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Möbel-Trends 2017 Zwischen Retro-Look und Smart Home

Auf der Möbelmesse in Köln stellen 1360 Unternehmen neue Produkte und Trends vor. Dabei zeigt sich: Die eigenen vier Wände als Ruheort gewinnen an Bedeutung. Gleichzeitig werden Haus und Küche immer vernetzter.

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Model Camilla posiert am 16.01.2017 auf der Internationalen Möbelmesse in Köln (Nordrhein-Westfalen) auf dem

Köln Eine Gruppe von Asiaten drängt sich um ein Schlafsofa aus rotem Plüsch. Dessen Lehne geht in einem geschwungenen Boden in ein Halbdach über, ein bläuliches Leuchten unter dem Boden rundet das futuristische Design ab. Die Kameras der Asiaten blitzen, andere Besucher schauen skeptisch. Ziemlich kitschig sieht das Sofa aus. Aber wie man auf der Möbelmesse in Köln lernt: Kitsch ist Kult.

Bis zum 22. Januar zeigt die Einrichtungs- und Möbelbranche auf der IMM in Köln die neuesten Trends. Gerald Klimke vom Polstermöbelhersteller Signet nutzt die Messe, um mit seinem futuristischen Schlafsofa auf sein Unternehmen aufmerksam zu machen. Eigentlich steht Signet für klassische Funktionsmöbel, aber wie der Geschäftsführer verrät: „Einmal im Jahr erlauben wir uns, einen Spaß zu erfinden. Das ist eine wunderbare Möglichkeit für verrückte Werbung.“

1.360 Unternehmen aus 50 Ländern zeigen in Köln ihre Produkte. Ursula Geismann, die Trendexpertin des Verbandes der Deutschen Möbelindustrie, hat darunter für 2017 mehrere Trends ausgemacht. Neben Kitsch ist das Bedürfnis nach Ruhe, nach Entschleunigung ein großes Thema. „Die Menschen wollen es sich zuhause schön machen. Tür zu und Ruhe ist eine Art Grundeinstellung“, sagt Geismann.

Die eigenen vier Wände sollen zum Rückzugsort werden, in dem das Smartphone auch mal ausgeschaltet wird. Dabei zeigt sich, dass die Nachfrage nach Klassikern in der Möbelbranche steigt. „Wir haben ein großes Retrothema“, erklärt Grossmann. „Die Leute wollen Möbel, die sie an frühere, gute Zeiten erinnern.“ Möbel im Mid-Century-Design seien beliebt, von den 1940er- bis hin zu den 1970er-Jahren.

Auf diesen Zug ist auch Michael Reß aufgesprungen. Er ist der Geschäftsführer des Unternehmens Schönbuch aus Bayern, das sich auf kreative, funktionale Einrichtungselemente spezialisiert hat. In Köln präsentiert er seinen neuen Barschrank im glänzenden, roten Design. Dabei lassen sich die Seitenwände komplett aufklappen und außen an die Seitenwände anlegen, sodass der Schrank zur offenen Bar wird. Mit 2500 Euro ist der Barschrank allerdings nicht gerade günstig.

Wobei es sich die Deutschen einiges kosten lassen, um ihre eigenen vier Wände zum Rückzugsort zu machen. Die Pro-Kopf-Ausgaben für Möbel stiegen 2016 auf das Allzeithoch von 412 Euro. Davon profitierte auch der deutsche Möbelhandel, der im vergangenen Jahr seinen Umsatz um 2,5 Prozent auf 33,4 Milliarden Euro steigern konnte. Die Branche knackte sogar erstmals die Umsatzmarke von 18 Milliarden Euro.

Die Deutschen investieren also, um sich ihr Zuhause gemütlich zu machen. Dazu gehört unter anderem, dass Wohnzimmer und Küche miteinander verschmelzen. Leo Lübke, Inhaber des Sitzmöbelherstellers Cor, berichtet schmunzelnd: „Wer abends mit seinen Gästen in der Küche sitzt, der wechselt in der Regel nicht mehr ins Wohnzimmer. Da will man aber nicht so protestantisch auf Holzstühlen sitzen.“ Cor stellt deshalb in Köln eine Sofaecke für die Küche vor.

Sollten sich hochwertige Polstermöbel in der Küche durchsetzen, wäre das für die Polstermöbelindustrie eine gute Nachricht. Diese wies 2016 nämlich ein Umsatzminus von vier Prozent aus. Die deutschen Hersteller haben mit dem hohen Lohnkostenanteil zu kämpfen. Diese machen bei Polstermöbeln bis zu 50 Prozent aus, sodass die Konkurrenz aus Billiglohnländern deutlich günstiger produzieren und anbieten kann.


