Neue Produkte Amazon lässt den Roboter los

Amazon hat nun einen Heimroboter namens Astro im Angebot. Quelle: Amazon

Der Online-Handelsgigant versucht sich jetzt auch als Hersteller von Heimrobotern. Die Materialschlacht mit Google und Apple ist in vollem Gange – trotz Chipkrise.

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Das Jahr 2020 wurde zur Jahrhundertwende gern von Zukunftsforschern für ihre Visionen bemüht. Es klang so schön und gleichzeitig so weit weg. Nun sind wir in der vielbeschworenen Dekade angekommen. Von den prognostizierten Heimrobotern, die uns die häusliche Arbeit abnehmen, ist wenig zu sehen, ausgenommen Staubsaugerroboter à la Roomba. Auch der intelligente Kühlschrank, der nicht nur seinen Inhalt kennt, sondern über ein in die Tür eingelassenes Display zur Kommunikationszentrale der ganzen Familie wird, hat sich nicht durchgesetzt.

Amazons Hardware-Chef Dave Limp, ganz Optimist, sieht das als unerschlossenes Potential. Am Dienstagmorgen US-Westküstenzeit hat Limp nicht nur Amazons neueste Hardware für das nahe Weihnachtsgeschäft vorgestellt, darunter Echo-Show-Displays, Fitness-Armbänder mit Display, Überwachungskameras, eine Video-Türklingel und ein verbessertes Wlan-System nach dem Wifi-6-Standard. Sondern auch präsentiert, was noch so in seinen Labors entwickelt wird.

Darunter ein Heimroboter namens Astro. Das wadenhohe Gefährt sieht wie ein Staubsaugerroboter aus, auf dem ein Display befestigt wurde, nebst einer Kamera, die sich wie ein Periskop ausfahren lässt. Mit seiner Gestalt, verstärkt durch die runden Kreise auf seinem Display, die Augen darstellen sollen, erinnert Astro an den Wall-E Roboter des gleichnamigen Pixar-Streifens. Die „Augen“ wurden integriert, weil laut Amazon-Forschung fast alle Befragten sich diese wünschten.

Wie ein Staubsaugerroboter kann Astro selbständig durch die Wohnung kurven, als Wächter agieren und über eine Art Becherhalter Gegenstände transportieren. Was er noch kann, außer vielleicht Angehörige und Haustiere überwachen beziehungsweise terrorisieren, darüber schweigt sich Amazon noch aus – Bügeln und Kochen augenscheinlich nicht. Der Roboter ist ein Versuchsballon, ein sogenanntes „Day One Edition“-Produkt. Amazon-Manager Charlie Tritschler, der im Silicon Valley sitzt und dem das Projekt untersteht, ist jedenfalls fest davon überzeugt, dass es in den nächsten fünf bis zehn Jahren Heimroboter geben wird. Dass Amazon dabei von der Partie sein wird, zeigt sich auch darin, dass Astro tatsächlich noch in diesem Jahr in den USA ausgeliefert werden soll, zum Preis von 1000 Dollar.

Hardware-Chef Limp verspricht, dass es noch weitere Versionen geben wird, die noch „klüger und leistungsfähiger sind“. Wahrscheinlich wird Amazon wie viele Tech-Konzerne dafür die Fantasie von frühen Anwendern nutzen. Deutsche Interessenten müssen sich gedulden. Astro ist „sozusagen heiß aus dem Labor“, dämpft Philipp Berger, Deutschlandchef für den Sprachassistenten Alexa, die Erwartungen.

In diesem Weihnachtsgeschäft lieferbar ist jedoch ein Gerät, das an die Vision der Kommunikationszentrale in der Küche erinnert. Der Echo Show 15 ist ein gut 15 Zoll (rund 40 Zentimeter) großes Display, das entweder vertikal oder horizontal an die Wand gehängt oder via Standfuß aufgestellt werden kann. Das Tablet soll das übernehmen, was in vielen Familien über Kühlschrankmagnete, Whiteboards oder Notizzettel organisiert wird – eine Art schwarzes Brett, das Arzttermine, Müllkalender, Rezepte, Speisepläne und Wetter anzeigt. Zudem dient der Schirm als Fernseher und als Schaltzentrale fürs smarte Haus. Damit es ästhetisch schöner wirkt, ist der Echo Show 15 wie ein Bilderrahmen gestaltet, der auch einfach nur Fotos anzeigen kann. Störend ist nur das Kabel, mit dem das Gerät an die Steckdose angeschlossen wird.



Auch lassen sich Notizen anzeigen, die nur für bestimmte Familienmitglieder gedacht sind. Dafür hat Amazon die sogenannte visuelle ID entwickelt, die den jeweiligen Nutzer identifiziert. Amazon hat aus den Datenschutz-Kontroversen mit seinem Assistenten Alexa offenbar gelernt. Bei den neuen Geräten, die mit dem selbst entwickelten Prozessor namens AZ2 Neural Edge ausgerüstet sind, findet die Sprach- beziehungsweise Gesichtserkennung lokal auf dem jeweiligen Gerät statt. So wie es inzwischen Apple und Google auch bei ihren Smartphones handhaben. Die Sprachbefehle und die Daten zur Gesichtserkennung werden dadurch nicht mehr via Internet übertragen und im Rechenzentrum verarbeitet, verspricht Amazon. Unklar ist, wie es die Güte der Spracherkennung verschlechtert. Genauso ungeklärt ist die Frage, ob die lokale Verarbeitung wirklich Menschen, die sich vor Eingriffen in die Privatsphäre durch digitale Assistenten fürchten, beruhigt.

Für Amazon-Anleger wichtig: Der Online-Handelsgigant macht sich über seine Alexa-Geräte nicht nur immer stärker im vernetzten Haushalten breit, sondern expandiert auch in den Gesundheitsmarkt, über seine Halo-Fitnessbänder und in den USA über einen neuen Halo-Fitnessdienst, der die Daten der tragbaren Geräte fürs Training nutzt. Damit kollidiert Amazon nicht nur mit Google, sondern vor allem mit Apple, dessen Chef Tim Cook ebenfalls diese Wachstumsmärkte für sein Imperium erschließen will.

Der Unterschied ist, dass Amazon mit Kampfpreisen den Markt aufmischt. Die Kommunikationszentrale Echo Show etwa soll in Deutschland für 249 Euro angeboten werden. Das günstigste iPad von Apple kostet 379 Euro. Im Gegensatz zu Apple ist Amazon nicht gezwungen, mit der Hardware Geld zu verdienen, sondern will mit Diensten und als Kundenbindungsinstrument via Online-Bestellungen und Werbung Kasse machen. Apple muss dafür bei Funktionen, Bedienung, Design und Marke punkten.

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Die Materialschlacht ist in vollem Gange. Vom Komponentenmangel wie bei Prozessoren scheint Amazon nicht betroffen. „Wir spüren nichts, haben aber ein Auge drauf“, sagt Amazon-Manager Berger. Doch wie viele smarte Lautsprecher, Fitnessbänder oder Displays im Jahrestakt kann der Markt vertragen? Der Pixar-Streifen Wall-E aus dem Jahr 2008 handelt von einem Müllroboter, der die durch Massenkonsum unbewohnbare Erde aufräumen soll. Vielleicht wird ein Nachfolger von Astro irgendwann diese Aufgabe übernehmen.

Mehr zum Thema: Amazons Konkurrent Apple ist noch immer vor allem ein Hardware-Konzern. Die Zeche zahlen andere.

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