Möbelhändler „Der Wettbewerb im Möbelmarkt ist irre hart“

Filiale des Möbelkonzerns XXXLutz Quelle: XXXLutz Pressecenter

XXXLutz will sich am Discounter Roller beteiligen, doch das Bundeskartellamt hat Bedenken. Die Konzentration auf dem deutschen Möbelmarkt stößt an ihre Grenzen. Innenansichten eines schmerzhaften Wettbewerbs.

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Der Möbelhändler Hofmeister aus Bietigheim-Bissingen ist Mieter einer Zuschauer-Loge im Fußballstadion des VfB Stuttgart. Beim jüngsten Heimspiel konnten die Zuschauer dort einen 3:0-Sieg der Stuttgarter gegen den Karlsruher SC verfolgen. An einer Wand des Hofmeister-Separees prangt eine großflächige Werbung: das Foto einer grauen Sofalandschaft, garniert mit dem Spruch „Ihr Logenplatz für Zuhause“. Hofmeister will Präsenz zeigen in seinem Einzugsgebiet – doch bekommt auch hier den Druck des Wettbewerbs zu spüren. Im vergangenen Sommer wurde Konkurrent Möbel Rieger aus Göppingen offizieller Club-Partner des VfB Stuttgart. Möbel Hofmeister muss sich seitdem mit einer sogenannten Hospitality-Partnerschaft begnügen. 

Frank Hofmeister (58) führt seit 2007 die Geschäfte des gleichnamigen Möbelhändlers. Er ist Repräsentant der vierten Generation der Gründerfamilie und kennt sich aus mit Wettbewerb: „Wir kämpfen, aber es lohnt sich“, sagt er. Rund 210 Millionen Euro setzt sein Unternehmen um, mit drei großen Einrichtungshäusern und vier Küchenfachmärkten, verteilt in einem Dreieck um Stuttgart, zwischen Heilbronn, Pforzheim und Ulm. Hofmeister verkaufe „nicht nur Billig-Billig“, sondern verfüge über eine eigene Schreinerei und könne auch Sonderanfertigungen liefern, betont der Chef. 

Knapp 1000 Mitarbeiter beschäftigt Hofmeister. „In der Größe kann man gut überleben. Man muss aber innovativ bleiben.“ Und die Konkurrenz aushalten: Die nächste Ikea-Filiale befindet sich in Ludwigsburg, fünf Kilometer vom Stammsitz in Bietigheim-Bissingen entfernt; direkt daneben ließ sich der Möbel-Discounter Roller nieder. Und der nächste XXXLutz ist auch nicht weit: zehn Minuten mit dem Auto. 

Der Möbelmarkt schrumpft leicht

Damit sind die beherrschenden Kräfte im deutschen Möbelhandel in unmittelbarer Nähe. Die Möbelhaus-Konzentration im Landkreis Ludwigsburg steht stellvertretend für die Möbelhaus-Konzentration in ganz Deutschland. Wer heute ein Sofa, einen Esstisch, eine Kommode oder ein Regal erwerben möchte, muss nicht lange suchen. „Der deutsche Möbelmarkt befindet sich in dünner Höhenluft, von kräftigen Sättigungstendenzen durchzogen“, formuliert Uwe Krüger, Möbelexperte des Kölner Instituts für Handelsforschung. „Auf dem Level, auf dem wir uns inzwischen befinden, tut Wachstum weh; es geht es nur noch auf Kosten anderer. Wachstum geht fast nur noch online oder durch Übernahmen.“ 

Was zum Möbelmarkt gehört, ist Definitionssache. Laut dem „Branchenfokus Möbel“, den Krügers IFH Köln mit der Handelsberatung BBE veröffentlicht, schrumpfte der reine Wohnmöbelmarkt im Jahr 2018 um 1,3 Prozent auf 19,9 Milliarden. Der Handelsverband Möbel und Küchen zählt, wie der Name verrät, mehr als nur Wohnmöbel dazu und kommt auf eine Marktgröße von 32,9 Milliarden Euro – verzeichnet aber ebenfalls ein Minus im Vergleich zum Vorjahr: zwei Prozent weniger als 2017. Uwe Krüger bringt die Schwierigkeit auf den Punkt: „Möbelhändler können heute nicht mehr einfach eine neue Schrankwand auf den Markt werfen, und die wird ihnen dann aus den Händen gerissen. So funktioniert das nicht mehr.“ Der letzte Hype, der noch durch eine Produktneuheit funktioniert hat, sei die Einführung des Boxspringbetts, „aber das ist auch schon lange vorbei“.

