Niedergang des Medienriesen Bertelsmann droht der Abstieg

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Widerstand gegen das Ende des Buchclub-Geschäfts

Das traditionsreiche Buchclub-Geschäft will Rabe Ende des Jahres aufgeben, dagegen regt sich Widerstand von Vertriebspartnern. Im Bildungsbereich kauft Rabe zu und will das Geschäft zur dritten Säule machen. Random House fusionierte er über einen Anteilstausch mit der englischen Literaturschmiede Penguin. Bertelsmann hat die Option, den globalen Branchenprimus, der im Jahr 750 Millionen Bücher verkauft, womöglich bereits in diesem Herbst komplett zu übernehmen.

Frisches Geld für Zukäufe besorgte Rabe unter anderem, indem er die Beteiligung an der RTL Group von 92,3 auf 75,1 Prozent abschmolz, was 1,4 Milliarden Euro brachte.

Das Geld investierte der Konzern etwa in den Kauf von Mehrheitsanteilen am kanadischen Broadband TV und dem Modeportal StyleHaul aus Los Angeles: Aggregatoren, sogenannte Multichannel-Netzwerke, die Tausende von Videokanälen für die Online-Plattform YouTube bündeln und an Werbekunden vermarkten.

Wenn es auch mit Vice nur zum Koch-Kanal „Munchies“ reichte – den Pakt mit Broadband-Gründerin Shahrzad Rafati kann Rabe sich als Pluspunkt gutschreiben: Am Einstieg beim Unternehmen der Computerwissenschaftlerin waren auch Comcast und Time Warner interessiert. Für Gütersloh habe sie sich entschieden, weil „die RTL Group und Bertelsmann dahinter global aktiv“ seien, lobt Rafati.

Bertelsmann und die Musikbranche

Und in Berlin sitzt am Gendarmenmarkt Bertelsmanns Neustart in der Musikbranche. Unter dem rührigen Hartwig Masuch kauft BMG Kataloge von Musikrechten weltweit. Bertelsmann hat BMG vom Gründungspartner KKR komplett übernommen. Mit einem Umsatz von fast 500 Millionen Euro gehört der Lizenzvermarkter zu den Großen seiner Zunft; zu den Künstlern zählt Rolling-Stones-Frontmann Mick Jagger, kürzlich brachte BMG Platten von Bryan Ferry und AC/DC heraus.

All dies sind Schritte in die richtige Richtung. Doch abgesehen vom Penguin-Deal, ist jeder von ihnen nur ein Schritt, doch kein Meilenstein. So verzeichnete die RTL Group 2014 zwar bereits fast 40 Milliarden Abrufe von Online-Videos. Doch damit Geld zu verdienen ist weit schwieriger als in der alten TV-Welt, in der Werbungtreibende für Spots im Umfeld einer Sendung wie dem „Dschungelcamp“ zahlen.

Guillaume de Posch, der mit Anke Schäferkordt die RTL Group führt, räumt ein, dass eigene Werbeformate für die neuen Kanäle entwickelt werden müssten: „Aus einer mehrminütigen Werbeinsel im klassischen TV werden im Web Unterbrechungen von maximal zwei bis drei Spots, die zudem deutlich kürzer sind als die klassischen 30-Sekunden-Spots im Fernsehen.“

Drama um RTL und Vox

Bis wann daraus relevante Einnahmen werden, die die bedrohten Werbeerlöse im herkömmlichen Fernsehen ersetzen können, ist offen. Dabei regt sich schon jetzt Unmut unter deutschen Werbekunden von Bertelsmanns Milchkuh: Die Einschaltquoten waren 2014 bei Weitem nicht so gut wie erhofft. Beim Gesamtpublikum sackte RTL ab. Auch bei Zuschauern zwischen 14 und 49 Jahren verlor der Kölner Kanal: Bei 13,4 Prozent lag der Marktanteil, vor drei Jahren waren es noch mehr als 18 Prozent.

„Die komplette Leistung von RTL und Vox ist ein Drama“, sagt Media-Experte Baron, „viele Werbungtreibende sind nicht glücklich.“ Noch fehlt ihnen jedoch eine Alternative: Unter den Privatsendern liefert RTL noch immer die größte Reichweite.

Doch parallel steigt die Zahl der Zuschauer, die werbefrei fernsehen, indem sie auf Bezahlportale wie Watchever oder Netflix umsteigen. Experten gehen davon aus, dass RTL Pläne parat hat für den Tag, an dem diese Anbieter ihnen ernsthaft Zuschauer abspenstig machen. Dann könne es „bereits zu spät sein“, sagt Baron.

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