Am morgigen Dienstag eröffnet an der Schadowstraße in Düsseldorf die elfte Primark-Filiale in Deutschland. Ab elf Uhr öffnet der irische Billig-Klamottenladen seine Türen. Nachdem in Berlin bei der Eröffnung des Kaufhauses rund 40.000 Kunden kamen, wird auch in Düsseldorf ein großer Andrang erwartet. Das besondere an Primark ist, dass kein Kleidungsstück mehr als 49 Euro kostet, das Image aber deutlich besser ist als beispielsweise das des Textildiscounters Kik.
Wie viele andere ausländische Modeketten, die in den letzten Jahren versuchten, den deutschen Markt zu erobern, spricht auch Primark Frauen zwischen 14 und 30 Jahren an. Nur scheinen die keine besonders treuen Kunden zu sein: Noch vor wenigen Monaten waren die gebräunten, mit Sixpacks ausgestatteten Model-Verkäufer in parfümierten Läden angesagt. Modebegeisterte drängten sich vor den Läden, um die neuesten US-Styles zu ergattern. Inzwischen trägt kaum noch jemand offen seine neueste Errungenschaft von Abercrombie & Fitch zur Schau.
Schlangen vor den Läden: Fehlanzeige. Keine Absperrgitter und Polizei weit und breit, die die Shopper noch zur Eröffnung an der Düsseldorfer Königsallee in Schach hielt. Vorstandschef Mike Jeffries verkündete kürzlich bei den Halbjahreszahlen einen Gewinneinbruch von 33 Prozent. „Ich glaube nicht, dass es Abercrombie & Fitch noch lange in Deutschland geben wird. Ihr Geschäftsmodell ist zu angreifbar und kippt gerade in den USA, so dass es höchstwahrscheinlich bald zum Rückzug aus Übersee kommt“ ,prognostiziert Gerrit Heinemann, Professor für Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Trade und Retail und Leiter des eWeb Research Centers an der Hochschule Niederrhein.
Die Schlangen verlagerten sich indes: In der Düsseldorfer Schadowstraße eröffnete die britische Kette Topshop im September ihre Tore im Karstadtgebäude. Spätestens seitdem Kate Middleton ein schwarzes Kleid mit weißen Punkten von Topshop trug, war die britische Modekette bei allen jungen deutschen Shoppern bekannt. Bislang suchten sie bei einem London-Besuch zuerst die Filiale in der Oxford Street auf. Jetzt gibt es sie endlich in Deutschland. Zum Leidwesen der alteingesessenen Ketten wie Esprit oder H+M.
Doch wer kann im deutschen Markt bestehen? Schließlich gilt der deutsche Einzelhandelsmarkt als schwierigster überhaupt, die Mieten sind teuer, die Standortentscheidung schwierig und die Auflagen streng. Die Einzelhandelsumsätze für Bekleidung gehen seit 20 Jahren zurück, doch die verkaufte Menge steigt nicht zuletzt dank der Discountketten. „Wer junge Käufer anspricht, muss die Mode preiswert und vor allem schnell in ständig wechselnden Kollektionsfrequenzen anbieten. Das können in der Regel nur Anbieter, die im Gegensatz zu Esprit kein Großhandelsgeschäft betreiben, sondern ihre selbst entworfenen Kollektionen ausschließlich an eigene Geschäfte distribuieren“, sagt Handelsexperte Heinemann.
Ein weiteres Erfolgskriterium: Eine gute Online-Präsenz. „Topshop hat zum Beispiel trotz der stationären Wurzeln einen der besten Online-Shops überhaupt und versteht die Kommunikation über Social Media exzellent“, sagt Heinemann. „Esprit und Gap kommen da nicht mit und wirken dagegen schon fast ältlich.“
In Großbritannien besuchen 250.000 Kunden besuchen wöchentlich den Topshop-Laden auf der Oxford Street, allein 300 Läden führt die Kette in Großbritannien, 140 international. Im KaDeWe in Berlin, im Oberpollinger in München, im Karstadthaus an der Düsseldorfer Schadowstraße und in der Hamburger Mönckebergstraße werden junge Shopper jetzt auch in Deutschland fündig. Die Frauen bei Topshop, die Männer bei Topman.
Primark setzt HM und Zara zu
Die britische Kette feiert im nächsten Jahr bereits ihren 50. Geburtstag. Die Briten haben sich mit ihrem Start in Deutschland Zeit gelassen. Man habe bislang nicht die richtige Größe und Örtlichkeit gefunden, begründet Managing Director Mary Homer. „Wir tendieren aber dazu, in wichtigen Städten weitere Flagship Stores zu eröffnen“, sagt Homer. Topshop gehört zur Arcadia Group, zu der auch Philip Green, Burton, Dorothy Perkins, Evans, Miss Selfridge, Walis und BHS gehören. Ende 2012 erwarb der US-Investor Leonard Green & Partners 25 Prozent der Anteile an Topshop und Topman.
