Mifa Mitteldeutsche Fahrradwerke Tour de Insolvenz

Zum zweiten Mal in kurzer Zeit hat der Fahrradhersteller Mifa Insolvenz angemeldet. Doch es gibt Hoffnung: Der Eigentümerclan will die Rettung mit frischem Kapital unterstützen.

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Mifa Quelle: dpa

Der Berliner Insolvenzverwalter Joachim Voigt-Salus kann sich über Arbeitsmangel derzeit nicht beklagen: Kaum wurde er im Dezember zum Insolvenzverwalter des börsennotierten Brennstoffzellenherstellers Heliocentris bestellt, steht für Joachim Voigt-Salus der nächste Einsatz an: Der erfahrene Jurist übernimmt die Position des Sanierungsgeschäftsführers beim traditionsreichen ostdeutschen Fahrradhersteller Mifa und steuert das Unternehmen damit operativ durch ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung, das er gestern beim Amtsgericht Halle beantragt hat. 

Der bisherige geschäftsführende Gesellschafter, Heinrich von Nathusius, legte seinen Posten nieder, um dem von ihm engagierten Sanierer freie Hand zu geben.

Voigt-Salus muss nun vor allem dafür sorgen, dass der Geschäftsbetrieb weiter läuft. „Wir haben dazu bereits Kontakt mit unseren wichtigsten Gläubigern, Lieferanten und Kunden aufgenommen“, sagte er heute bei einer Pressekonferenz am Unternehmenssitz in Sangerhausen. „Alle haben uns ihre volle Unterstützung bei der Restrukturierung von Mifa zugesagt“, so Voigt-Salus. Die Löhne und Gehälter der rund 520 Mitarbeiter sind über das Insolvenzgeld für drei Monate gesichert. Die Vorfinanzierung sei eingeleitet worden.

Für den 74-Jährigen Unternehmer von Nathusius dürfte der Abgang bei Mifa indes eine der bittersten Niederlagen seiner Karriere sein – und für das Unternehmen die nunmehr zweite Insolvenz innerhalb kurzer Zeit. Bereits 2014 war die Existenz des Fahrradherstellers akut bedroht. Damals waren zunächst gravierende Bilanzierungsfehler entdeckt worden. In der Folge war ein Einstieg des indischen Fahrradkonzerns Hero Cycles geplatzt. Mifa musste Insolvenz anmelden und es kam zu einem absurden Streit zwischen dem Insolvenzverwalter Lucas Flöther und dem Mifa-Großaktionär Carsten Maschmeyer sowie seinem damaligen Vertrauten im Aufsichtsrat, dem Ex-EnBW-Chef Utz Claassen. Am Ende entschied Flöther den Machtkampf für sich und verkaufte das Unternehmen an  von Nathusius.

Der Mifa-Investor hatte einst als Stahlmanager Karriere gemacht. 1992 hatte er dann den maroden Gelenkwellen-Hersteller Ifa von der Treuhandanstalt übernommen und den Autozulieferer wieder auf Erfolgskurs gebracht.  Mifa sollte sein nächster Coup werden. Mit Verve und großen Visionen stürzte sich von Nathusius ins Fahrradabenteuer. Sein Ziel: Er wollte aus dem Traditionsunternehmen einen der führenden Anbieter für Elektrofahrräder formen und Mifa zu einem der effizientesten Fahrradbauer Europas machen.

Von dem Konzept überzeugte von Nathusius nicht nur die eigene Familie sondern auch die Politik in Sachsen-Anhalt und die landeseigene Investitionsbank, die Millionenkredite und Fördergelder an Mifa vergab.

Gute Ausgangsposition für eine Rettung

Tatsächlich investierte Mifa in großem Stil. So wurde vor den Toren von Sangerhausen für rund 17 Millionen Euro ein neues Werk errichtet. Die Produktion startete erst vor wenigen Tagen. Doch schon zu diesem Zeitpunkt kursierten Hinweise, der Fahrradbauer stecke erneut in finanziellen Schwierigkeiten. „In den letzten Monaten“ hätten die Umsätze zunehmend hinter den Planungen zurück gelegen, sagte Voigt-Salus dazu. „Angesichts der enormen Investitionen, die bereits getätigt wurden, und den hohen Umzugskosten hier ins neue Werk, reichte deshalb die vorhandene Liquidität für einen geordneten Geschäftsbetrieb nicht mehr aus.“

Zudem soll das Verhältnis zwischen Firmenchef von Nathusius und den Banken angespannt gewesen sein. So waren offenbar bereits im Herbst Kredite fällig, die Mifa nicht bedienen konnte. Die Banken forderten daraufhin ein Sanierungsgutachten, das eine Fortführungsperspektive aufzeigen sollte. Bis Ende 2016 lag dieses aber nicht vor. „Das nun beginnende Eigenverwaltungsverfahren“ sei „für Mifa der logische und richtige Schritt, um die Handlungsfähigkeit zurück zu gewinnen“, erklärte Voigt-Salus.

Neben dem Berliner Sanierer ist erneut Insolvenzspezialist Flöther mit dem Fall Mifa befasst. Er soll als gerichtlich bestellter vorläufiger Sachwalter dafür sorgen, dass die Interessen der Gläubiger auch im zweiten Verfahren gewahrt werden. Flöther gilt als bestens vernetzt in Branchen- und Investorenkreisen, Flöther & Wissing gehört zu den führenden Insolvenzkanzleien des Landes. Zuletzt konnte er etwa beim Leipziger Internet-Unternehmen Unister einen Investor für das Kerngeschäft präsentieren.

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Auch bei Mifa ist die Ausgangsposition für eine Rettung nicht schlecht. Das neue Werk ist gebaut, Aufträge über rund 42 Millionen Euro sollen in den Büchern stehen. Noch wichtiger: Auch die Familie von Nathusius ist bereit, nochmals Geld in die Hand zu nehmen, um zu retten, was zu retten ist und ihr bereits investiertes Kapital – die Rede ist von einem zweistelligen Millionenbetrag- nicht komplett abschreiben zu müssen. Sie „hat bereits zugesagt, die Sanierung von Mifa im Eigenverwaltungsverfahren durch frisches Kapital in Millionenhöhe zu unterstützen“, so Voigt-Salus. Dies sei „eine gute Nachricht“. Denn „wenn die Gesellschafter bereit sind, einen Sanierungsbeitrag zu leisten, sind in aller Regel auch die Gläubiger um so mehr zur Kooperation bereit.“ Gut möglich, dass die Insolvenz in Eigenverwaltung dem Clan damit die Chance eröffnet, die Geschicke des Fahrradherstellers weiter zu bestimmen – nur ohne den Patriarchen Heinrich von Nathusius an der Spitze.

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