Nach Vorschlag der Union „Ein Bärendienst“: Der Handel will keine Paketabgabe

Paketflut: Online-Händler sind die großen Gewinner in der Coronakrise. Quelle: dpa

Online-Händler wie Amazon sind die großen Gewinner in der Coronakrise. Dagegen leiden die Geschäfte in den Städten besonders. Zum Ausgleich schlagen Politiker nun eine Paketabgabe vor – und stoßen auf Widerstand.

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Mitten im Weihnachtsgeschäft sorgt eine Initiative aus der CDU für Aufregung. Die Idee: Eine Abgabe für Pakete, die Online-Händler an ihre Kunden versenden. Damit soll ein „Innenstadtfonds“ finanziert werden, der dem stationären Einzelhandel zugute kommen soll. Dieser ist von der Corona-Pandemie mit den Ladenschließungen besonders getroffen. Der Koalitionspartner SPD unterstützt den Vorschlag. Die FDP und vor allem der Einzelhandel selbst sind wenig begeistert.

Das Positionspapier „Pakt für lebendige Innenstädte“ aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion stammt vom stellvertretenden Vorsitzenden Andreas Jung und dem kommunalpolitischen Sprecher Christian Haase. Sie setzen sich dafür ein, eine Paketabgabe für den Online-Handel einzuführen, „die sich in der Höhe proportional nach dem Bestellwert richtet“.

„Die Abgabe wird beim Online-Händler erhoben und von ihm an das Finanzamt abgeführt. Mit den Einnahmen daraus wird der Online- Handel an den Kosten von ihm genutzter kommunaler Infrastrukturen beteiligt“, heißt es in dem Forderungskatalog, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Zuvor hatte die „Welt am Sonntag“ darüber berichtet.

Jung und Haase begründen die angeregte Abgabe, für die sie keine konkreten Zahlen nennen, mit der „Schieflage gegenüber dem stationären Einzelhandel“, die dadurch beseitigt werden könne. Die Händler mit den Ladengeschäften in den Straßen trügen schon heute mit ihren Steuern erheblich zum Gemeindehaushalt bei. Das eingenommene Geld wollen die beiden CDU-Politiker „in vollem Umfang zur Stärkung eines vielfältigen Einzelhandels in lebendigen Innenstädten“ einsetzen.

Einspruch kommt umgehend vom Handelsverband Deutschland (HDE). Im Verhältnis zum internationalen Online-Handel gehe es vor allen Dingen um einen fairen Wettbewerb. „Dazu braucht es keine neuen Steuern auf Pakete, sondern bessere Kontrollen, um sicherzustellen, dass auch bei Lieferungen aus Fernost unsere hiesigen Regelungen für Produktsicherheit und Steuerzahlungen eingehalten werden“, sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.

„Eine Paketsteuer träfe auch viele heimische Online-Händler, die korrekte und pünktliche Steuerzahler sind“, argumentierte Genth. „Zudem wäre das ein Bärendienst gegenüber dem Drittel der stationären Händler, die sich ein Online-Standbein aufgebaut haben.“ Diese Unternehmen steigerten ihre Online-Umsätze bereits deutlich und nutzten dabei auch große Internet-Plattformen. „Die Zukunft des Handels liegt in der Kombination aus online und stationär vor Ort“, fasste Genth zusammen. Es helfe nicht weiter, die Vertriebskanäle gegeneinander auszuspielen.

Für die oppositionelle FDP wäre eine Paketsteuer „ein neues Bürokratiemonster“. Wichtiger sei es vielmehr, dem Einzelhandel „eine klare und verlässliche Öffnungsperspektive für das nächste Jahr“ zu geben, sagte FDP-Fraktionsvize Michael Theurer. Während des Shutdowns sollte bundesweit allen Einzelhändlern erlaubt werden, dass Kunden Ware abholen dürfen, verlangte er.

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Für die SPD äußerte sich Fraktionsvize Achim Post positiv zu dem Unionsvorschlag: „Eine Art Corona-Abgabe von Online-Händlern wie Amazon kann ein Baustein für mehr Gerechtigkeit in der Krise sein und den Einzelhandel vor Ort konkret unterstützen.“ Eine solche zusätzliche Besteuerung des Online-Handels könne aber „kein Ersatz für eine grundlegend gerechtere Besteuerung der Internet-Giganten sein“. Deren Macht drohe in der Krise weiter zu wachsen.

Im Boom des Internet-Vertriebs wachsen auch Sorgen um die Situation der Beschäftigten. Seit 2008 hat sich die Zahl der Beschäftigten im Versandhandel von 60 022 auf 161 331 im März 2020 nahezu verdreifacht. Das mittlere Einkommen der im Versandhandel voll Beschäftigten lag im vergangenen Jahr nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit bei 2663 Euro brutto pro Monat - und somit um 738 Euro niedriger als über alle Branchen hinweg. Das geht aus einer Antwort der Bundesagentur auf eine Anfrage der Linken im Bundestag hervor.

Jeder dritte Vollzeitbeschäftigte im Versandhandel arbeitete demzufolge zum Niedriglohn mit weniger als zwei Drittel des mittleren Gehalts, verdiente also weniger als 2267 Euro brutto im Monat. Der Anteil der Niedriglohn-Beschäftigten lag fast 15 Prozentpunkte höher als bei den Beschäftigten insgesamt.

Die Arbeitsverhältnisse, die im vergangenen Jahr im Versandhandel begonnen wurden, waren laut Bundesagentur zu rund 60 Prozent befristet. Über alle Branchen hinweg waren dies nur 40,7 Prozent. Zudem arbeiteten noch im März fast 29 000 Versandhandelsbeschäftigte als Minijobberinnen und Minijobber.

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