Damit folgt mit Topshop bereits ein weiterer großer Konkurrent für H+M und Co. 2009 startete die irische Kette Primark auf dem deutschen Markt. Primark setzte im vergangenen Jahr rund drei Milliarden Pfund um und erwartet in diesem Jahr ein Umsatzplus von 22 Prozent. Ihr Motto: Hauptsache billig. Nach einem Besuch bei Primark haben junge Shopper nicht selten zehn Teile in der Einkaufstasche – das Ganze für nur 50 Euro. Trotz Dumpingpreisen ist Primark profitabel. Im Geschäftsjahr 2011/2012 steigerte der irische Textildiscounter seinen Gewinn auf 345 Millionen Pfund. Die Zusammenarbeit dem mit dem britischen Online-Modehändler Asos beendete Primark aber bereits wieder. Primark wolle künftig weder mit einem anderen Partner noch über einen eigenen Online-Shop verkaufen, zitiert die Textilwirtschaft britische Medienberichte.
In Spanien rüstet sich die Inditex-Gruppe, zu der unter anderem Zara, Massimo Dutti und Bershka gehören, bereits gegen die Primark-Konkurrenz und baut nach Informationen der Textilwirtschaft ihre Billig-Kette Lefties auf. Spekuliert wird, dass die Kette unter neuem Namen auch international expandieren könnte. Inditex äußert sich bislang dazu nicht. 2011 eröffnete die Gruppe ihren ersten Laden der Kette Bershka in Berlin, mit der Inditex ebenfalls vor allem junge Käufer ansprechen möchte.
Auch C&A wappnet sich gegen die neue Konkurrenz und gestaltet seine junge Linie Clockhouse um. In Düsseldorf eröffnete kürzlich ein neu designter Laden an der Schadowstraße.
Nicht immer trifft das Angebot den deutschen Geschmack
In den Startlöchern steht bereits eine neue Kette aus Japan: Uniqlo - ein Wortspiel aus „unique“ und „clothing“. Die Modekette gehört zur Fast Retailing-Gruppe, die 7,15 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftet. Voraussichtlich Ende März kommenden Jahres eröffnen die Japaner ihre erste Filiale in Berlin, im ehemaligen Niketown-Gebäude. Nicht weit entfernt eröffnete kürzlich die Inditex-Gruppe ihre erste Pull&Bear- Filiale und die kalifornische Kette Forever21 ihren ersten Laden mit Kollektionen für junge Käufer. Weitere Uniqlo-Läden dürften folgen. Genaueres ist noch nicht bekannt. Die Kollektionen sollen ebenfalls junge und preisbewusste Käufer ansprechen.
Den Erfolg sieht Heinemann skeptisch: „In der Regel treffen japanische Unternehmen nicht den deutschen Lifestyle und Geschmack, höchstens im sehr kleinen Premiumsegment. Ein richtiger Kracher sind die Sachen aus Kundensicht meistens nicht, und die Online-Auftritte erinnern eher an eine Kirmes mit bunten Farben.“
Oilily, Marks & Spencer und Gap verschwanden wieder
Viele kommen, ein paar gehen. Meistens haben sie es nicht geschafft, sich ausreichend an den deutschen Geschmack anzupassen. Die britische Kette Marks & Spencer versuche mehrfach den Markteintritt in Deutschland. Die Mode sah zu sehr nach Queen Mum aus und blieb auf den Verkaufstischen liegen. Vor zwölf Jahren zog sich die Kette komplett aus Europa zurück und versucht inzwischen wieder Online-Shops zu etablieren.
Bekleidung der Amsterdamer Marke Oilily, die mit blumigen Mustern und weiten Schnitten besonders für Kinder bekannt war, meldete 2009 Insolvenz an und verschwand daraufhin weitestgehend vom deutschen Markt. Auch die amerikanische Kette Gap zog sich nach neun Jahren 2004 wieder aus Deutschland zurück. „Über zu langweilige, basiclastige Sortimente ist GAP gekippt“, urteilt Heinemann. „Sie haben die neuen Wettbewerber unterschätzt. Die Organisation war wahrscheinlich irgendwann zu verkrustet und erfolgsverwöhnt, dass sie nicht mehr flexibel und schnell genug auf die Marktveränderungen reagiert und sich mit frischen Sortimenten angepasst hat. Das erinnert ein bisschen an die Nokia-Blackberry Falle: Zuerst war Gap sehr erfolgreich, dann nicht mehr innovationsfähig. Offensichtlich hat GAP aber als eines der wenigen Unternehmen in diesem Jahr den die Kehrtwende geschafft."
Viele Jeansmarken kommen und gehen im Halbjahresrhythmus. Auch die Plateauschuhe Buffalo, die vor 15 Jahren als chic galten, sind aus deutschen Schuhregalen verschwunden. Obwohl es nicht alle Marken auf dem deutschen Markt schaffen – der Wettbewerb wird weiter zunehmen. Die größte Konkurrenz kommt derzeit aus dem Netz. Rund zehn Milliarden Euro Umsatz erzielt der Onlinehandel bereits mit Schuhen und Kleidung. Der britische Modeshop Asos öffnete Ende 2010 seinen Onlineshop für deutsche Kunden, zehn Jahre nachdem er in Großbritannien an den Start gegangen war.
Hier sieht Heinemann die größte Bedrohung für alteingesessene Modeketten in Deutschland. „Im Gegensatz zu früher sind die Wettbewerber und vor allem neue ausländische Anbieter nur einen Mausklick entfernt“, sagt Heinemann, „da kann man sich nicht mehr auf irgendwelchen Lorbeeren ausruhen.“