Es ist Samstagmittag, bestes Wetter und die Fußgängerzone bleibt trotzdem leer – eine schlimme Vorstellung für die Händler in Deutschlands Einkaufszonen. Sie bangen bereits jetzt vielerorts um ihre Existenz. Das zeigt etwa die Studie „Der deutsche Einzelhandel 2017“ von der IHK und dem Ibi-Institut an der Universität Regensburg. Die Schuld daran geben sie vor allem dem Onlinehandel. Vier von zehn Händlern sehen ihr Geschäftsmodell demnach durch die globale Marktmacht von Amazon und Co. bedroht.
In Mönchengladbach haben sich lokale Händler vor drei Jahren zum Gegenangriff zusammengetan. Sie wollen sich nicht bloß in der Fußgängerzone wehren, sondern der Konkurrenz im Internet Paroli bieten. Die Produkte aus der Einkaufszone soll es auch im Netz geben – an einem Ort. Ein klassischer Markt, nur eben digital.
Seit 2015 machen mehrere dutzend Händler aus Mönchengladbach bei der „Ebay-City“-Initiative mit. Gemeinsam mit dem US-amerikanischen Unternehmen haben sie eine eigene Marktplatz-Seite aufgesetzt, auf der die Ebay-Shops aller teilnehmenden Händler aus Mönchengladbach zu finden sind: eine Apotheke, ein Möbelladen und ein Kunsthaus sind dabei. Andere Händler bieten Lederwaren, Computerzubehör oder Fruchtgummis.
Eine Stadt wie Mönchengladbach erhält bei Ebay eine eigene Webseite, auf der alle teilnehmenden Händler aufgelistet werden und so gefunden werden können. Wenn ein Kunde nun etwas bei der Mönchengladbacher Apotheke kaufen will, wird er auf den Ebay-Shop der Apotheke weitergeleitet. Diesen betreiben die Händler in Eigenregie: Sie inserieren Produkte mit Beschreibungen sowie Fotos, verpacken Produkte und verschicken sie an die Kunden. Es sei denn, die Kunden nehmen den Weg in die Innenstadt auf sich und holen den Einkauf im Laden ab - auch das ist möglich.
Durch den eigenen Ebay-Shop können die lokalen Händler ihre Produkte 17 Millionen aktiven Ebay-Kunden in Deutschland und 161 Millionen weltweit anbieten. Für diese Möglichkeit erhält Ebay von den Händlern bei jedem Verkauf allerdings auch 9% des Kaufpreises sowie einen jährlichen Betrag für die Mitgliedschaft bei der Ebay-City. Also dafür, dass der Ebay-Shop der Mönchengladbacher Apotheke auch auf der Ebay-Seite der Stadt präsentiert wird.
Vor Ort kümmert sich dann die Wirtschaftsförderung der jeweiligen Stadt um die Betreuung des Online-Marktplatzes, während Ebay die eigene Plattform zur Verfügung stellt. Workshops sollen den Händlern den Schritt in den Onlinehandel erleichtern und gerade bei technischen Herausforderungen helfen.
Seit Beginn des Projekts haben die teilnehmenden Händler aus Mönchengladbach gut 6,7 Millionen Euro Umsatz mit dem Verkauf über Ebay erwirtschaftet. Sie verkauften mehr als 87.000 Produkte in rund 80 verschiedene Länder. Die Zahlen hätten die Erwartungen übertroffen, verkündet die Wirtschaftsförderung der Stadt stolz. Sie setzt das Projekt gemeinsam mit Ebay um.
Mönchengladbach und Ebay sind zufrieden
Auch für andere Kommunen scheint die Bündelung auf Online-Marktplätzen eine attraktive Option zu sein. Nach Mönchengladbach ist im niedersächsischen Diepholz eine weitere „Ebay-City“ entstanden, auch Velbert und Darmstadt ziehen demnächst nach. Laut eigener Aussage könnte das Portal „theoretisch jedes Dorf oder jede Stadt zu einer Ebay-City machen“. 48 Prozent der gewerblichen Händler bei Ebay würden auch einen stationären Handel betreiben – zum Beispiel einen eigenen kleinen Laden.
Ebay ist nicht der einzige Anbieter von lokalen Online-Marktplätzen. Seit 2016 nehmen in Wuppertal 60 verschiedene Läden – auch Dienstleister, Restaurants und Hotels – an der „Online City Wuppertal“ teil. Die Produkte können wie bei Ebay-City online bestellt und anschließend im Laden abgeholt oder nach Hause verschickt werden. Hinter dem Wuppertaler Projekt steht das Unternehmen Atalanda, das neben Wuppertal auch Online-Marktplätze für zwölf weitere Städten verwaltet. Durch die lokalen Online-Markplätze sollen Händler in Wuppertal, Mönchengladbach und anderswo einen neuen Vertriebskanal mit neuen Kunden erschließen. Die Händler müssen den eigenen Onlineshop nicht mehr mühsam aufbauen, sondern nutzen die bereits vorhandene Online-Präsenz von Ebay oder Atalanda und erreichen dadurch oftmals mehr potentielle Kunden als im Laden in der Fußgängerzone. Zumindest wird das den Händlern versprochen.
