Modehersteller Esprit läuft die Zeit davon

Esprit wechselte Manager wie andere Socken. Ein Verlust von über 400 Millionen Euro belastet den Neustart. Schafft die Marke das Comeback oder ist das Ende des Laufstegs erreicht?

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Es gab eine Zeit, da wechselte Esprit seine Chefs annährend so schnell wie seine Kollektionen. Heinz Krogner, 15 Jahre lang der "Mr. Esprit", trat im Sommer 2009 den Posten an Ronald Van der Vis ab. Krogner überwarf sich dabei mit Zögling Thomas Grote, der zum Konkurrenten Mexx abwanderte und rund 30 Esprit-Manager aus dem Mittelbau mitnahm. Van der Vis verließ - ebenfalls nach Krach mit Krogner - Esprit 2012 schon wieder.

Pünktlich zur Herbstkollektion betrat der Spanier José Manuel Martinez Gutierrez die Bühne. Der ehemalige Inditex-Mann (Zara) soll den Niedergang der Marke stoppen. Doch die Probleme türmen sich wie Plastiksäcke vor den Altkleidercontainern.

Mit den vor wenigen Wochen bekanntgewordenen Jahreszahlen hat Esprit einen neuen Tiefpunkt erreicht – 427 Millionen Euro Verlust. Zum ersten Mal seit dem Börsengang im Jahr 1993 steckt die Marke in den roten Zahlen. Vorausgegangen waren dem zweistellige Umsatzeinbrüche in den selbstbetriebenen Filialen und im Großhandelsgeschäft. So liefert Esprit die Kollektionen auch an Modeläden wie Peek&Cloppenburg. Der Marktwert des Moderiesens, der in mehr als 40 Ländern und zwölf verschiedenen Sparten von Baby-Kleidung bis Bettwäsche aktiv ist, schrumpfte von 12 Milliarden Euro (2008) auf aktuell 2,2 Milliarden Euro.

Auf dem überfüllten Laufsteg der Labels, die in deutsche Fußgängerzonen und Shopping Malls drängen, wirkt Esprit daher zur Zeit wie ein Model, das seine besten Tage hinter sich hat. Das Outfit ist ein bisschen langweilig – der nötige Pfiff ist den Kollektionen in den vergangenen Jahren abhanden gekommen. Der Absatz mit Esprit-Ware sank bei P&C, einem der wichtigsten externen Händler, von 36 Millionen Euro im Jahr 2009 auf zwölf Millionen Euro im Jahr danach.

Und so schleppt sich Esprit wie ein Model mit Geldsorgen über den Catwalk. Der Gesichtsausdruck lässt die von Laufstegtrainern so gerne eingeforderte "attitude" vermissen – oder wie es Ex-Boss Van der Vis formulierte: "Esprit hat seine Seele verloren". Zu sehr hat sich die Marke den günstigen Fashionketten angenähert, bedauert Esprit-Designer Jörgen Andersson gegenüber fashionmag.com: "Esprit hat sich mehr und mehr wie H&M und Zara verhalten. Das war der große Fehler. Wenn die Kleiderbügel plötzlich aus Kunststoff sind, gibt das der ganzen Kollektion einen billigen Look."

Esprit brachte den Kunden zuletzt nicht mehr das, wofür es stand: gute Qualität zu erschwinglichen Preisen. Doch für einen Abgesang ist es zu früh. Wie am Model mit dem vertrauten Gesicht, auch wenn es nur noch abgekämpft von den Plakatwänden lächelt, hängen die deutschen an der Marke Esprit – und sehen über manche Unschönheiten, wie zu dünne Stoffe, und faden Kollektionen hinweg.

Esprit steht bei der Kundschaft noch immer hoch im Kurs. Werden die Deutschen nach ihren Lieblingsmarken gefragt, landet Esprit ganz gleich welche Markenberatung die Umfrage durchführt, mindestens unter den Top Ten – bei Frauen häufig sogar unter den Top drei.

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