Für den alten Hamburg Süd-Inhaber, die Backpulver-Dynastie Oetker, dürfte der Verkauf der traditionsreichen Reederei hingegen der Startschuss für einen längst überfälligen Strategiewandel sein.
Pudding, Torten, Pizza, Bier, Sekt und Wodka. Das sind die Produkte, die nach dem Verkauf der Reederei Hamburg Süd noch im Bielefelder Oetker-Konzern verbleiben. Und das ist alles andere als ein zukunftsfähiges Portfolio. Egal wer künftig an der Spitze des Bielefelder Familienunternehmens sitzt, egal wer im Beirat das Sagen haben wird: im Hause Oetker muss ein grundlegender Strategieschwenk her.
Seit Patriarch Rudolf-August Oetker im Jahr 2007 starb, ist das Unternehmen nicht mehr zur Ruhe gekommen. Seine Nachkommen – acht Kinder aus drei Ehen – hinterließ er ein schwieriges Erbe: je 12,5 Prozent der Anteile am Milliardenkonzern und den frommen Wunsch, sie mögen diese in „Harmonie und Eintracht“ verwalten. Dieser Wunsch blieb unerfüllt.
Bis heute streiten die Oetkers erbittert über die Frage, wer die Gruppe operativ führen soll und wer im mächtigen Beirat den Ton vorgeben soll. Die fünf Nachkommen aus den ersten beiden Ehen stehen gegen die drei jüngeren Halbgeschwister aus Ehe Nummer drei des Vaters. Die Älteren bremsten mehrere Anläufe der Jüngeren auf Führungsposten aus. Wie die Zusammensetzung in der Geschäftsführung künftig aussehen wird, ist ungewiss. Fest steht nur: Konzernchef Richard Oetker wird die Unternehmensführung am Jahresende aufgeben. Er bleibt aber bis auf weiteres Chef der Lebensmittelsparte.
Und diese ist unter dem Markennamen Dr. Oetker durch die Bank mit Produkten bestückt, die entweder als altbacken oder ungesund gelten. Kuchenbackmischungen, Pudding zum Selberkochen oder tiefgekühlten Fertigtorten von Coppenrath & Wiese sterben langsam aber sicher die Heavy-User weg. Und in der Internet- und Smartphone-Generation dürften die Oetker-Marken kaum noch jemanden hinter dem Ofen hervorlocken. Das gilt zwar nicht für Pizza. Sie dürfte in diesen Altersschichten durchaus ein Grundnahrungsmittel darstellen. Aber muss es dann ausgerechnet eine Tiefkühlpizza aus dem Ofen sein? Wo es an jeder Ecke eine Pizzabude gibt, die einem Ruckzuck den Italo-Fladen liefert. Oder einen Lieferdienst, der die Lieblingspizza vom Lieblingsitaliener dampfend heiß auf den Küchentisch zaubert.
Pizza ist zwar nicht altbacken, aber auch kein Paradebeispiel für gesunde Ernährung. Und die steht nun mal hoch im Kurs. Das hat beispielsweise auch der Schweizer Oetker-Konkurrent Nestlé erkannt und versucht peu à peu seine „ungesunden“ Lebensmittel los zu werden und sein Image grundlegend zu wandeln. Beim Eiskremgeschäft ist das mit dem neuen Unternehmen Froneri bereits gelungen. Ihre Eismarken haben die Schweizer kürzlich in das Joint-Venture mit dem britischen Eiskremriesen R&R ausgelagert.