„myBlu“ Tabakkonzern Reemtsma setzt auf die E-Zigarette

Rauchen wird elektronisch, der Trend setzt sich endgültig durch: Als letzter großer Tabakkonzern bringt Reemtsma eine E-Zigarette auf den Markt.

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MyBlu: Reemtsma setzt auf die E-Zigarette Quelle: dpa

Hamburg Die elektronische Zigarette ist längst nicht mehr neu, aber ihr eigentlicher Siegeszug steht erst noch bevor. So sieht es Michael Kaib, Chef des zweitgrößten deutschen Tabakkonzerns Reemtsma in Hamburg. „In wenigen Jahren werden Produkte der nächsten Generation, die der Gesundheit weniger schaden, vielleicht ein Drittel des Marktes ausmachen“, sagt Kaib. Das wäre ungefähr der zehnfache Marktanteil von heute.

Gleichzeitig bröckelt der Markt für herkömmliche Tabak-Zigaretten vor sich hin und verliert Jahr um Jahr ein oder zwei Prozent. Aber er ist noch lange nicht tot. „Herkömmliche Zigaretten werden noch viele Jahre das Kerngeschäft bleiben und die notwendigen Investitionen in die Produkte der nächsten Generation ermöglichen“, heißt es beim Reemtsma-Konkurrenten BAT. Das sieht die gesamte Branche so.

Bislang sind nur drei Prozent der verkauften Rauch-Produkte in Deutschland E-Zigaretten in verschiedenen Varianten, doch die Wachstumsraten sind beeindruckend: Allein im vergangenen Jahr lag das Umsatzplus bei mehr als einem Drittel auf rund 600 Millionen Euro. „Wir leben in einer Transformationsphase“, sagt Kaib. „Das Konsumentenverhalten definiert sich neu und gesundheitsbewusster. Der Raucher hat künftig die Wahl zwischen Produkten mit und ohne Tabak und sogar mit und ohne Nikotin.“

Aber es ist auch eine gefährliche Zeit für Traditionskonzerne wie die Reemtsma-Muttergesellschaft Imperial Brands oder die Tabakriesen Philip Morris und British American Tobacco (BAT). Wenn technologische Umbrüche die Warenwelt verändern und das Verhalten der Verbraucher sich wandelt, können ganz neue Spieler im Markt nach vorn kommen und die etablierten Platzhirsche mit innovativen Produkten verdrängen.

Das wollen diese natürlich nicht zulassen und die neu entstehenden Märkte selbst besetzen. „Wenn sich die Nachfrage ändert, müssen wir die richtigen Produkte anbieten“, sagt Kaib. „Das ist die Aufgabe des Markenartiklers, hohe Standards zu setzen und zu erfüllen.“

Rund 19 Millionen Menschen in Deutschland rauchen – sie sind die Zielgruppe für das neue Reemtsma-Produkt „myBlu“. Bislang ist das kleine schwarze Gerät mit zunächst sechs Aroma-Geschmacksrichtungen nur in Berlin, München und Hamburg zu kaufen. Der große Rollout für ganz Deutschland kommt im Herbst. „Unser Ziel ist es, die führende E-Zigaretten-Marke in Deutschland zu werden“, sagt Kaib. Geliefert wird das Produkt von der Konzernmutter aus Großbritannien. In den USA, wo die E-Zigarette schon verbreiteter ist als in Europa, rangiert die Marke unter den Top 3.

Ausreichende Investitionsmittel für die große Schlacht stehen bereit. Der Zigarettenmarkt ist und war trotz hoher Steuern, Werbeverboten, Schmuggel und abschreckenden Bildern auf den Packungen noch immer sehr lukrativ. Reemtsma hat im vergangenen Jahr bei einem Nettoumsatz von 1,8 Milliarden Euro ein operatives Ergebnis von rund 440 Millionen Euro erreicht und seinen Marktanteil ausgebaut.

Mit Produkten wie „John Player Special“, „Gauloises“ oder „West“ und einigen mehr rangiert Reemtsma damit auf Platz zwei im deutschen Markt hinter Philip Morris mit seiner Frontmarke „Marlboro“. „Wir sind als Reemtsma erfolgreich unterwegs und haben unseren Marktanteil auf über 22 Prozent gesteigert“, sagt der Chef. „Das wollen wir in diesem Jahr fortsetzen.“

Der deutsche Marktführer Philip Morris setzt mit seinem Tabak-Heizsystem „Iqos“ auf eine etwas andere technische Lösung, bei der Tabak erhitzt, aber nicht verbrannt wird. Die Produkte „myBlu“ von Reemtsma und „Vype“ von BAT sind dagegen klassische E-Zigaretten, die Flüssigkeiten (Liquids) aller Geschmacksrichtungen verdampfen.

Dazu tummeln sich in dem Markt zahlreiche kleinere Anbieter und Newcomer, die ebenfalls um ihren Teil am Kuchen kämpfen. „Iqos“ ist seit einem Jahr auf dem Markt, „Vype“ noch länger. Reemtsma ist eine Art Nachzügler auf dem deutschen Markt. „Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt, um auf den Zug aufzuspringen“, ist Kaib überzeugt. „Der Markt hat jetzt die richtige Größe, um zu investieren.“

Die Branche wünscht sich öffentlichen Rückenwind für die E-Zigarette, auch von der Politik. Ihr Argument: Die E-Zigarette ist weniger gefährlich für die Gesundheit und verdient damit Unterstützung, da sie keinen Tabak enthält. Je mehr Raucher von Tabak- auf E-Zigaretten umsteigen, desto besser, auch für das Gesundheitssystem. Tatsächlich sieht eine überwiegende Zahl der vorliegenden Studien gesundheitliche Vorteile für die E-Zigarette gegenüber einer herkömmlichen. Einhellig ist diese Meinung aber nicht, es gibt auch Skeptiker. Sie verweisen vor allem auf fehlende Langzeiterfahrungen mit E-Zigaretten.

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