Oliver Bialowons ist tief gefallen, tiefer als die meisten Manager. Der Chef des Möbelherstellers Hülsta hat sogar sein Leben riskiert, an jenem 17. September 2016, an dem der Mittelständler zum Familientag geladen hat. Da zwängt Bialowons seinen großen, schlaksigen Körper in einen schwarzen Einteiler, lässt sich aus einem kleinen Flugzeug in 4000 Meter Höhe fallen, kreist an einem rot-weißen Fallschirm gen Erde und landet vor dem Firmensitz. Ein Video der Aktion läuft im Hülsta-Sitz im Münsterland in Dauerschleife, so als wolle Bialowons seine Leute beständig an die Botschaft des Sprungs erinnern: „Wir müssen in Bewegung bleiben, uns ständig erneuern.“ Sonst droht dem angeschlagenen Unternehmen der Absturz – und kein Fallschirm verhindert den Aufprall.
Erst vor wenigen Tagen hat sich die Möbelbranche auf der wichtigsten deutschen Messe in Köln gefeiert. Dabei stecken viele Unternehmen in der Krise – und das, obwohl die Konjunktur boomt und die Deutschen wie nie in Häuser und Wohnungen investieren. „Gefühlt im Zwei-Wochen-Turnus gehen Hersteller insolvent“, sagt ein Branchenkenner. 2016 traf es etwa den Bettenbauer Bast aus dem Ruhrgebiet, die König Möbelwerke im rheinland-pfälzischen Beltheim und Domina Möbel aus dem Osnabrücker Land. Die Traditionsmarke Paschen, ansässig bei Lippstadt, ist gar zum zweiten Mal pleite gegangen. Eine Mischung aus Verantwortungslosigkeit, verpassten Chancen und Unwissen hat die Unternehmen in ihre missliche Lage gebracht – und einige könnten ihnen folgen.
Bialowons hat Platz genommen in seinem großen Büro, in dem ein tafelartig langer Tisch steht. Der ehemalige Neckermann-Manager arbeitet schon seit 2014 für Hülsta. Schon oft hat er seither das Lied gehört, wer angeblich allein schuld ist an der Misere der Branche: Mit EU-Mitteln hochgepäppelte Möbelfirmen aus Polen, die billig produzieren und immer mehr Schränke und Tische gen Westen exportieren. „Das Polen-Argument benutzen jene, denen die Courage fehlt, zur eigenen Unfähigkeit zu stehen“, geißelt er die heimischen Wettbewerber.
Welche Möbel die Deutschen wollen
Wenig gefragt sind hierzulande Esszimmermöbel. Nur 13 Prozent gaben an, in den nächsten Monaten neue anschaffen zu wollen.
Befragt wurden 810 Deutsche – Mehrfachnennung war möglich.
Auch die meisten Kinder gehen leer aus. Ebenfalls nur 13 Prozent wollen neue Kinderzimmermöbel kaufen.
16 Prozent haben keine genauen Pläne, was den Möbelkauf betrifft, wollen aber zulangen.
Wichtiger ist den Deutschen in diesem Jahr das Bad. Jeder Fünfte will hierfür neue Möbel erstehen.
Vier von zehn Deutschen wollen in den nächsten Monaten Möbel für ihre Küche kaufen.
36 Prozent planen neue Schlafzimmermöbel anzuschaffen.
Mehr als jeder zweite Deutsche will sein Wohnzimmer neu einrichten. 53 Prozent der Befragten gab an, neue Wohnzimmermöbel kaufen zu wollen.
Die Branche durchlitt schon in den Achtzigerjahren eine Krise – bis die Wiedervereinigung kam und mit ihr der Nachholbedarf der Ostdeutschen, der etliche Unternehmen rettete. „Die Wende war wie ein Konjunkturprogramm“, sagt Jan Paschen, 52, blonde Strubbelhaare, Kette um den Hals. Paschen hat die gleichnamige Traditionsfirma in der fünften Generation geführt, bis kurz vor der ersten Insolvenz 2015. Kurz nach der Wiedervereinigung hatte er im Osten Möbel verkauft: Die neuen Bundesbürger wollten massenhaft die Stücke haben, die im Westen schon seit Jahren standen, „Typ Gelsenkirchener Barock“, sagt Paschen. Rustikale Schränke aus Eiche, die Wände meterhoch.