Der Handel war noch nie ein Geschäft für Sanftmütige, für Zarte und Zögerliche. Lebensmittel-, Baumarkt- oder Drogeriehändler etwa wissen davon zu berichten. Doch der hiesige Möbelhandel hat mittlerweile einen Härtegrad erreicht, der selbst langjährige Branchenkenner überrascht. Uwe Krüger konstatiert: „Der Wettbewerb im Möbelmarkt ist irre hart.“ Evelyne Beckmann, Vize-Chefredakteurin des Fachmagazins „Möbel Kultur“, sagt: „Die Konzentration im deutschen Möbelhandel ist enorm. Was da in den letzten Jahren passiert ist, ist wirklich unglaublich.“ Und Sebastian Deppe von BBE bemerkt höflich „eine gewisse Unruhe in der Branche durch den wiederholten Einfluss des Bundeskartellamtes“, von dem noch die Rede sein wird.

XXXLutz wurde zu einem der weltgrößten Möbelkonzerne

Hauptverantwortlich für die Aufregung ist Andreas Seifert. Ein österreichischer Unternehmer, der sehr viel Wert auf Anonymität legt. Aktuelle Fotos von ihm gibt es nicht. Er führt die Holding XXXLutz mit Sitz in der oberösterreichischen Stadt Wels, südwestlich von Linz. Von dort aus erschuf Andreas Seifert, lange Zeit gemeinsam mit seinem 2017 verstorbenen Bruder Richard Seifert, in den vergangenen Jahren einen der weltgrößten Möbelhändler. Die XXXLutz-Gruppe erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2018/2019 (April bis Ende März) insgesamt fast sechs Milliarden Euro und betreibt mehr als 380 Filialen in insgesamt zwölf europäischen Ländern. Den Deutschland-Umsatz der Österreicher schätzt „Möbel Kultur“ aktuell auf 4,035 Milliarden Euro, selbstverständlich eine Steigerung. Größer ist hierzulande nur noch Ikea-Deutschland: Ikea-Deutschland-Chef Dennis Balslev hatte Mitte November die neue Bestmarke von 5,3 Milliarden Euro Umsatz mitgeteilt. 

Der Möbel-Marktführer spricht: Ikea-Deutschland-Chef Dennis Balslev erklärt seine Ideen von kleinen Innenstadt-Filialen, den Erfolg der Lautsprecher-Lampe und die Zukunft der Smart-Home-Produkte.
von Stephan Knieps

Doch XXXLutz verdankt sein Wachstum im Gegensatz zum schwedischen Konkurrenten hauptsächlich einer Tätigkeit: der Übernahme kleinerer Möbelhäuser. In einem Markt, der geprägt ist von Gefräßigen, erweisen sich die Österreicher als besonders hungrig: Im Dezember 2018 schluckte XXXLutz die verbliebenen 50 Prozent am deutschen Möbeldiscounter Poco; die anderen 50 Prozent gehörten Lutz bereits. So kamen insgesamt 125 Filialen zu Seiferts Reich hinzu. Im Verlauf des Jahres kaufte XXXLutz ferner die Möbelhändler Müllerland, Möbel Brügge und – zu 75 Prozent – die Möbelabteilungen der norddeutschen Dodenhofen-Einkaufszentren. Auch in der Schweiz schlug Seifert kürzlich zu: Im November verkündete er innerhalb weniger Tage zunächst die Übernahme des größten Möbelhändlers Pfister mit 23 Einrichtungshäusern, sowie kurz darauf den Kauf von sechs Filialen von Interio, dem Einrichtungsfachhändler der Handelsgenossenschaft Migros.

