Modekonzern Krisenzeiten bei H&M

Der einstige Börsenstar kämpft mit vielen Problemen: Umsätze fallen, Filialen schließen, der Aktienkurs fällt. Zu spät hat H&M auf den Online-Handel gesetzt. Die Kritik an Unternehmenschef Karl-Johan Perssen wird lauter.

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H&M in der Krise: H&M hat zu spät aufs Online-Geschäft gesetzt Quelle: Reuters

Stockholm Es läuft nicht rund für einen der größten Modekonzerne der Welt: Bei H&M hängt der Haussegen nach Rassismus-Vorwürfen, Geschäftsschließungen, einem Kurssturz und einem stotternden Online-Handel mächtig schief. Der Aktienkurs von H&M sackte diese Woche auf ein Neun-Jahrestief ab, nachdem mehrere Banken das Kursziel deutlich nach unten korrigiert hatten. Allein im gerade abgelaufenen Jahr verlor die H&M-Aktie ein Drittel ihres Wertes. Kostete sie am 2. Januar vergangenen Jahres noch 255,10 Kronen (25,96 Euro), lag sie diese Woche bei 160 Kronen (16,92 Euro). Von 24 Banken haben zwölf eine Verkaufs-Empfehlung ausgegeben, acht raten zum „Halten“, nur vier empfehlen einen Kauf.

Die Probleme, mit denen der einstige Börsenstar H&M kämpft, sind vielfältig. Die völlig misslungene und inakzeptable Werbung mit einem kleinen schwarzen Jungen, der ein Sweatshirt mit der Aufschrift „Coolest monkey in the jungle“ („Coolster Affe im Dschungel“) trägt, ist da nur der letzte Ausrutscher des Konzerns.

Schwerer wiegt, dass sich das Mode-Geschäft immer stärker in Richtung Online-Handel bewegt. Und hier hat H&M einigen Nachholbedarf. Denn der Konzern hat sich erst recht spät dazu durchgerungen, stärker auf das Geschäft im Internet zu setzen. Derzeit ist H&M auf insgesamt 64 Märkten vertreten, doch nur in 35 Ländern können die Kunden auch Online shoppen. Bis 2020 wird sich das geändert haben. Denn bis dahin sollen die Kunden in sämtlichen Ländern auch Online einkaufen können. Allerdings sind zwei Jahre eine lange Zeit, in denen der Modekonzern nur teilweise Online ist. Und dass am Mittwoch auch noch der langjährige Online-Chef Carl Stenbeck seinen Rücktritt beim Moderiesen bekanntgab, dürfte für weitere Unruhe sorgen.

Dabei ging schon 2017 mit einigen Turbulenzen zu Ende: Im dritten Quartal 2017, das bis November lief, fiel der Umsatz des schwedischen Moderiesen um vier Prozent auf umgerechnet rund fünf Milliarden Euro. Analysten hatten mit einer Umsatzsteigerung gerechnet. Deshalb war das Urteil an der Börse hart: Die Aktie fiel an einem einzigen Tag um 16 Prozent. „Die Zahlen war richtig, richtig schlecht“, urteilte Joakim Bornold, Analyst beim Maklerhaus Nordnet.

Die unzureichende Internet-Präsenz hat Konsequenzen: „Unser früheres Ziel, jedes Jahr zehn bis 15 Prozent mehr Läden zu eröffnen, wird in ein Umsatzziel umgewandelt, bei dem sowohl unsere Geschäfte als auch die Online-Shops mit eingerechnet werden“, erklärte H&M-Chef Karl-Johan Persson schon vor eineinhalb Jahren. Doch es sollte noch recht lange dauern, bis auf die Worte auch Taten folgten: Erst zu Jahresbeginn schloss H&M einen seiner größten Läden in der Stockholmer Innenstadt. Die Schließung war die Konsequenz eines veränderten Kaufverhaltens der vor allem jüngeren Kunden. Sie bestellen lieber bei Amazon oder Zalando, als zum Shoppen die Modeläden zu besuchen. Dem Aus des Stockholmer H&M-Ladens sollen weitere Schließungen auch außerhalb Schwedens folgen. Außerdem werden geplante Neueröffnungen noch einmal unter die Lupe genommen.

Zusätzlich plant H&M in diesem Frühjahr, Teile seiner Kollektion auch über Internet-Händler wie der chinesischen Online-Plattform Tmall zu verkaufen. Tmall gehört zum größten chinesischen Internet-Händler Alibaba. Andere Kooperationen sind nicht ausgeschlossen, heißt es in der Stockholmer Konzernzentrale.

Doch die unzureichende Internet-Präsenz ist nicht das einzige Problem der Schweden. Ihnen macht auch zu schaffen, dass sie im Gegensatz zum Branchenführer Zara hauptsächlich in Asien produzieren lassen. Während Zara den Großteil seines Sortiments in Europa nähen lässt und somit kurze Lieferwege zu den wichtigsten Märkten hat, muss H&M lange Transportwege von Asien in Kauf nehmen. Eine schnelle Reaktion auf veränderte Kundenwünsche ist so nicht möglich. Außerdem müssen sie ihre Lieferanten in Dollar bezahlen und sind so einem deutlich größeren Währungsrisiko ausgesetzt.