Umfrage zu lokalen Online-Marktplätzen bei Händlern und Kunden
In der Studie "Digitale Initiativen & lokale Marktplätze - Satus quo und Erfolgsfaktoren" untersucht das Forschungsinstitut ibi research an der Universität Regensburg im Zuge des Forschungsprojekts "E-Commerce-Leitfaden", welche Probleme es bei lokalen Online-Marktplätzen noch gibt und was bereits gut läuft. Stationäre Händler, die auch online über lokale Marktplätze verkaufen, wurden zu ihren Erfahrungen befragt. Ibi analysiert das Online-Kaufverhalten von Kunden der lokalen Online-Marktplätzen und potentiellen Kunden dieser Marktplätze. E-Commerce-Experten geben in der Studie Handlungsempfehlungen für stationäre Händler, die sich vom Online-Handel bedroht fühlen.
Grund | Anteil der Befragten |
Ich will die stationären Händler unterstützen. | 82% |
Ich weiß, ob ein Produkt vorrätig ist, wenn ich in den Laden gehe. | 56% |
Ich will einen Beitrag zum Klimaschutz leisten (kürzere Transportwege). | 38% |
Es ist eine schnelle Lieferung möglich | 31% |
323 Befragte; Mehrfachauswahl
Grund | Anteil der Befragten |
Der organisatorische Aufwand ist zu groß | 46% |
Der lokale Online-Marktplatz ist zu unbekannt | 31% |
Der erwartete Umsatz ist zu gering | 31% |
Der technische Aufwand ist zu groß | 25% |
Mehr Kunden im stationären Laden sind nicht zu erwarten | 24% |
Die digitale Sichtbarkeit ist zu niedrig | 23% |
Die gewünschte Zielgruppe wird nicht erreicht | 18% |
Die zu zahlende Gebühr ist zu hoch | 17% |
Wettbewerb auf dem lokalen Online-Marktplatz zu hoch | 17% |
208 befragte Händler; Mehrfachauswahl
Segment | Anteil an gesamten Online-Ausgaben |
Kleidung und Schuhe | 30% |
Bücher, Musik und Filme | 29% |
Unterhaltungselektronik | 21% |
Haushaltsgeräte | 15% |
Gesundheit und Kosmetik | 14% |
Sport und Outdoor | 13% |
Spielzeug | 12% |
Möbel und Haushalt | 11% |
Heimwerken | 9% |
Schmuck und Uhren | 9% |
Dienstleistungen (z.B. Flüge) | 19% |
1009 Befragte
Grund | Anteil der Befragten |
Online-Handel/E-Commerce | 69% |
Verändertes Konsumentenverhalten | 69% |
Standortprobleme | 38% |
Demographischer Wandel | 31% |
Fehlendes Warenangebot in der Stadt | 22% |
Schwächere Kaufkraft der Kunden | 19% |
270 befragte stationäre Händler; Mehrfachauswahl
Ebay sieht im Projekt Online-Marktplatz noch eine weitere Chance für die Händler: „Die Läden in Mönchengladbach können durch ihren Ebay-Shop am globalen Handel teilnehmen“, sagt eine Unternehmenssprecherin. Als kleiner Laden aus der Innenstadt Mönchengladbachs in den Welthandel einzusteigen – das klingt nach einem großen Sprung. Noch größer wirkt dieser Sprung vor dem Hintergrund einer Studie des Ibi-Instituts: Denn von mehr als 1000 Befragten kennen mehr als 70 Prozent keine lokalen Online-Marktplätze und wollen sie auch nicht nutzen. Für die Händler der Ebay-City-Initiative ist der globale Handel offenbar nicht so weit entfernt wie beim Konkurrenten Atalanda: 96 Prozent von mehr als 1000 Befragten, im Alter zwischen 30 und 59, kennen immerhin Ebay.
Trotz der großen Bekanntheit, lokal ist an der Initiative von Ebay für Ernst Stahl, Autor der Ibi-Studie, nur wenig: „Die eigentliche Idee der meisten lokalen Online-Marktplätze ist es, die lokalen Kunden, die lieber zuhause bestellen, nicht zu verlieren, sondern sie weiterhin im Geschäft zu halten – wenn auch nur im digitalen Geschäft. Bei eBay kaufen allerdings weniger die Menschen aus der Region, sondern eine viel breitete Masse fern der Region.“ Das würde auch die guten Umsätze der Ebay-Shops erklären.
Nicht nur die teilnehmenden Händler versprechen sich durch die Kooperation mit Ebay gute Umsätze, weiß Stahl: „Ebay beschreibt sich selbst als ein Unternehmen, das den kleinen Händlern aus den bedrohten Innenstädten hilft, ohne selbst etwas zu verkaufen, anders als hingegen Amazon. Letztendlich geht es aber auch Ebay selbst vor allem um Umsatz.“ Ebay verdient bei jedem verkauften Produkt mit. Trotz dieser profitorientierten Absicht hilft Ebay durch seine enorme Reichweite den Händlern aus Mönchengladbach, im Internet bekannter zu werden.