Auch der Drittplatzierte in der deutschen Möbel-Tabelle, die Berliner Höffner-Gruppe um Inhaber Kurt Krieger (2,3 Milliarden Euro Umsatz), zeigte Appetit und verleibte sich 2018 die Einrichtungshäuser der Paderborner Kette Möbel Finke ein. Ende Oktober erweiterte Krieger sein Portfolio um einen 50-Prozent-Anteil am sächsischen Polstermöbel-Spezialisten Multipolster. Der Filialist betreibt bundesweit 50 Fachgeschäfte. Das größte Erstaunen in der Branche verursachte aber XXXLutz, als das Unternehmen im Oktober ankündigte, 50 Prozent der Möbelketten Roller und Tejo/Schulenburg übernehmen zu wollen. Beide gehören bislang der Tessner-Gruppe mit Sitz in Goslar. 

Das Bundeskartellamt zeigt Widerstand wie im Lebensmittelhandel

„Dass XXXLutz sich an Roller beteiligt, hätte ich nie gedacht“, sagt „Möbel Kultur“-Vize-Chefin Evelyne Beckmann. Denn ausweislich der deutschen Möbelhändler-Tabelle, jährlich aufgestellt von „Möbel Kultur“, rangiert die Tessner-Gruppe auf Rang fünf: Der Discounter Roller betreibt 130 Filialen, das Möbelhaus Schulenburg acht Einrichtungszentren; hinzu kommen 20 Möbeldiscountmärkte SB-Lagerkauf. Im vergangenen Jahr erzielte die Tessner-Holding rund 1,5 Milliarden Euro – wahrlich kein typischer Übernahmekandidat. Aber die Familie Tessner sieht offenbar Handlungsbedarf und teilt mit: „Der Einzelhandel unterliegt zunehmend grundlegenden Veränderungen. So haben in den Branchen Lebensmittel, Warenhäuser, Elektronik, Baumärkte, Drogerien, Textil- und Versandhäuser Konzentrationsprozesse auch durch Digitalisierung und Online-Handel zu einer Reduzierung der Marktteilnehmer geführt. Diese Entwicklung zeichnet sich zunehmend in der Möbelbranche ab.“ 

An dieser Stelle jedoch drückt jemand den Pause-Knopf: Dieser scheinbar unaufhaltsame Prozess der Raffung und Konzentration in der Branche wird – zumindest für einen Moment – angehalten. Verantwortlich ist das Bundeskartellamt in Bonn. Bereits im September hatte die Wettbewerbsbehörde eine geplante Fusion in der Branche unterbunden: Kurt Krieger wollte seine Höffner-Gruppierung mit der Möbeleinkaufskooperation VME Union verschmelzen. Einkaufskooperationen sind in der Möbelbranche weit verbreitet: Bis auf Ikea, das seine Möbel zum großen Teil selbst herstellen lässt und Lizenzen für die einzelnen Stücke besitzt, sind fast alle Händler in solchen Verbunden organisiert. Diese verhandeln im Namen ihrer Mitglieder mit den 480 verschiedenen deutschen Möbelherstellerbetrieben über die Preise. 



Das Kartellamt duldet diese Kooperationen, weil so gewährleistet sei, dass vor allem kleine und mittelständische Möbelhändler im Einkauf mit den Marktgrößen mithalten können. Die VME Union, im Juli 2017 aus zwei fusionierten Einkaufsverbänden hervorgegangen, ist die größte deutsche Möbeleinkaufskooperation. Mit Höffner wäre sie nach Einschätzung der Wettbewerbsbehörde zu groß geworden: „Nach den einschlägigen EU-Leitlinien über horizontale Zusammenarbeit können Einkaufskooperationen wettbewerbsbeschränkende Wirkungen haben, wenn ihre Marktanteile 15 Prozent übersteigen“, teilte das Bundeskartellamt mit. „Dies wäre hier für den Möbelhandel in Deutschland (…) deutlich der Fall gewesen.“

