„Wir gehen davon aus, dass HQ2 ein vollwertiges Äquivalent zu unserem Hauptquartier in Seattle wird“, heißt es bei Amazon. Ob kleinere Städte mit Kreativbewerbungen ernsthafte Chancen haben, steht angesichts starker Konkurrenz durch Metropolen wie New York, Chicago, Toronto oder Boston zu bezweifeln. Während Basketball-Star Michael Jordan den Cheerleader für North Carolinas Großstadt Charlotte macht, bietet etwa New York seine Wall-Street-Größen als Botschafter auf. Auf der Zielgeraden ließ die Ostküsten-Metropole zudem noch einmal ihren ganzen Charme spielen: Das Empire State Building erstrahlte am Mittwochabend in „Amazon Orange“, um bei Bezos Eindruck zu machen.
Toronto könnte indes in Zeiten der von Donald Trumps Regierung forcierten US-Abschottung mit Kanadas offeneren Einwanderungsgesetzen punkten - ein wichtiger Geschäftsfaktor für Tech-Konzerne.
Letztlich geht es bei Ausschreibungen wie der von Amazon jedoch vor allem ums Geld. Entscheidend könnte am Ende schlichtweg sein, welcher Gouverneur zu den größten Zugeständnissen in Sachen Steuernachlässe bereit ist. Dass Konzernchefs potenzielle Standorte in einer Art Casting gegeneinander ausspielen, um sich den besten Deal zu sichern, ist in den USA durchaus üblich. Elon Musk hatte es bei der Planung von Teslas riesiger Batteriefabrik „Gigafactory“ ähnlich gehandhabt. Zuletzt riefen die japanischen Autoriesen Toyota und Mazda einen solchen Wettbewerb für den Bau eines gemeinsamen US-Werks aus.
Während sich Politiker gerne mit großem öffentlichem Rummel als Jobbeschaffer feiern lassen, sehen Experten die Praxis skeptischer. Häufig werden Investitionen und Arbeitsplätze durch Steuergelder teuer erkauft, zudem erfüllen sich die Versprechen längst nicht immer. Spätestens seitdem herauskam, dass sich der Auftragsfertiger Foxconn ein zehn Milliarden teures Werk im Bundesstaat Wisconsin mit einem Subventionspaket im Wert von drei Milliarden Dollar versüßen ließ, nimmt die Kritik zu. Ein Aktionsbündnis, das Vertreter von 21 Bundesstaaten umfasst, appellierte deshalb bereits an Bezos, das Auswahlverfahren möglichst transparent zu gestalten.