Bei Böker liegt das günstigste Rasiermesser bei 113 Euro. Für das exklusivste, aus Damaststahl gefertigte Modell, werden knapp 700 Euro fällig. „Die Nachfrage nach Rasiermessern ist in den letzten Jahren explodiert“, freut sich Felix-Dalichow. Während vor zehn Jahren das Thema Rasiermesser bei Böker so gut wie vergessen war, besteht seit zwei Jahren eine eigens gegründete Abteilung, in der fünf Mitarbeiter ausschließlich Rasiermesser fertigen.
Um mehr als 1000 Prozent habe sich die Nachfrage nach den Messern aus Solingen, die unter Kennern als das Nonplusultra gelten, in den letzten fünf Jahren gesteigert, schätzt Felix-Dalichow. „Männer legen mehr Wert auf ihr Äußeres und geben dafür auch Geld aus. Außerdem hat eine Messerrasur einen gewissen Coolnessfaktor“, benennt Felix-Dalichow die Gründe für den Boom.
Markt kann nicht bedient werden
Ähnlich sieht das Markus Kirschbaum, Geschäftsführer bei Dovo, einem der ganz Großen im Solinger Messergeschäft: „Männer, die etwas auf sich halten, sich schick kleiden und rahmengenähte Schuhe tragen, rasieren sich mit dem Messer.“ Während bis zur Jahrtausendwende hauptsächlich Sammler Rasiermesser kauften, sind es heute meist 25- bis 45-jährige Männer, so Kirschbaum.
Auch bei Dovo kommt man mit der Fertigung nicht nach. „Während wir 1995 noch an einem Punkt standen, wo Rasiermesser nur noch vereinzelt in Heimarbeit hergestellt wurden, haben wir heute eine eigene Abteilung mit mehr als 20 Personen“, sagt Kirschbaum. Trotzdem werde man die riesige Marktnachfrage, die neben Deutschland auch aus den USA, Russland und ganz Europa komme, über Jahre nicht bedienen können.
Das liegt zum einen an dem enormen Boom. Zum anderen aber auch daran, dass sich Rasiermesser nicht in Massenproduktion fertig lassen. So sind beispielsweise bei Böker mehr als 30 Arbeitsschritte allein für die Fertigung der filigranen Klinge nötig. Diese muss enorm scharf sein, gleichzeitig aber auch so belastbar, dass sie trotz regelmäßiger Rasur nach frühestens einem Jahr wieder zum Messerschleifer muss.
Pensionäre zurückbeordert
„Daher können Sie nicht einfach Maschinen aufstellen und so die Produktion ausweiten", sagt Geschäftsführer Felix-Dalichow. Vielmehr brauche man "spezialisiertes Personal mit langjähriger Erfahrung, das die Klinge auf diese Schärfe bringt".
Da dieses Wissen und die Erfahrung aufgrund der geringen Nachfrage in den letzten Jahren fast verloren ging, hat man bei Böker Messerschleifer aus der Pensionierung wieder an die Werkbank geholt. „Die geben jetzt ihr Wissen an junge Fachkräfte weiter, das kostet seine Zeit“, sagt Felix-Dalichow.
Das erklärt zum einen die hohen Preise für ein Rasiermesser, zum anderen die langen Wartezeiten. Doch nicht nur die Fertigung bleibt klassisch, auch in der Optik sind alte Modelle gefragt. „Vor allem Modelle aus den 50er bis 60er Jahren sind beliebt“, sagt Markus Kirschbaum von Dovo.