Neues Supermarktkonzept Der große Spagat von Real

Die Handelskette Real versucht in Krefeld mit der ersten „Markthalle“ einen gewagten Spagat. Anspruchsvolle Kunden sollen angelockt werden, die angestammte preisbewusste Klientel nicht verprellt werden.

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Ein Supermarkt für Feinschmecker und Alleskäufer
Frische Pizza statt nur gefrorener Ware. Die Markthalle wirbt mehr wie ein Restaurant, denn ein Supermarkt. (Copyright: Firlus) Quelle: WirtschaftsWoche
Die Details machen den Unterschied. Das Komma und der Strich aus dem Logo sind verschwunden. Der Besucher muss schon hinschauen, wer in der Markthalle Krefeld Herr im Hause ist. Quelle: PR
Gutes aus der Dose: Strom per USB-Anschluss an vielen der rund 200 Sitzplätze des Markthalle. WLAN ist selbstverständlich gratis. (Copyright: Firlus)
Warmes Licht, kühle Luft. Im begehbaren Weinklimaraum lagert Reals Vorzeigemarkt hochwertige Weine. (Copyright: Firlus)
Zum Mitnehmen, zum dort essen, zum bestaunen: Die Pizzastation unmittelbar hinter dem Eingang. (Copyright: Firlus)
Die Öffnung oberhalb des Fischangebots in der Decke ist nicht für die Lüftung. Da fällt morgens das Eis aus der darüber montierten Eismaschine auf das Verkaufsdisplay. Quelle: PR
Sämtliche Preisschilder im Supermarkt an den Regalen sind elektronisch. Sie können per WLAN verändert werden, die neueste Version der e-ink-Displays beherrscht sogar Zweifarbigkeit und sieht aus wie auf Papier gedruckt. (Copyright: Firlus)

Die drei Vertreter der Zielgruppe sind begeistert. „Das ist aber schön geworden“, sagt der junge Mann, der das gläserne Entree der Markthalle Krefeld betritt. Faber-Sekt aus Plastiktrinkgefäßen wird ausgeschenkt, Rosen an die Kundinnen überreicht, zahlreiche Herren in Anzug streifen durch den Eingangsbereich oder besprechen sich untereinander. Es gibt etwas zu feiern für sie: Die Eröffnung der ersten Markthalle genannten edlen Variante eines Supermarktes.

Wo früher in kühlem Licht sachlich Produkte aufgereiht wurden, umschmeichelt nun warme Atmosphäre die Kunden, die nicht länger nur Käufer sein sollen, sondern Gäste. Gleich zu Beginn empfängt sie eine Backwarenabteilung, in der Mitarbeiter vor den Augen der Kunden, Verzeihung Gäste, Teig in Maschinen verarbeiten, geformte Brötchen in Öfen schieben. Wer geradeaus geht, steuert fast zwangsläufig auf die große Station mit einem Kuppel-Pizzaofen. Unweit davon die Espressobar mit Trommelröster und eigener Sorte: „Krefelder Mischung“.

Die größten Lebensmittelhändler Deutschlands


Wer noch nie hier war in der Hafelstraße 200, einem Areal, so typisch für die ausfransenden Partien der deutschen Mittelstädte, mit der Mischung aus Möbelhaus, Fastfood-Drive-Thru und Reifenwerkstatt, betritt den elegant verblendeten Flachbau unterhalb des großen grünen Eingangsschildes mit den Worten „Markthalle Krefeld“ und nimmt vermutlich kaum noch wahr, wer hier eigentlich Herr im Haus ist: Real,-

Im Logo des neuen Vorzeigeobjektes wird der Unternehmensname der Mutter gekürzt um die stets Kostenbewusstsein und Sparen signalisierenden Zeichen ,- hinter dem Namen. Real, die Tochter des Metrokonzerns, zeigt nun in Krefeld, wo die Reise für die Marke hingehen sollen. Mehr warme Atmosphäre, mehr Bio, mehr Frische und vor allem: Gastronomie.

Was Sie im Supermarkt dürfen – und was nicht!
Lollys im Supermarkt Quelle: dpa
Umtausch Quelle: AP
Bruchware Quelle: dpa
Obst und Gemüse Quelle: dpa
Großeinkauf Quelle: dpa
Bezahlen Quelle: dapd
Pfand Quelle: dpa


Auf 11.500 Quadratmetern haben die Planer zwölf Stationen ihrer „Manufaktur des guten Geschmacks“ prominent ganz nach vorne platziert. Manufaktur, das steht für Handarbeit, auch wenn zum ganzen Stolz der Betreiber in der Bäckerei eine riesige Maschine steht, in die roher Teig eingefüllt wird und die fertig geformte Brötchen verlassen, die vor Ort gebacken werden. Keine Rohlinge aus Asien, keine zugelieferten Produkte, was hier verkauft wird, ist hier entstanden. Zehn Brötchen kosten in der Tüte dennoch nur einen Euro. Qualität soll es sein, viel kosten darf sie jedoch nicht.

In der Markthalle Krefeld wird zwischen Loué-Hähnchen aus Frankreich für rund 15 Euro und Kalbsrückensteak für 3,33 Euro das Kilo der Spagat sichtbar, den Real vorführen will. Grundversorgung für die angestammte Klientel zu Preisen, die die Discounter das Fürchten lehren soll und Angebote mit Steinbutt im Ganzen oder fett marmoriertem Wagyu-Rindfleisch aus Japan für 200 Euro das Kilo für eine anspruchsvolle Klientel.

