Nudeln, Käse, Eis und Curry Ethylenoxid: Die große Rückrufwelle rollt an

Ein Kunde steht vor einem Supermarktregal. Quelle: dpa

Viele in Deutschland angebotene Lebensmittel enthalten Johannisbrotkernmehl. In Lieferungen haben Behörden zuletzt aber auffällig oft Rückstände des krebserregenden Desinfektionsmittels Ethylenoxid gefunden.

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Am Anfang war es nur Eiscreme. Inzwischen häufen sich Rückrufe von Lebensmitteln, die mit Spuren von Ethylenoxid verunreinigt sind: Ein Desinfektionsmittel, das Krebs auslösen kann. Jüngst rief der Discounter Lidl zwei Produkte seiner vegetarischen Linie „Vemondo“ zurück. Dabei handelte es sich um vegane Käsesticks und eine pflanzliche Alternative zu Mozzarella. Bei den Produkten könne nicht ausgeschlossen werden, dass das verwendete Johannisbrotkernmehl mit Ethylenoxid (ETO) belastet ist, teilte der Discounter mit. Die Ware sei aus dem Verkauf genommen worden. Kunden können die Produkte reklamieren.

Mit Ethylenoxid kontaminiertes Johannisbrotkernmehl bereitet derzeit einer Vielzahl von Lebensmittelherstellern Probleme. Es wird als Verdickungsmittel oder Stabilisator in zahlreichen Produkten wie Salatsaucen, Milchprodukten, Suppen und Dressings, in Marmeladen oder Backwaren eingesetzt.

Johannisbrotkernmehl wird auf der Zutatenliste oft als E410 ausgewiesen und gilt als unbedenklich. In Lieferungen haben Behörden und Unternehmen in den vergangenen Wochen jedoch auffällig oft Rückstände des krebserregenden Ethylenoxids oder dessen Abbauprodukt 2-Chlorethanol festgestellt.

Bei Ethylenoxid handelt es sich um ein farbloses Gas, das eine sterilisierende Wirkung hat. Daher wird es als Desinfektionsmittel eingesetzt. Zwar ist Ethylenoxid EU-weit in der Lebens- und Futtermittelproduktion verboten. Doch in etlichen Drittstaaten wird es nach wie vor zum Beispiel zur Bekämpfung von Pilzen und Bakterien verwendet. Das Bundesinstitut für Risikobewertung schätzt den Konsum von Ethylenoxid als schädlich ein. „Ethylenoxid ist erbgutverändernd und krebserzeugend. Einen Richtwert ohne Gesundheitsrisiko gibt es somit nicht, und Rückstände des Stoffes in Lebensmitteln sind grundsätzlich unerwünscht“, teilt das Bundesinstitut mit.

Mars ruft Eis und Curry-Gerichte zurück

Der Umgang mit den Funden wird europaweit recht unterschiedlich gehandhabt: Ein Gremium der Europäischen Kommission hält Rückrufe aller Produkte, die kontaminiertes Johannisbrotkernmehl enthalten, für notwendig, berichtete jüngst die „Lebensmittelzeitung“. In Ländern wie Frankreich seien bereits Massenrückrufe eingeleitet worden.

In Deutschland blieb die Zahl der Rückrufe bislang zwar überschaubar. Doch nach und nach steigt auch hierzulande die Zahl der Firmen, die mehr oder weniger freiwillig die Konsequenzen ziehen und Ware vom Markt nehmen. Den Anfang machte der Nahrungsmittelkonzern Mars, der einzelne Chargen Eiscreme der Marken Snickers, Bounty, Twix und M&M's zurückrief.

Mars hatte sich nach eigenen Angaben zunächst gegen einen Rückruf in Deutschland entschieden, in anderen EU-Ländern aber Produkte zurückgerufen. Das nahm die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch zum Anlass, öffentlichen Druck aufzubauen. Das Unternehmen reagierte schließlich. Wenig später rief auch die Mars-Marke Tasty Bite mehrere Curry-Gerichte zurück. In bestimmten Zutaten einiger Produkte seien geringe Mengen an ETO gefunden wurden, teilte der Hersteller mit. Betroffen seien die Produkte „Tasty Bite Channa Masala“, „Tasty Bite Madras Curry“, „Tasty Bite Bombay Curry“ und „Tasty Bite Thai Curry“.

Auch der Hersteller Kühne hat mittlerweile eine Charge seines Produktes „Kühne Rote Grütze 375 g Glas“ zurückgerufen. Dabei dürfte es nicht bleiben. So haben Fachleute jüngst in zahlreichen Proben von Instant-Nudeln ETO-Rückstände gefunden. Das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Stuttgart untersuchte 25 Proben. In elf davon sei Ethylenoxid nachweisbar gewesen, teilte das Ministerium für ländlichen Raum und Verbraucherschutz vergangene Woche in Stuttgart mit. Es sei somit von einer in der EU nicht zulässigen Begasung von einzelnen Komponenten oder Zusatzstoffen auszugehen.

Besonders auffällig waren demnach untersuchte Produkte aus Vietnam, gefolgt von Korea und China. Proben aus Thailand, Indonesien und der EU waren laut Ministerium dagegen weitestgehend unauffällig. Weil die Probenzahl derzeit noch relativ niedrig sei, könne das Ergebnis noch nicht als repräsentativ angesehen werden. Bei den beanstandeten Produkten müssten die verantwortlichen Lebensmittelunternehmen nun die notwendigen Schritte ergreifen, um die betroffenen Chargen vom Markt zu nehmen oder zurückzurufen. Erste Unternehmen hätten dies auch bereits getan, verkündete ein Ministeriumssprecher.

Mehr zum Thema: Die Zahl der Lebensmittelwarnungen hat im vergangenen Jahr ein neues Rekordhoch erreicht. Eine Kategorie war besonders häufig betroffen.

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