die Neckarsulmer haben in Berlin zwei Filialen eröffnet, die Wohnen und Einkaufen verbinden. Dabei wurde ein Markt aufgestockt, ein anderer im Rahmen eines Neubauprojekts im Erdgeschoss integriert. Ein Aufzug verbindet die sechs Stockwerke mit einer Tiefgarage und gleichzeitig mit dem Lidl-Laden. In beiden Häusern können die Mieter also einkaufen gehen, ohne das Haus zu verlassen. „Wir prüfen generell jedes neue Lidl-Grundstück auf seine Eignung für eine Überbauung mit Wohnungen und planen, in den nächsten Jahren einige Lidl-Filialen mit Wohnbebauung in Berlin zu errichten,“ heißt es bei Lidl.

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