Ökologischer Fußabdruck „Wer E-Autos fördert, sollte auch regionale Möbel fördern“

Roman Lechner in seiner Tischlerei im österreichischen Gföhl. Quelle: PR

Der Tischler Roman Lechner kritisiert Möbeldiscounter wie XXXLutz wegen Umweltbelastungen. Er fordert stattdessen staatliche Zuschüsse für regional hergestellte Möbel – nach dem Vorbild der E-Auto-Prämie.

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Herr Lechner, Sie sind studierter Holzwirtschaftler. Wann und wie kamen Sie zur österreichischen Möbelkette XXXLutz?
Roman Lechner: Ich habe an einer Fachhochschule in Salzburg studiert, mit dem Schwerpunkt Produktdesign. Im Jahr 2000 habe ich mein Praxissemester bei XXXLutz gemacht. Dort habe ich mich mit den vorhandenen Produkten beschäftigt: Wo und wie werden sie hergestellt, wie ist die Lebensdauer? Ich konnte das aber erst später richtig einordnen. XXXLutz war für mich damals ein guter Arbeitgeber: Der Ruf und auch die Arbeitsumgebung waren absolut in Ordnung. Man wollte dort eigene Produkte entwickeln, das war für mich reizvoll. Als ich erkannt habe, dass das für mich dort nicht möglich ist, bin ich gegangen.

Sie arbeiteten als Produktdesigner. Was haben Sie entworfen?
Garderobenschränke, Couchtische, Kleinmöbel. Und auch sogenannte modulare Korpus-Möbel, das war damals noch recht neu: ein Kasten, den man mit anderen Kästen verbinden kann, um daraus einmal eine Kommode zu machen oder beim nächsten Mal ein Regal.

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Der Möbelmarkt ist sehr aggressiv, der Wettbewerb gnadenlos. Merkt man das als Produktdesigner beim zweitgrößten Möbelimperium der Welt?
Damals war das fast wie eine Insel der Seligen. Ich habe kleine Marktanalysen in den Möbelhäusern gemacht, habe Kunden befragt, worauf sie Wert legen, was sie kritisieren. Anhand meiner Erkenntnisse habe ich dann die Produkte generiert. Das war ein kreativer Prozess. Natürlich hatte ich auch Vorgaben seitens des Konzerns, die ich erfüllen musste. Aber man hat dem Ganzen Wichtigkeit und Wert gegeben.

Sie klingen ja sehr zufrieden. Warum sind Sie dann gegangen?
Ich konnte mich insgesamt nicht identifizieren mit der Qualität der Produkte, und die Lebensdauer der Möbel war für mich hochproblematisch. Ich wollte Sachen machen, die sehr lange bestehen können.

Sie durften keine langlebigen Möbel bauen?
Damals hat es Klimaschutz in dem Bereich nicht gegeben, das war kein Thema. Und es hat sich bis heute so fortgesetzt, dass Möbel so oft gewechselt werden wie die Kleidung. Da wird dann eine andere Farbe modern und man tauscht das Möbelstück nach drei, vier Jahren aus. Davon lebt ja die Industrie. Wenn die Dinge zu lange halten würden, würde die Industrie nicht überleben oder weiter wachsen können. Das hat mir nie wirklich Spaß gemacht.

Roman Lechner ist studierter Holzwirtschaftler. Seit 2006 betreibt er im österreichischen Gföhl, nordwestlich von Wien, seine „Vollholztischlerei Lechner“. Quelle: PR

Nach eineinhalb Jahren wechselten Sie zu einem österreichischen Yachtbau-Innenausstatter, 2006 machten Sie sich schließlich selbständig mit Ihrer Vollholztischlerei Lechner in Gföhl, nordwestlich von Wien. Jetzt bestimmen Sie selbst über die Produktion – was sind die Unterschiede zu XXXLutz?
Wir beziehen unsere Rohware total regional, von den Landwirtschaften rundherum; bis auf Zirbenholz, das wächst bei uns nicht, das kommt aus Kärnten. Ich habe mein eigenes Sägewerk im Ort, da werden die Bäume geschnitten und freiluftgetrocknet. Daraus machen wir dann hochwertige Möbel, klassischer Einrichtungsbereich. Unsere Kunden sind überwiegend Privatpersonen.

