Nach Görtz & Co. Schuhhändler Salamander und Klauser gehen ins Schutzschirmverfahren

Der Schuhhändler Salamander hat ein  Schutzschirm-Insolvenzverfahren beantragt. Quelle: imago images

Schuhkonzern Ara zieht die Reißleine und schickt die Einzelhandelstöchter Klauser und Salamander in die Schutzschirm-Insolvenz. Es ist nicht die erste Krise für den Traditionshändler mit der legendären Werbefigur Lurchi.

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In ihrem jüngsten Abenteuer erkunden Lurchi und seine Freunde eine Tropfsteinhöhle nicht weit von Molchhausen. Sie entdecken neue Gänge, wagen sich immer weiter vor ins Höhlenlabyrinth und verlieren schließlich die Orientierung. „Ich glaube, wir haben uns verirrt“, muss Lurchi zerknirscht zugeben. 

Kaum anders erging es zuletzt wohl den „Machern“ von Lurchi: Der Schwanzlurch ist der legendäre Werbeheld des Schuhherstellers Salamander, der zur Ara-Gruppe gehört. Seit 1937 das erste Lurchi-Heft erschien, haben die Comicgeschichten um die Erlebnisse des Feuersalamanders Generationen von Kindern mit dem Besuch eines Schuhladens versöhnt. Nun aber ist ungewiss, wie viele Salamander-Schuhläden es in Zukunft noch geben wird. Nach Informationen der WirtschaftsWoche hat der Mutterkonzern Ara die Töchter Klauser und die Einzelhandelssparte von Salamander in die Schutzschirm-Insolvenz geschickt. Betroffen hiervon sind 93 Filialen in Deutschland mit insgesamt etwa 950 Vollzeitstellen. 

Bei der auf Sanierung ausgerichteten Insolvenzvariante übernimmt ein gerichtlich bestellter Sachwalter die Aufsicht über die Rettungsmission, während die Unternehmensführung weiterhin die Kontrolle behält, aber von externen Sanierungsexperten beraten wird.

Die hohe Inflation drückt auf die Konsumlaune – und auf die Geschäftslage des Schuhhändlers Görtz. Hinzu kommen hohe Schulden und operative Altlasten. Jetzt will sich das Unternehmen im Schutzschirmverfahren sanieren.
von Henryk Hielscher

Im Fall von Salamander und Klauser wurde nach Informationen der WirtschaftsWoche der Jurist Christian Holzmann von der Kanzlei CMS Hasche Sigle zum vorläufigen Sachwalter bestellt. Die Frankfurter Restrukturierungsexperten Sven Tischendorf und Alexander Höpfner sollen die operative Sanierung leiten und ziehen in die Geschäftsführungen ein. Der Geschäftsbetrieb der insgesamt 93 Filialen von Klauser und Salamander soll uneingeschränkt weiterlaufen. Die Löhne und Gehälter der Beschäftigten in Deutschland sind für die Monate Dezember 2022 sowie Januar und Februar 2023 gesichert, heißt es offiziell. 

Die Ara-Gruppe, zu der neben Salamander weitere Filialkonzepte sowie der gut laufende Schuhhersteller Lloyd gehören, kämpft spätestens seit der Coronapandemie mit Gegenwind im Einzelhandel.

Im Ara-Konzernabschluss für das Geschäftsjahr 2020 weist das Unternehmen einen Bilanzverlust von knapp 36 Millionen Euro aus. Der Umsatz ging coronabedingt um 190 auf 413 Millionen Euro zurück. „In einem aufgrund der Corona-Krise höchst schwierigen Marktumfeld musste der Ara-Konzern im abgelaufenen Geschäftsjahr enorme Verluste hinnehmen“, heißt es denn auch im Zahlenwerk. Von einem „massiven negativen Einfluss der weltweiten Corona-Schutzmaßnahmen auf die Geschäftsaktivitäten des Konzerns“ ist darin die Rede. Auch für 2021 sei kaum mit einer Besserung zu rechnen. „Eine Normalisierung wird erst für das Jahr 2022 und ein vollständig „Corona-freies“ Geschäftsjahr erst im Jahr 2023 erwartet“, wurde in der Bilanz vermerkt.

„Schlechte Autojahre sind gute Schuhjahre“

Doch von der erwarteten Normalisierung war 2022 wenig zu spüren. Stattdessen ist bei Salamander nun von einer erheblichen „Eintrübung des wirtschaftlichen Umfelds“ durch den Ukrainekrieg die Rede. Diese habe zu einer Kaufzurückhaltung geführt. Ziel sei es nun, die betroffenen Gesellschaften nachhaltig auf die neuen Marktgegebenheiten auszurichten.

