Hamburg, Berlin Ein „gesünderer“ Lebensmittel-Einkauf soll einfacher werden – mit einem neuen Logo für Zucker, Fett und Salz auf vielen Produkten. Noch ist offen, welches Siegel die Bundesregierung zur freiwilligen Nutzung auf Packungen empfiehlt – dazu läuft gerade eine offizielle Verbraucherbefragung. Doch nun preschen der größte Lebensmittelhändler Edeka und seine Discount-Kette Netto vor und starten einen eigenen Praxistest mit drei ausgewählten Modellen in ihren Märkten. Nicht alle finden den Vorstoß sinnvoll.
In ihrem Test wollen Edeka und Netto ab Ende August je 16 Artikel ihrer Eigenmarken mit den drei Nährwert-Logos versehen, wie sie am Dienstag mitteilten. Die Kennzeichnung auf „besonders beliebten und verkaufsstarken Produkten“ wie Tiefkühlpizza, Lasagne, Paprika-Chips oder Schokolade solle Verbrauchern die Chance geben, sich selbst ein Bild von unterschiedlichen Lösungen zu machen. Der Probelauf solle zeigen, ob und wie die Kennzeichnung das Kaufverhalten beeinflusse, und bei der Entwicklung verbrauchernaher Lösungen helfen.
In den dreimonatigen Test kommen soll zum einen das aus Frankreich stammende System Nutri-Score. Es bezieht auch empfehlenswerte Bestandteile wie Ballaststoffe in eine Bewertung ein und gibt dann einen einzigen Wert an - auf einer Skala von einem grünen A bis zu einem roten E. Dafür machen sich Verbraucherschützer und die SPD stark, erste Milchprodukte des Herstellers Danone damit sind auch schon im Handel zu kaufen. Getestet werden sollen außerdem zwei komplexere Modelle: eines mit blaugrün gefärbten Waben vom bundeseigenen Max-Rubner-Institut (MRI) und ein Vorschlag des Lebenmittelverbandes Deutschland mit fünf Torten-Diagrammen.
Der Wahlkampf um das künftige Logo nimmt damit weiter Fahrt auf - denn die Erkenntnisse könnten wieder neue Diskussionen anfachen. Das Ministerium verwies auf die „weitgehende, wissenschaftlich fundierte und unabhängige“ eigene Befragung und betonte: „Allein diese Verbraucherforschung ist ausschlaggebend.“ Getestet werden darin nicht nur drei Modelle, sondern vier - noch das „Keyhole“-Logo aus Skandinavien mit einem weißen Schlüsselloch auf grünem Grund, das nur Produkte mit günstiger Nährwertbewertung bekommen können. Knifflig ist auch das Timing: Klöckner erwartet die Ergebnisse ihrer Befragung Ende September. Der Test von Edeka und Netto läuft dann noch weiter.
Die Verbraucherorganisation Foodwatch, die für Nutri-Score wirbt, reagierte reserviert auf den Vorstoß der Händler: Es sei zwar schön, dass Edeka und Netto den Nutri-Score in die Supermarktregale bringen. „Erkenntnisse zur Auswirkung auf das Kaufverhalten lassen sich aber nicht gewinnen, indem willkürlich unterschiedliche Produkte mit unterschiedlichen Modellen kennzeichnet werden.“
Der Handelsexperte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU in Düsseldorf, sah in dem Schritt dennoch einen cleveren Schachzug der Edeka-Gruppe. „Sie präsentieren sich als Innovationstreiber. Die Eigenmarken wirken so zeitgemäß und gesundheitsbewusst. Gleichzeitig setzt der Schritt die Markenhersteller unter Druck. Er signalisiert: Wenn wir das können, solltet ihr das bitte auch schaffen.“
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