Die XXXLutz-Beteiligung an Roller prüft zunächst die EU 

Die noch größere, geplante Kooperation von XXXLutz und Roller/Schulenburg muss nun ebenfalls von einer Wettbewerbsbehörde geprüft werden – allerdings zunächst von der in Brüssel. Aufgrund der Größe der beiden beteiligten Unternehmen muss der angebahnte Zusammenschluss im ersten Schritt bei der Europäischen Wettbewerbsbehörde zur Vorprüfung angemeldet werden, bevor der Fall der Behörde aus jenem Land vorgelegt wird, in dem sich der Großteil des Geschäfts abspielt – Deutschland. Noch liegen den Prüfern in Brüssel keine Dokumente vor. „Das Bundeskartellamt beobachtet (…) mit gewisser Sorge die zunehmende Konzentration bei Einkaufskooperationen im Möbelhandel“, schreibt die Behörde.

In der Branche ist nun die Rede davon, dass das Kartellamt mittlerweile genauer hinschaue als noch vor wenigen Jahren. Damit zeigt die Behörde gegenüber den Möbelhändlern ähnliche Widerstandsfähigkeit wie zuvor im Lebensmittelhandel: 2015 hatte das Bundeskartellamt den Verkauf der Kaiser’s/Tengelmann-Supermärkte an Edeka untersagt und später nur unter strengen Auflagen teilgenehmigt. Handelsberater Deppe folgert: „Insbesondere die derzeit sehr aktiven Möbelhändler, die durch Aufkäufe wachsen, werden dies in dieser Form nicht mehr können. Fusionen werden wohl schwieriger. Es gilt also, die Geschäftsmodelle jenseits des externen Wachstums zu stärken.“

In Deutschland werden immer mehr Möbelpaläste gebaut. Besonders rasant wächst die XXXLutz-Gruppe. Mit der Komplettübernahme des Möbel-Discounters Poco macht sie Marktführer Ikea zunehmend Konkurrenz.

Wie das aussehen kann, zeigt Ikea. Für das Fachblatt „Möbel Kultur“ sind die Schweden Branchenvorbild: Deutschland-Chef Dennis Balslev hatte angekündigt, nicht weiter auf Einrichtungstempel an Autobahnausfahrten zu setzen, wobei im kommenden Jahr in Karlsruhe noch ein weiterer, gewöhnlicher Ikea eröffnen wird. Es wird die 54. Ikea-Filiale in Deutschland. „Nicht mehr als genug, aber genug“, sagte Balslev kürzlich der WirtschaftsWoche. „Wir decken Deutschland jetzt ziemlich gut ab.“ In Zukunft will Ikea nun verhältnismäßig kleine Geschäfte mit stark verkleinertem Sortiment in zentraler Innenstadtlage eröffnen, wie jüngst in Paris, und die Beratung sowie den Aufbauservice und – natürlich – den Online-Handel stärken. Die „Möbel Kultur“ kommentiert mit Blick auf die Gefräßigen der Branche: „Genau dieses Hinterfragen bestehender Konzepte vermissen wir bislang bei den Möbelhandelsriesen.“ 

Ikea habe noch einen weiteren Vorteil gegenüber den meisten anderen Möbelhändlern, bemerkt IFH-Köln-Experte Uwe Krüger: Familiengeführte Möbelhändler „haben oft das Problem der fehlenden Nachfolge“. Ein Thema, über das Möbelunternehmer Frank Hofmeister aus Bietigheim-Bissingen gerne spricht. „Wir haben zwei in der Familie“ sagt er: sein Sohn Carl Friedrich Hofmeister (23) und der Sohn seiner Cousine, David Döller (24). „Die wollen. Und das ist das Wichtigste.“ Hat er auch schon mal Anfragen von den Branchengrößen erhalten wegen einer möglichen Übernahme? „Ach ja“, sagt Hofmeister, „da kommen immer mal wieder solche Briefe. Aber wir schicken dann immer freundliche Antworten, dass wir von dem Angebot keinen Gebrauch machen.“

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