Ofen aus bei Bäckereiketten Pleitewelle im Brötchen-Business

Viele Baustellen: Klassische Bäckereiketten leiden auch unter Backstationen in Supermärkten und Discountern. Quelle: dpa

Bäckereiketten wie Oebel, Lila Bäcker und Hofmeister-Brot taumelten in den vergangenen Monaten in die Insolvenz, Kronenbrot wird abgewickelt und Experten sehen kein Ende der Pleitewelle. Warum müssen so viele Bäcker kämpfen?

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Ende August war es wieder so weit: die nächste Bäckereikette meldete Insolvenz an. Diesmal hatte es Hofmeister-Brot aus Landau erwischt. 1949 gegründet, seit drei Generationen in Familienbesitz und mit 123 Filialen in Rheinland-Pfalz, Saarland, Hessen und Baden-Württemberg vor allem im Süden eine Größe in der Branche. Kurzum: Ein Fall, wie er mittlerweile fast schon exemplarisch ist im Brot- und Brötchen-Business.

Im Januar meldete bereits die Holding „Unser Heimatbäcker“ aus Pasewalk, die hinter der 400 Filialen zählenden Bäckereikette „Lila Bäcker“ steht, Insolvenz an. Fast zeitgleich zog die Geschäftsführung der Arnstädter Bäckereikette Frischback mit rund 100 Filialen die Reißleine. Das Familienunternehmen Eisold mit Sitz in Radeberg bei Dresden und insgesamt 17 Filialen folgte im April, im Mai dann die Achimer Stadtbäckerei mit 45 Standorten. Im Juni rutschte schließlich der nordrhein-westfälische Großbäcker Kronenbrot sowie einen Monat später die eng mit Kronenbrot verbandelte Filialkette Oebel in die Pleite.

Experten sehen kein Ende der Pleitewelle. Zu tief liegen die Probleme vieler Bäckereien, zu groß sind die strukturellen Veränderungen der Branche. „Das Abschmelzen wird weitergehen und es wird vermutlich auch weitere Insolvenzen geben“, erwartet Armin Juncker, Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Großbäckereien.

Denn gleich an mehreren Fronten müssen die Bäcker kämpfen: „Fast alle großen Handelsketten haben in den vergangenen Jahren Backstationen und -Systeme in ihren Filialen etabliert“, sagt Juncker, „das spüren die klassische Bäckereiketten“. Während ihre Umsätze sinken, bleiben die Fixkosten – vor allem die Mieten – hoch. Einzelne Faktoren wie die Personalknappheit oder die Hitzewellen im Sommer verstärken die Probleme noch. Hinzu kommen hausgemachte Probleme, wie im Fall von Kronenbrot.

Als Insolvenzverwalter Biner Bähr, Partner der Kanzlei White & Case, am Nachmittag des 12. Juni mit einem Team von sechs Anwälten das Kronenbrot-Stammwerk in Würselen betrat, wurde ihm schnell klar, dass das kein einfaches Verfahren werden würde. „Die Produktionsanlagen waren völlig veraltet und extrem störanfällig“, sagt er. Motivation und Stimmung in der Belegschaft waren ebenfalls auf einem Tiefpunkt. Zudem hatte die komplette zweite Führungsebene Kronenbrot bereits verlassen.

Kein Wunder: Das Traditionsunternehmen hatte 2016 schon einmal Insolvenz anmelden müssen und war damals an eine britische Investmentgesellschaft verkauft worden. Doch der erhoffte Neuanfang blieb aus. Kronenbrot, sagt Bähr, erwirtschaftete „den Großteil seiner Umsätze mit klassischem Schnittbrot“ – einem Artikel, dessen Bedeutung im Markt seit Jahren zurückgeht, weil Supermärkte und Discounter verstärkt auf Teigrohlinge setzen, die dann erst in den Läden aufgebacken werden.

