Nachhaltiger Erfolg „Marken sind gekaufte Erinnerungen“

Christian Rätsch Quelle: PR

Einige Marken begleiten uns ein Leben lang, andere sind nach kurzer Zeit verschwunden. Agenturchef Christian Rätsch spricht im Interview über Kindheitserinnerungen an Dolomiti-Eis – und erklärt, warum Marken scheitern.

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Zur Person: Christian Rätsch ist CEO der Kreativagenturen Saatchi & Saatchi sowie Leo Burnett und sitzt im Leadership Team der Publicis Groupe Germany. Der Marken- und Digitalexperte war zuvor bei der Beratung Batten & Company, dem IT-Player T-Systems und der Deutschen Telekom in unterschiedlichen Executive Managementfunktionen tätig.

Herr Rätsch, für welche Marke haben Sie eigentlich Ihr erstes Taschengeld ausgegeben?
Christian Rätsch: Die Lovebrand meiner Jugend war das Langnese-Eis Dolomiti. Ausgestattet mit den kostbaren 50-Pfennigstücken für gut gemachte Hausaufgaben ging es regelmäßig mit dem BMX-Rad zum Büdchen, um dort die Belohnung abzuholen. Dieses Eis verbinde ich mit Freiheit und einer unbeschwerte Kindheit – und damit, dass man immer an der Bergspitze begann zu knabbern, um sich dann über Himbeere zum Höhepunkt, dem süßen Waldmeister, vorzuarbeiten. Dass die Farben für Italien stehen und der Name für die Dolomiten, habe ich damals nicht verstanden. Aber ein Eis mit drei Geschmacksrichtungen war eine Innovation.

Dennoch stellte Langnese die Marke ein…
Ja, als das Eis 1987 aus dem Sortiment genommen wurde und Langnese mit neuen Premiumsorten die Eiskarte füllte, war der Schock groß, denn das Eis gehörte zur Selbstbelohnungsroutine meiner Jugend. 1995 kam Dolomiti zwar mit veränderten Geschmacksrichtungen für eine nur kurze Zeit zurück auf den Markt, aber es enttäuschte  auf ganzer Linie. Es dauerte bis 2014, bis die Markenmacher erkannten, wieviel Markenkraft und Fangemeinschaft in Dolomiti steckt. Heute ist immer eine Packung Dolomiti in unserem Tiefkühlschrank, und das Eis schmeckt nicht nur meinen vier Kindern hervorragend.

Es geht also um mehr als um ein Eis?
Ja, Dolomiti beweist, dass Lovebrands neben Bekanntheit auch eine emotionale Bindungskraft besitzen. Marken sind mitunter gekaufte Erinnerungen und leben von den Vorstellungen und persönlichen Sehnsüchten der Menschen. Einmal geliebt, geben Marken nicht nur Orientierung, sondern sie entfalten Bindungskraft. Im Bestfall entsteht Loyalität jenseits der Vernunft und Kunden werden zu Botschaftern ihrer Lieblingsmarke – so wie ich.

Bei Dolomiti hat es am Ende offenbar funktioniert, allerdings erst im zweiten Anlauf – und bei manchen Marken zündet es nie. Warum nicht?
Marken investieren heute viel Geld, um sich vom Wettbewerb zu unterscheiden. Es wird Energie aufgebracht, anders zu sein – oder zumindest zu scheinen –, als vergleichbare Produkte und Lösungen. Die Produkte werben daher mit  „weißer, bunter, natürlicher, schneller, originaler“ – ein großer Brei von Superlativen, mit denen Marken um die Gunst der Kunden ringen. Im Wettlauf der Unterscheidbarkeit verpassen viele Unternehmen jedoch die wichtigste Herausforderung von nachhaltigem Markenerfolg: die emotionale Bindungskraft eine Marke. Erfolgreiche Marken spielen im Leben der Menschen eine Rolle. Sie überreden Menschen nicht, gekauft zu werden. Menschen schließen sich freiwillig den Marken an, weil sie die Beziehung zur Marken wollen. Die emotionale Bindungskraft einer Marke ist also der echte Wettbewerbsvorteil einer Marke.

Können Sie das konkreter machen?
Edeka spricht von „Wir leben Lebensmittel“ statt einem Regal voller Angebote; R+V Versicherung verkauft keine Police, sondern verspricht „Du bist nicht allein“; Hornbach feiert die persönlichen Projekte und zeigt in der Werbung „Schaff Dir Platz“, wie es geht, einen eigenen Wohlfühlplatz im Garten zu schaffen; und die Telekom feiert die emotionale Verbindung der Menschen mit „Erleben was verbindet“ statt Tarifverwirrung zu schüren.

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