Möbelkauf Es geht um Stil, Status und Weltläufigkeit

Ein Kunde schaut sich Musterküchen an Quelle: dpa

In der Coronazeit haben viele Menschen ihre Wohnungen neu eingerichtet und Möbelhändlern teils hohe Umsatzzuwächse beschert. Aber wie lange trägt der Cocooning-Trend die Branche?

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Modehändler leiden, Sportausstatter klagen, Warenhäuser schließen – keine Frage, die Coronakrise hinterlässt deutliche Spuren im Einzelhandel. Doch Möbelhändler kamen bislang vergleichsweise gut durch die Krise. „2020 kam es nach einem kurzen Einbruch zu einer regelrechten Rally im Möbelmarkt“, sagt Timo Renz, Branchenexperte der Unternehmensberatung Dr. Wieselhuber & Partner. 

Nach dem ersten Lockdown habe es zunächst einen Aufholeffekt gegeben. „Kunden, die ihre Einkäufe zunächst auf Eis gelegt hatten, strömten wieder in die Geschäfte“, so Renz. Durch den Ausfall von Urlaubsreisen und Besuchen in Restaurants hätten viele Haushalte ab Sommer mehr Geld zur Verfügung gehabt. Hinzu kam die vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer und der gestiegene Bedarf an Homeoffice-Ausstattungen. „Darüber hinaus spielte sicher auch das Thema Cocooning eine Rolle“, so Renz. 

Unter dem Begriff verstehen Trendforscher das Einigeln ins eigene Zuhause. Tatsächlich sei mit der Pandemie „das Zuhause zum wichtigen Hort der Stabilität geworden“, bestätigt Dirk Ziems vom Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Concept M. „Hier fühlt man sich geschützt, und hier erlebt man auf neue Weise den Wert der Familie.“ Allerdings greife ein Cocooning-Verständnis vom Zuhause als bequemen, passiven Rückzugsort zu kurz, so Ziems. Vielmehr sei die eigene Wohnung in Lockdownzeiten zum Aktivitäts- und Erlebnisraum umfunktioniert und zugleich wieder stärker ein „Repräsentationsort“ geworden, dessen Interieur „Stil, Status und Weltläufigkeit“ dokumentieren sollen. „Fitness-Geräte sind hoch im Kurs, in der Küche wird mit neuen Kochstilen experimentiert“, so Ziems. All das würde dazu beitragen, dass die Möbel- und Einrichtungsbranche auch 2021 weiter von der Corona-Pandemie-Lage profitieren dürfte, erwartet Ziems. 

von Henryk Hielscher, Stephan Knieps, Peter Steinkirchner

Wieselhuber-Experte Renz ist skeptischer. „Wenn die Läden wieder öffnen, wird es sicherlich einen gewissen Nachholeffekt geben“, prognostiziert Renz. Allerdings sei eine Wiederholung des Ausnahmejahres 2020 „schwer vorstellbar“. Die Konsumenten hätten ihre Sparraten hochgefahren, die Angst um die Folgen der Krise würden die Stimmung dämpfen. Und wenn die Menschen schon Geld in die Hand nehmen, „dann dürfte das Thema Urlaub auf der Wunschliste weit oben stehen“, sagt Renz. 

Auch der boomende Onlinehandel werde zunächst zwar weiter Marktanteile erobern, langfristig aber schwächere Wachstumsraten aufweisen, erwartet der Experte. „Gerade bei hochwertigen Produkten, ist die Bereitschaft gering, ausschließlich online zu bestellen“, so Renz. Ohne Planung und persönliche Beratung werde beispielsweise kaum jemand eine Küche ordern, die schnell mehr als 10.000 oder 20.000 Euro kostet. „Im E-Commerce gehören Mitnahmemöbel zu den Beststellern, sobald es um komplexere Projekte geht, kommt der Onlinehandel aber an seine Grenzen“, konstatiert der Experte.  

Mehr zum Thema: Seit Jahrzehnten beherrscht Ikea den deutschen Möbelhandel – nun nicht mehr. Online dominiert der Otto-Konzern, im stationären Handel XXXLutz, neue Nischenanbieter kommen hinzu. Doch die Schweden schlagen zurück.

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