„Die Corona-Pandemie hat in den vergangenen gut zwei Jahren den Einzelhandel bereits massiv belastet“, wird Sanierer Tischendorf in einer Pressemitteilung zitiert. „Nun kommen in Folge des Ukrainekriegs steigende Energiekosten, hohe Inflation und eine erhebliche Eintrübung des konjunkturellen Umfelds hinzu.“ Darauf reagiere man mit dem Schutzschirmverfahren. „Der Weg des Schutzschirmverfahrens wurde gut vorbereitet und bewusst gewählt. Wir werden sehr zügig auf alle Beteiligten – insbesondere natürlich Mitarbeiter, Lieferanten und Geschäftspartner – zugehen“, ergänzt Höpfner. 

Der konjunkturelle Gegenwind trifft nicht nur Salamander. Im September hat bereits die Schuhhandelskette Ludwig Görtz Insolvenz in Eigenverwaltung angemeldet und will nun bundesweit zahlreiche Standorte schließen. Der angeschlagene Anbieter Reno konnte nur über einen Notverkauf die Insolvenz vermeiden.

Der Schuhhandel leide derzeit unter hohen Mieten und einer gewissen Uniformität der Handelsketten, sagt Claudia Schulz vom Bundesverband der Schuh- und Lederwarenindustrie. Die Konsumenten würden sich vielerorts mehr Abwechslung im Sortiment wünschen. Insgesamt sei die Lage aber gar nicht so schlecht, sagt Schulz und verweist auf Marktdaten, nach denen die Zahl der Beschäftigten in der Branche zuletzt wieder gestiegen ist. 

Auch die hohe Inflationsrate hätte nur wenig Einfluss auf den Absatz. Im Gegenteil: Um zu sparen, würden Verbraucher eher auf größere Anschaffungen verzichten und sich im Alltag schon mal mit kleineren Luxusartikeln belohnen. „Schlechte Autojahre sind gute Schuhjahre“, formuliert es Schulz.

Für Ara und Salamander stellt sich die Lage allerdings weitaus weniger positiv dar, zumindest im Handelsbereich. Der größte Teil der Ara-Gruppe sei von dem Schutzschirmverfahren allerdings unbetroffen, teilt das Unternehmen mit. Dies gelte etwa für die bekannten Marken Ara Shoes und Lloyd. „Auch die Kinderschuhmarke Lurchi sowie die Handelsmarke Salamander sind nicht Teil des Schutzschirmverfahrens – es bezieht sich lediglich auf das Filialgeschäft von Salamander.“ Das blickt auf eine lange Tradition zurück. 

Neuausrichtung unterm Schutzschirm 

1885 eröffnete der junge Schuhmachermeister Jakob Sigle in Kornwestheim seine eigene Schuhmacherwerkstatt, aus der später die „Salamander Schuhgesellschaft“ hervorgehen sollte. Das Unternehmen wuchs, 1937 erschien das erste Lurchi-Heft und eroberte die Kinderherzen. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann das Unternehmen 1949 wieder damit, Kinderschuhe zu fertigen. Salamander prosperierte in den Wirtschaftswunderjahren, sah sich ab den 1970er-Jahren allerdings deutlich stärkerem Konkurrenzdruck ausgesetzt. Im Jahr 2000 übernahm schließlich der Energieriese EnBW den Schuhproduzenten und verkauft ihn 2003 an die Firma Garant Schuh & Mode, die 2004 Insolvenz erklärte.

Wenig später wurde Salamander an den Luxuskonzern Egana Goldpfeil weitergereicht, zu dem damals auch Marken wie Carrera oder Joop gehören. Doch die Situation von Egana Goldpfeil verschlechterte sich mit dem Tod des Firmengründers Hans-Jörg Seeberger rapide. Im Herbst 2008 war der Schmuck- und Mode-Konzern endgültig am Ende. Der Schuhhersteller Ara erwarb Salamander Anfang 2009 von der insolventen Europa-Holding von Egana-Goldpfeil. Seither liegen die Markenrechte an Salamander und der Werbefigur „Lurchi“ bei Ara. Sogar eine eigene Lurchi-Kinderschuhmarke wurde entwickelt, die bisher allen Krisen trotzt.


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In ihrem Höhlenabenteuer finden Lurchi und seine Freunde übrigens – nicht ganz überraschend – doch noch einen Ausweg aus der misslichen Lage. Sie folgen einer Krümelspur, die Lurchis Kumpel Mäusepiep beim Vertilgen des gemeinsamen Proviants hinterlassen hat und finden so den Weg zurück. Bei Salamander dürfte die Rettung nun allerdings etwas schwieriger werden. 

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