Möbelhändler „Der Wettbewerb im Möbelmarkt ist irre hart“

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Das Bundeskartellamt zeigt Widerstand wie im Lebensmittelhandel

„Dass XXXLutz sich an Roller beteiligt, hätte ich nie gedacht“, sagt „Möbel Kultur“-Vize-Chefin Evelyne Beckmann. Denn ausweislich der deutschen Möbelhändler-Tabelle, jährlich aufgestellt von „Möbel Kultur“, rangiert die Tessner-Gruppe auf Rang fünf: Der Discounter Roller betreibt 130 Filialen, das Möbelhaus Schulenburg acht Einrichtungszentren; hinzu kommen 20 Möbeldiscountmärkte SB-Lagerkauf. Im vergangenen Jahr erzielte die Tessner-Holding rund 1,5 Milliarden Euro – wahrlich kein typischer Übernahmekandidat. Aber die Familie Tessner sieht offenbar Handlungsbedarf und teilt mit: „Der Einzelhandel unterliegt zunehmend grundlegenden Veränderungen. So haben in den Branchen Lebensmittel, Warenhäuser, Elektronik, Baumärkte, Drogerien, Textil- und Versandhäuser Konzentrationsprozesse auch durch Digitalisierung und Online-Handel zu einer Reduzierung der Marktteilnehmer geführt. Diese Entwicklung zeichnet sich zunehmend in der Möbelbranche ab.“ 

An dieser Stelle jedoch drückt jemand den Pause-Knopf: Dieser scheinbar unaufhaltsame Prozess der Raffung und Konzentration in der Branche wird – zumindest für einen Moment – angehalten. Verantwortlich ist das Bundeskartellamt in Bonn. Bereits im September hatte die Wettbewerbsbehörde eine geplante Fusion in der Branche unterbunden: Kurt Krieger wollte seine Höffner-Gruppierung mit der Möbeleinkaufskooperation VME Union verschmelzen. Einkaufskooperationen sind in der Möbelbranche weit verbreitet: Bis auf Ikea, das seine Möbel zum großen Teil selbst herstellen lässt und Lizenzen für die einzelnen Stücke besitzt, sind fast alle Händler in solchen Verbunden organisiert. Diese verhandeln im Namen ihrer Mitglieder mit den 480 verschiedenen deutschen Möbelherstellerbetrieben über die Preise. 



Das Kartellamt duldet diese Kooperationen, weil so gewährleistet sei, dass vor allem kleine und mittelständische Möbelhändler im Einkauf mit den Marktgrößen mithalten können. Die VME Union, im Juli 2017 aus zwei fusionierten Einkaufsverbänden hervorgegangen, ist die größte deutsche Möbeleinkaufskooperation. Mit Höffner wäre sie nach Einschätzung der Wettbewerbsbehörde zu groß geworden: „Nach den einschlägigen EU-Leitlinien über horizontale Zusammenarbeit können Einkaufskooperationen wettbewerbsbeschränkende Wirkungen haben, wenn ihre Marktanteile 15 Prozent übersteigen“, teilte das Bundeskartellamt mit. „Dies wäre hier für den Möbelhandel in Deutschland (…) deutlich der Fall gewesen.“

Die XXXLutz-Beteiligung an Roller prüft zunächst die EU 

Die noch größere, geplante Kooperation von XXXLutz und Roller/Schulenburg muss nun ebenfalls von einer Wettbewerbsbehörde geprüft werden – allerdings zunächst von der in Brüssel. Aufgrund der Größe der beiden beteiligten Unternehmen muss der angebahnte Zusammenschluss im ersten Schritt bei der Europäischen Wettbewerbsbehörde zur Vorprüfung angemeldet werden, bevor der Fall der Behörde aus jenem Land vorgelegt wird, in dem sich der Großteil des Geschäfts abspielt – Deutschland. Noch liegen den Prüfern in Brüssel keine Dokumente vor. „Das Bundeskartellamt beobachtet (…) mit gewisser Sorge die zunehmende Konzentration bei Einkaufskooperationen im Möbelhandel“, schreibt die Behörde.

In der Branche ist nun die Rede davon, dass das Kartellamt mittlerweile genauer hinschaue als noch vor wenigen Jahren. Damit zeigt die Behörde gegenüber den Möbelhändlern ähnliche Widerstandsfähigkeit wie zuvor im Lebensmittelhandel: 2015 hatte das Bundeskartellamt den Verkauf der Kaiser’s/Tengelmann-Supermärkte an Edeka untersagt und später nur unter strengen Auflagen teilgenehmigt. Handelsberater Deppe folgert: „Insbesondere die derzeit sehr aktiven Möbelhändler, die durch Aufkäufe wachsen, werden dies in dieser Form nicht mehr können. Fusionen werden wohl schwieriger. Es gilt also, die Geschäftsmodelle jenseits des externen Wachstums zu stärken.“

In Deutschland werden immer mehr Möbelpaläste gebaut. Besonders rasant wächst die XXXLutz-Gruppe. Mit der Komplettübernahme des Möbel-Discounters Poco macht sie Marktführer Ikea zunehmend Konkurrenz.

Wie das aussehen kann, zeigt Ikea. Für das Fachblatt „Möbel Kultur“ sind die Schweden Branchenvorbild: Deutschland-Chef Dennis Balslev hatte angekündigt, nicht weiter auf Einrichtungstempel an Autobahnausfahrten zu setzen, wobei im kommenden Jahr in Karlsruhe noch ein weiterer, gewöhnlicher Ikea eröffnen wird. Es wird die 54. Ikea-Filiale in Deutschland. „Nicht mehr als genug, aber genug“, sagte Balslev kürzlich der WirtschaftsWoche. „Wir decken Deutschland jetzt ziemlich gut ab.“ In Zukunft will Ikea nun verhältnismäßig kleine Geschäfte mit stark verkleinertem Sortiment in zentraler Innenstadtlage eröffnen, wie jüngst in Paris, und die Beratung sowie den Aufbauservice und – natürlich – den Online-Handel stärken. Die „Möbel Kultur“ kommentiert mit Blick auf die Gefräßigen der Branche: „Genau dieses Hinterfragen bestehender Konzepte vermissen wir bislang bei den Möbelhandelsriesen.“ 

Ikea habe noch einen weiteren Vorteil gegenüber den meisten anderen Möbelhändlern, bemerkt IFH-Köln-Experte Uwe Krüger: Familiengeführte Möbelhändler „haben oft das Problem der fehlenden Nachfolge“. Ein Thema, über das Möbelunternehmer Frank Hofmeister aus Bietigheim-Bissingen gerne spricht. „Wir haben zwei in der Familie“ sagt er: sein Sohn Carl Friedrich Hofmeister (23) und der Sohn seiner Cousine, David Döller (24). „Die wollen. Und das ist das Wichtigste.“ Hat er auch schon mal Anfragen von den Branchengrößen erhalten wegen einer möglichen Übernahme? „Ach ja“, sagt Hofmeister, „da kommen immer mal wieder solche Briefe. Aber wir schicken dann immer freundliche Antworten, dass wir von dem Angebot keinen Gebrauch machen.“

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