Nachhaltiger Erfolg „Marken sind gekaufte Erinnerungen“

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Nerven Marken?

Marken sind heute auf allen Kanälen unterwegs, mit Werbung in Magazinen, im Fernsehen, bei TikTok und auf Instagram – laufen sie da nicht Gefahr, die Verbraucher schlicht zu nerven?
Heute haben Marken durch die Digitalisierung völlig neue Voraussetzungen. Wir leben im Always-on Zeitalter und Marken können mit ihren Kunden interagieren, immer zur Stelle sein und in das persönliche Umfeld vordringen. Diese Distanzlosigkeit ist Chance und Risiko für Marken zugleich. Wenn sie nach dem alten Muster der Penetration vergleichbar einem digitalen Stalking verfahren, werden sie ihre Fans verlieren und von neuen Kunden ignoriert. Wenn sie jedoch Menschen befähigen, im Leben bereichern und eine Rolle im Leben der Menschen spielen, dann gewinnen sie.

Kommunikation ist daher enorm unter Druck, die Möglichkeiten der Individualisierung und Personalisierung im digitalen Raum nicht zu missbrauchen, sondern immer wieder die Grundfragen zeitgemäßer Markenkommunikation zu stellen: Schaffe ich Help me- oder Entertain me-Kommunikation? Kommunikation wirkt heute nur noch markenbildend, wenn sie aus sich heraus ein Mehrwert bzw. Service wird.

Warum gelingt das manchen Marken über Jahrzehnte – und andere sind schon nach kurzer Zeit wieder vergessen?
Eines ist sicher: Marken haben dauerhaft nur eine Chance bei den Kunden, wenn sie im Leben der Menschen eine Rolle spielen. Die meisten Marken in Deutschland sind belanglos und sind aus Sicht der Konsumenten austauschbar. Es fehlt die Bindungskraft, die Marken sich aber nicht kaufen können. Sie müssen sich die Loyalität der Menschen verdienen. Wichtig: Erfolgreiche Marken überzeugen, statt zu überreden.

Dabei ändert sich der Bewertungsmaßstab der Kunden zu ihren Marken. Waren in den 80er Jahren eher „Operations“, also die Zuverlässigkeit von Produkt und Service wichtig, sind es heute das Engagement, die Unternehmenshaltung und die Integrität einer Marke. Menschen schließen sich freiwillig einer Marke an, wenn sie gemeinsame Werte teilen.

Nehmen wir die Marke Merci. Wurde sie früher über Produktmerkmale der Schokolade positioniert, ist sie heute ein Statement. In Zeiten, in denen Qualität und Produktauswahl scheinbar austauschbar sind, zählt Haltung.

Was haben Marken, die es geschafft haben, seit Jahrzehnten relevant und gefragt zu bleiben, gemeinsam?
Nehmen wir einmal die Marken Kölln Haferflocken, Nutella, Pampers oder Nivea. Sie alle sind fester Bestandteil der Einkaufswagen – gestern wie heute. Denn diese Marken haben es in die Routinen der deutschen Haushalte geschafft. Sie stehen auf dem Frühstückstisch, wir greifen morgens als erstes und abends als letztes zu diesen Marken. Wir teilen eine persönliche Beziehung mit den Marken, sie genießen aus Erfahrung unser höchstes Vertrauen. Wir sind nicht immer einverstanden mit den Marken, aber wir verzeihen ihnen kleinere Fehltritte, denn wir schenken ihnen unsere Loyalität.

Alle diese Erfolgsgeschichten haben gemeinsam, dass sie Ausdauer und Bewahrungskräfte hatten. Sie haben ihre Marken gepflegt und durch Kontinuität eine Vertrautheit geschaffen. Diese Marken sind sich treu geblieben, jedoch ohne den Zeitgeist zu vernachlässigen.

Das gilt für die Gestalt der Marken, die sicherlich immer wieder eine zeitgeistige Überarbeitung bedarf, in der Selbstähnlichkeit aber für Stabilität stehen.

Das gilt aber auch für den Markenkern, die inhaltliche Bestimmung einer Marke. Denken wir an Menschen mit einer Bestimmung – sie haben Ausdruck und scheinen charismatisch…

…wie James Bond?

Ja, genau - die Zeit zeigt, dass die Bestimmung der Marke 007 stabil geblieben ist: Ein charmanter Held rettet die Welt. Aber die Geschichten haben sich der Zeit angepasst. Die jeweilige Weltbedrohung passt ins Zeitgeschehen, „M“ ist weiblich geworden und „Q“ kommt plötzlich aus der Generation Z. Erfolgreiche Marken schaffen die Spannung zwischen Zeitgeist und Tradition.

Die Bekanntheit einer Marke allein schützt nicht vor Misserfolg oder Absturz – was sind die größten Fehler, die Marken und ihre Macher begehen können?
Da Marken von der Reputation in den Köpfen der Menschen leben, ist die Entfernung von den Markenfans die größte Gefahr. Marken werden getragen von ihren Fans, sie bilden das Rückgrat des Wachstumserfolges. Jedoch können Marken überdehnt werden, dann schwindet auch die Loyalität.

LEGO ist ein Beispiel für Markenüberdehnung und Rückbesinnung auf die eigentliche Bestimmung. 2003 verzeichnet LEGO einen Rekordverlust von 188 Millionen und schrumpfende Umsätzen. Mit Funparks oder High-Tech Spielzeug verloren die Markenmacher aus den Augen, wofür die Marke steht: kreatives Lernen. Eine Rückbesinnung rettete die Marke.

Sicherlich eine der bekanntesten Marken der Vergangenheit ist der Brockhaus. Er war die herrschende Meinung, das Volkswissen und der Schiedsrichter an den Esstischen der Familien, wenn es um Recht und Unrecht ging. Doch das 21 Kilogramm schwere Lexikon hat seine Markenbestimmung nicht verstanden und wurde daher von Google überrollt. Hier war sicherlich vornehmend die Technologie der Grund für das Markensterben. Aber die Marke hätte mit seiner richtig verstandenen Bestimmung einen Relevanzraum finden können.

Neben Technologie fehlt es Marken oft an Klarheit für ihre Bestimmung. Nehmen wir den Handel. Hier sind Marken wie EDUSCHO, Hertie, Neckermann, Horten, Max Bahr, Kaiser´s, Plus oder Spar sicherlich Opfer von Konsolidierung und der M&A-Welle geworden. Aber hätten sie im Leben der Menschen eine Rolle gespielt, hätten Investoren sie bewahrt.

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