Auch wenn es derzeit nicht rund läuft, ist H&M eine schwedische Erfolgsgeschichte, die der des Möbelhauses Ikea in kaum etwas nachsteht: 1947 von Erling Persson gegründet, hat sich das Unternehmen zu einem der größten Modeketten der Welt entwickelt. Dabei hatte alles ganz klein angefangen: Persson eröffnete in der westlich von Stockholm gelegenen Kleinstadt Västerås sein erstes Damenmode-Geschäft unter dem Namen „Hennes“ (Für sie). Die Kundinnen liebten das sportliche Sortiment, das zu günstigen Preisen angeboten wurde. Angetrieben von dem auch für ihn unerwarteten Erfolg öffnete der Firmengründer weitere Geschäfte – zunächst in Schweden, später in den anderen nordischen Ländern. Allerdings sollte es noch 21 Jahre dauern, bis Persson sein Angebot auf Herrenmode ausweitete. Er übernahm 1968 den schwedischen Outdoor- und Jagdbekleidungsspezialisten Mauritz Widfors, und der neue Unternehmensname stand fest: Hennes & Mauritz, das nun auch Herren-, später zusätzlich Kinderbekleidung anbot.

1982 zog sich der Firmengründer aus dem Tagesgeschäft zurück und übergab die operative Führung des Unternehmens an seinen Sohn Stefan Persson. Mittlerweile war aus dem einstigen Damenbekleidungsladen in Västerås eine Modekette geworden, die bereits in den nordeuropäischen Ländern sowie in Großbritannien eigene Geschäfte betrieb. Stefan Persson baute das Geschäft weiter aus, erschloss neue Märkte und setzte konsequent auf eine Expansion in den allerbesten Geschäftslagen. Schick und billig sollte kein Widerspruch sein.

Stefan Persson wechselte 1998 in den Aufsichtsrat des Konzerns. Nach zwei von außen rekrutierten Chefs übernahm 2009 mit Karl-Johan Persson wieder ein Familienspross die Leitung des Konzerns. „Als Aktionär sehe ich die Wahl von Karl-Johan als die absolut beste Lösung an, denn damit ist gewährleistet, dass nicht die Quartalsökonomie, sondern die langfristige Entwicklung im Vordergrund steht“, erklärte Vater Stefan Persson damals.

Die Familie Persson regiert über das mit knapp 50 Milliarden Euro bewertete H&M-Reich. Stefan Perssons privates Vermögen wird auf 25 Milliarden Euro geschätzt. Damit landete er 2015 hinter Ikea-Gründer Ingvar Kamprad auf dem zweiten Platz der reichsten Schweden. Die Persson-Familie mit Sohn Karl-Johan und Schwester Liselott Tham zählt zu den reichsten des Landes und kontrolliert das an der Börse notierte Unternehmen weiterhin, da sie rund 40 Prozent des Aktienkapitals besitzt und über 70 Prozent der Stimmrechte hält. Ohne die Familie Persson läuft also nichts.

Der in London ausgebildete Ökonom Karl-Johan muss heute unter der Aufsicht seines Vaters Stefan arbeiten. „Das klappt gut“, sagt der Filius. Schon vor seiner Ernennung zum H&M-Chef war er verantwortlich für die Auslandsexpansion des Konzerns und hat die neuen, etwas luxuriösen COS-Läden (Collection Of Style) mitentwickelt.

Doch nach ersten Erfolgen als Chef der zweitgrößten Modekette der Welt sieht sich Persson Junior stärker werdender Kritik ausgesetzt. „H&M befindet sich in seiner schwersten Krise, und es wird schwer werden, den Kurs wieder zu verändern“, sagte Claes Hemberg vom Aktienmakler Avanza der Zeitung „Svenska Dagbladet“. Und Nordnet-Analyst Joakim Bornold pflichtet seinem Kollegen bei. „Es ist jetzt ein guter Zeitpunkt, den Chef auszutauschen.“ Tatsächlich haben die H&M-Aktionäre, seit Karl-Johan Persson 2009 das Ruder übernahm, nur wenig Freude gehabt. In seiner Zeit als H&M-Chef fiel der Kurs der Aktie um zwölf Prozent. Der Index der Stockholmer Börse verdoppelte sich im gleichen Zeitraum.

Doch ein Wechsel an der Spitze von H&M scheint in weiter Ferne zu liegen. Der Aufsichtsratsvorsitzende, Großaktionär und Vater des jetzigen H&M-Chefs, Stefan Persson, erklärte Ende vergangenen Jahres in einem seiner sehr seltenen Interviews: „Ich weiß, als Papa von Karl-Johan klinge ich nicht sonderlich objektiv, aber als Hauptaktionär bei H&M kann ich mir keinen besseren Chef vorstellen. Auch im Hinblick auf unsere Pläne für die Zukunft.“

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