Wie eine Arbeitsplatte zum Tablet wird

Der Trend zur Wohnküche freut allerdings nicht nur Hersteller von Polstermöbeln sondern naturgemäß auch die von Küchen – Ballerina etwa. Das Familienunternehmen aus Ostwestfalen hat als Weiterentwicklung der Insellösung eine Küche in Y-Form entwickelt, die die Küche zum zentralen Ort für Kommunikation machen soll. Leicht-Küchen, ein Hersteller von Markenküchen, experimentiert hingegen mit neuen Materialien – etwa mit Spritzbeton. „Industrie, Handel und Endkunde sind sehr offen für neue Oberflächen. Die Küche hat sich zu einem Statussymbol entwickelt“, weiß der CEO von Leicht-Küchen, Stefan Waldenmaier.

Das Wohnzimmer verliert dagegen an Bedeutung. „Früher gab es die 1-,2-,3-Garnitur, die mit einem Dreier, einem Zweier-Sofa und dem passenden Einzelsessel in den allermeisten Wohnzimmern stand. Das ist out“, erklärt Trendexpertin Geismann. Die modernen Sofas haben Lounge-Charakter, mit wachsenden Sitztiefen.

Dabei fällt in Köln auf: Viele Sofas und andere Möbelstücke werden kleiner und multifunktional. „Die Leute ziehen aus der Peripherie in die Ballungszentren. Das hat zur Folge, dass wir dort Mieten haben, die Leute mit normalen Einkommen nicht mehr so gut bezahlen können. Die Folge ist, dass die Menschen kleiner wohnen“, erklärt Geismann. Hinzu kommen gesellschaftliche Entwicklungen. Derzeit hat Deutschland 41 Millionen Haushalte, wobei die Tendenz steigt, da die Zahl der Singlehaushalte wächst. Mittlerweile gibt es 40 Prozent Ein-Personen-Haushalte.

Da die Kunden auch auf dem kleineren Wohnraum dieselben Ansprüche an Möbel stellen, reagiert die Möbelindustrie. Auf der Kölner Möbelmesse sieht man unter anderem klappbare Tische, ausziehbare Arbeitsflächen und im Sockel eingebauter Stauraum. „Es geht darum, auf möglichst kleinen Raum alles anzubieten“, sagt Volkmar Halbe, Geschäftsführer vom Möbelhersteller Germania. Das ostwestfälische Familienunternehmen ist unter anderem mit einem Kleiderschrank vor Ort, der gleichzeitig Regal und Arbeitsbereich ist.

In dieselbe Richtung geht die neue multifunktionale Arbeitsplatte des Küchenherstellers Nolte. Die Pfälzer haben eine Keramikarbeitsfläche entwickelt, die ideal für kleine Küchen ist, weil sie mehrere Funktionen erfüllt. Zum einen ist sie Arbeitsfläche. Integrierte Induktionsfelder machen sie aber gleichzeitig zum Kochfeld, das allerdings so schnell abkühlt, dass sich die Arbeitsfläche auch sofort als Tisch eignet. Zu guter Letzt ist die Arbeitsplatte auch noch ein Android-Tablet. Möglich macht das ein spezieller Beamer, den Nolte in Kooperation mit Sony entwickelt hat.

Das Beispiel Nolte zeigt: Die Technisierung im Haushalt schreitet voran. Beeindruckend zeigt das auf der Messe in Köln das Smart Home. In diesem Projekt zeigen 36 Firmen, was schon alles möglich ist: Etwa Sicherheitskameras, die den Hausbesitzer erkennen und ihm die Tür öffnen. Lampen im Vorgarten, die anzeigen, welche Mülltonne heute herausgestellt werden. Per App kann auch schon auf dem Heimweg gesteuert werden, wie viel Badewasser zur Ankunft bei welcher Temperatur in der Badewanne sein soll.

„Die Entwicklung geht vor allem in Richtung Convenience, Bequemlichkeit und Erleichterung“, erklärt Ursula Grosmann vom Deutschen Möbelverband. Das sorgt bei älteren Menschen dafür, dass sie länger zuhause wohnen bleiben können, während jüngere dadurch Zeit gewinnen. Als weiteres Beispiel nennt Grosmann die selbstreinigende Toilette.

Gerade für japanische Besucher ist diese allerdings schon gang und gäbe. Da ist das rote Plüschsofa doch deutlich interessanter.

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