Millionenteurer Umbau


Ob das funktioniert, ist angesichts der Lage dieses Marktes und der anderen Filialen, die von den 238 anderen für das Konzept Markthalle in Frage kommen, ungewiss. Die Investitionen für den Umbau sollen rund zehn Millionen Euro betragen. Acht weitere Standorte mit diesem Konzept sollen 2017 entstehen. Nur ein Teil aller Filialen eignet sich dafür. Es braucht viel Fläche, um die unterschiedlichen Bedürfnisse zu befriedigen und auch weiterhin neben der neuen Konzentration auf Gastronomie vor Ort, die Palette von Mehl über Deo bis zu E-Bikes, Waschmaschinen und Jeans anbieten zu können. Lediglich auf die Abteilung Lacke und Farben müssen die Krefelder Kunden nach dem Umbau des Marktes verzichten. Und ob die Neuausrichtung reicht, das Sorgenkind des Düsseldorfer Handelskonzerns Metro aufzupäppeln, entscheidet sich in Krefeld und den vielleicht eines Tages mehr als 100 Markthallen.

Die Krefelder Kunden, die seit jeher hier ihre Einkäufe erledigen, profitieren zumindest von dem Pilotprojekt, das unter dem Slogan „Food-Lover“ steht. Bei der Gestaltung haben sich die Planer an erfolgreichen Konzepten wie der italienischen Kette Eataly oder Supermärkten in Los Angeles orientiert. Wie Marktstände sind die einzelnen Abteilungen aufgebaut, die nochmals um 70 Mitarbeiter aufgestockte Gruppe an Verkäufern tragen je nach Thema eigene Kleidung.

Das Know-how wurde eingeholt, sei es von Weinfachleuten aus Wiesbaden oder einer Kaffeerösterei aus Neuss. Der Supermarkt hat freies WLAN an. Und wer seinen Tee aus dem Hause Kusmi an einem der Plätze an der Kaffeebar mit Handhebel-Espressomaschine von Izzo zu sich nimmt und derweil das mit dem Smartphone bei Facebook seinen Freude kundtun will, kann an den Steckdosen mit USB-Anschluss sicher gehen, dass ihm nicht der Saft ausgeht.

Das sind die Discounter der Zukunft
Lidl mit neuem FilialkonzeptIn Verona in Norditalien betreibt Lidl zwei Filialen, die zum Vorbild für neue Märkte auch in Deutschland werden sollen. Lidl-Chef Sven Seidel betonte im Handelsblatt-Interview, dass das Unternehmen sehr viel von den Erfahrungen im Ausland lernen kann: „Die Innovation kommt daher, dass sich die Zentrale mit den Ländern reibt und die Essenz dessen, was an neuen Erfahrungen gesammelt wird, für das gesamte Unternehmen nutzbar macht.“ Quelle: Lidl
Allein schon auf der Fläche des großzügigen Eingangsbereichs der italienischen Pilot-Märkte hätte man früher fast einen gesamten Discounter gebaut. Quelle: Lidl
Der VerkaufsraumBreite Gänge, der Verzicht auf die abgehängte Decke, warme Farbtöne: In der Filiale will Lidl den Kunden künftig ein „großzügiges Raumgefühl“ geben. Das ist in deutschen Märkten meist noch anders. „Wenn Sie sich so manche Filialen älteren Baujahrs anschauen, dann ist vielerorts schon alles sehr kleinteilig“, räumt auch Lidl-Chef Seidel ein. Quelle: Lidl
Die PräsentationAuch bei der Präsentation der Waren erinnert nicht mehr viel an alte Zeiten, wo Artikel in Kartons auf Paletten standen. Die Kunden erwarten bald noch mehr Markenartikel und hochwertige Frischwaren. Trotzdem wird die Zahl der Artikel auch in Zukunft deutlich unter der der Supermärkte liegen. Quelle: Lidl
Die BackstationenNoch mehr Wert wird künftig auf frische Backwaren gelegt. Nur die Bedientheken wird man auch in Zukunft in einem Lidl vergeblich suchen. In irgendeiner Form muss sich Discount ja noch vom Supermarkt unterscheiden. Quelle: Lidl
Die Kunden-WCsEine überraschende Neuerung: Bei Neu- und größeren Umbauten will Lidl bald auch in deutschen Märkten Toiletten für Kunden anbieten. Quelle: Lidl
Die WickeltischeErleichterung für junge Mütter und Väter: Sogar einen Wickeltisch für die jüngsten Kunden soll es in Zukunft im Discounter geben. Quelle: Lidl

Für Real ist die Markthalle laut eigener Aussage auch ein Statement für Bio-Produkte. In der Gemüseabteilung wirbt ein Stand mit Physalis oder Feldsalat aus sogenannter Permakultur, ein Konzept das auf ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltiges Wirtschaften Wert legt. Zu Beginn jeder Regalreihe entlang des Mittelganges stehen optisch hervorgehoben jeweils die Bioprodukte der Warengruppe.

Die Markthalle ist für Real,- sowohl Hoffnungs- wie auch Technologieträger. Das Eis für die Präsentation des Frischfischs fällt jeden Morgen aus einem Schlitz in der Decke auf den Tisch. Dagegen wirkt der eigene Räucherofen für Forellen fast schon antiquiert. Sämtliche Preisschilder sehen zwar wie sauber gedruckt aus, sind aber elektronische Displays mit e-Ink. Der Marktleiter kann so zentral die Preise ändern, gleichzeitig ist die Anmutung hochwertig, zumal die Technik inzwischen erlaubt, die Anzeige zweifarbig zu gestalten, so das Sonderangebote mit roten Hinweisen möglich sind. Das Beleuchtungskonzept über den Köpfen der Kunden basiert auf LED mit warmen Farbton, so dass es fast unmöglich ist, mit einem Smartphone ein Foto zu knipsen, das nicht eine heimelige Atmosphäre hat.

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