Der Insolvenzverwalter versuchte dennoch, einen Investor zu finden. „Aufgrund der Gesamtumstände war das Unternehmen aber schlicht nicht verkaufsfähig“, konstatiert Bähr. Auch der Versuch, Investoren ein Projekt namens „Green-Field“ schmackhaft zu machen, verfing letztlich nicht. „Die Idee war es, die bisherigen Werke nur noch für eine Übergangszeit zu nutzen und parallel auf der ‚grünen Wiese‘ eine neue, moderne Produktionsstätte zu errichten“, sagt Bähr. Interesse war vorhanden, doch das Risiko am Ende wohl zu groß, zumal sich Aldi, Kronenbrots wichtigster Kunde, dem Vernehmen nach nicht dazu durchringen konnte, die einjährigen Abnahmeverträge zu verlängern. Die Folge: Ende Juli beendete Bähr den Geschäftsbetrieb von Kronenbrot.

Auch die Insolvenz von „Unser Heimatbäcker“ aus Pasewalk in Vorpommern war kein Selbstläufer, selbst wenn sich inzwischen abzeichnet, dass das Unternehmen weitermachen kann. Die Unternehmensgruppe war 2014 von der Deutschen Beteiligungs-AG übernommen worden und betrieb unter der Marke „Lila Bäcker“ mehr als 400 Filialen mit rund 2700 Beschäftigten. Neben dem Filialgeschäft belieferte die Gruppe über ein Großhandelsunternehmen 1500 Kunden – Supermärkte, Hotels, Tankstellen – mit Backwaren, die teils aus eigener Tiefkühlproduktion stammten. Ähnlich wie bei Kronenbrot kamen zum strukturellen Ungemach auch bei „Unser Heimatbäcker“ zahlreiche interne Probleme dazu.

Es gebe „Defizite in der gesamten Wertschöpfungskette, vom Einkauf über die Produktion bis hin zur Warenauslieferung“, hieß es, als der Insolvenzantrag gestellt wurde. Schuld daran seien „Fehler und Handlungen in der Vergangenheit“, die das Unternehmen „erheblich geschädigt haben“. Das Amtsgericht Neubrandenburg stimmte einem Eigenverwaltungsverfahren zu, bei dem Jan Plathner, Partner der Kanzlei Brinkmann & Partner, als Restrukturierer in die Unternehmensführung einzog und die Firma auf ihren werthaltigen Kern zusammenstutzte. Mitarbeiter mussten gehen, Filialen wurden geschlossen.

Gleichzeitig lief ein unübersichtlicher Investorenprozess an, bei dem es zunächst auf ein Engagement des Firmengründers hinauslief, der dann jedoch überraschend wieder absprang. Der „Nordkurier“ titelte: „Der Lila-Bäcker-Krimi“. Die schwedische SEB- und die niederländische NIBC-Bank mussten das Unternehmen mit einer Finanzspritze am Leben halten, um die Einstellung des Betriebs zu verhindern. Mitte August stimmten die Gläubiger schließlich einem Insolvenzplan von Insolvenzverwalter Torsten Martini zu, der vorsieht, dass das Unternehmen künftig 2180 Mitarbeiter in 270 Filialen beschäftigt. Zudem stellten die Banken einen Kredit in Höhe von zehn Millionen Euro zur Verfügung, der zu 80 Prozent vom Land Mecklenburg-Vorpommern verbürgt wird.

Damit kann die Unternehmensgruppe zunächst zwar weitermachen, doch ob die Einschnitte und Sparmaßnahmen ausreichen, um den Lila Bäcker dauerhaft auf Kurs zu halten, muss sich erst noch zeigen. Der Siegeszug der Backstationen im Handel ist ungebrochen. Verbraucher, die Wert auf Qualität legen, gehen eher zu Handwerksbäckern als zu Backfilialisten. „Es mag banal klingen“, sagt Branchenvertreter Juncker, „aber Bäckereien haben insbesondere dann eine Chance, wenn sich ihre Angebot von dem der Supermärkte und Discounter abhebt.“

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