Was kostet ein Esstisch für sechs bis acht Personen bei Ihnen?
Abhängig von der Ausführung zwischen 1800 und 5000 Euro. Die Fertigstellung dauert eine bis drei Wochen.

Nun warnen Sie vor Möbeln vom Discounter und verweisen auf eine Studie der Landesinnung der Tischler aus der Steiermark. Laut dieser Studie sind die Emissionswerte eines durchschnittlichen Industriemöbels 81-mal höher als die eines Vollholz-Möbels aus regionaler Tischlerfertigung.
Die Studie bringt es sehr gut auf den Punkt. Wir ärgern uns herum mit dem CO2-Ausstoß von Autos und Lkw und in Deutschland werden Straßen gesperrt. Dabei liegt das eigentliche Problem ganz woanders.

Wie der Klimawandel Deutschland trifft
Das Jahresmittel der Lufttemperatur ist im Flächenmittel von Deutschland von 1881 bis 2018 um 1,5 Grad Celsius angestiegen – global ist es in dieser Zeit im Mittel rund 1 Grad wärmer geworden. Seit 1881 hat die mittlere jährliche Niederschlagsmenge in Deutschland um 8,7 Prozent zugenommen. Es sind Tendenzen zu mehr Starkniederschlägen in den letzten 65 Jahren zu erkennen, aber aufgrund der Datenlage können die Experten dazu noch keine statistisch gesicherten Aussagen machen. Quelle: imago images
Die Sommer 2003, 2018 und 2019 waren die wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen. Quelle: imago images
Dürren, Hitzewellen und Starkregen dürften zunehmen Quelle: imago images
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Landwirte sind vom Klimawandel besonders betroffen, wenn etwa Dürre die Ernte vertrocknen lässt oder Futter knapp wird. Quelle: imago images

Nämlich?
An einem Möbelstück kann man das leicht greifbar machen. Allein, was den Rohstoff selbst betrifft: Eine Spanplatte herzustellen erfordert extrem hohen Energieaufwand.

Wie wird solch eine Spanplatte hergestellt?
Das ist ein riesengroßer Kuchen aus Holzresten und Abfällen, gemischt mit Leim und chemischen Zusätzen. Dieser Kuchen wird dann unter hoher Temperatur und hohem Druck in Platten verpresst. Es geht weiter mit den Verpackungen, die die Industrie braucht, die Tischler nahezu nicht brauchen. Dann geht’s um die Emissionen im Großbetrieb, und natürlich um die CO2-Bindung selbst: ein Massivholz- oder Vollholztisch bindet weitaus mehr CO2 als eine Spanplatte. Die Nutzungsdauer aber ist der größte Hebel! Das muss man sich mal vorstellen: man kauft einen Tisch, der energieaufwändiger hergestellt ist und nutzt ihn dann nur ein Viertel der Zeit, wie ein Massivholzmöbel genutzt würde.

Konkret?
In der Studie wird davon ausgegangen, dass ein Industrieholztisch etwa zehn Jahre genutzt wird, ein Tisch vom Tischler steht im Schnitt 35 Jahre. Da relativiert sich auch die Preissituation. Alles in allem kommt man so auf den Faktor 81. Das ist eine katastrophale Zahl.

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Der Verdacht liegt natürlich nahe, dass Sie einfach mal Werbung für Ihre Gilde machen möchten.
Nein, wir haben genug Arbeit, darum geht es überhaupt nicht. Ich möchte einfach, dass die Klimadebatte nicht so fadenscheinig geführt wird. Ich habe zwei Kinder und ich möchte, dass die auch noch auf unserem Planeten leben können und nicht mal auf einen anderen Planeten ausweichen müssen. Das große Problem ist die Zentralisierung, die Rohstoffe müssen weit transportiert werden. Das zu ändern ist Aufgabe der Politik. Hier in meinem Ort fahren jeden Morgen viele Menschen rund 100 Kilometer nach Wien zu Arbeit. Ich muss nicht darüber diskutieren, mit welchem Auto ich die 100 Kilometer pendele, sondern eher, warum ich überhaupt jeden Tag 100 Kilometer pendeln muss.

Und Werkstoffe pendeln auch?
Ein Beispiel: Jemand aus meiner Nachbarschaft wollte einen Tisch haben. Er hat sich zunächst bei mir erkundigt. Dann hat er sich dazu entschieden, nach Wien zum Ikea fahren. Das Holz für den Tisch, den er dort kauft, wird in Rumänien geschlägert, anschließend nach Asien verschickt, wo es verarbeitet wird, dann kommt’s zurück nach Italien, wo der Tisch lackiert wird, von dort geht’s nach Schweden ins Zentrallager und von da schließlich nach Wien. Dieser Weg war für den Kunden sinnvoller und auch günstiger, als der Weg über die Straße zu mir. Das ist ein Wahnsinn. Da kann was nicht stimmen.

Wissen Sie denn genau, dass dies der gängige Weg ist für industriell hergestellte Möbel?
Es ist sicherlich ein Extrembeispiel, aber solcher Irrsinn passiert. Übrigens entlasten Tischlermöbel auch das Gesundheitssystem, weil Pressholzplatten Dämpfe abgeben, auch noch Jahre nach dem Kauf. Das liegt an der chemischen Reaktion: so ein Möbel gibt fortwährend Formaldehyd ab, so lange der Kleber hält, also bis man es entsorgt.

Und Tischlermöbel brauchen keine Kleber?
Es gibt leider auch Tischler, die machen genau den gleichen Blödsinn wie Möbel-Discounter. Aber Massivholzmöbel brauchen prinzipiell natürlich viel, viel weniger Kleber als Pressspanmöbel, weil nur die einzelnen Holzstücke miteinander verbunden werden.

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Als Konsequenz fordern Sie nun einen staatlichen Klima-Bonus für Tischlereien beziehungsweise für regionale Handwerksbetriebe, die mit kleinem ökologischen Fußabdruck arbeiten. Wie soll das aussehen?
Die Politik muss da eingreifen. Ich finde: Wenn man E-Autos und Photovoltaikanlagen fördert, muss man auch darüber diskutieren, regionale Produkte zu fördern. Das muss man einfach durchrechnen: Wie hoch ist der ökologische Fußabdruck? Und wenn ein Mensch sich bereit erklärt, solch ein Produkt mit viel geringerem Fußabdruck zu kaufen, muss er genauso eine Förderung vom Staat bekommen. Und das betrifft natürlich nicht nur regional hergestellte Möbel, sondern auch Kleidung, Schuhe, Lebensmittel, Brennmaterialien.

Was würde Ihr 2.000-Euro-Tisch dann noch kosten?
Das kann ich nicht beantworten. Aber im Idealfall: nicht mehr als ein Tisch, der vorher um die halbe Welt geflogen ist. Oder die Politik muss vorweg eingreifen, dass solch ein Tisch gar nicht so billig zu haben ist. Das klappt ja auch nur in Ländern, wo Rohstoffe nach Belieben gerodet werden, wo es keine oder nicht so strenge Umweltauflagen wie bei uns gibt, wo die Personalkosten sehr gering sind, wo Betriebe nicht ins Sozialsystem einzahlen – all diese Faktoren sorgen ja dafür, dass die Produkte, die bei uns hergestellt werden, so viel teurer sind.

Waren Sie eigentlich noch mal in einem Möbeldiscounter?
Ich war letztens mal wieder in einem XXXLutz, und ich habe immer mehr lachen müssen. Wenn du im Lutz halbwegs Qualität willst, zahlst du auch nicht wenig Geld, da ist er gar nicht günstiger. Da gibt’s ja auch Massivholzmöbel, die kann ich aber auch beim regionalen Tischler kaufen – ohne den großen Fußabdruck.



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