Offene Wunde Mit Karstadt sterben die Innenstädte

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Die Geschichte droht, sich zu wiederholen

Dabei sollte Hertie in Bingen und anderswo eigentlich der Retter der Innenstädte werden. 2005 übernahm das Traditionswarenhaus, hinter dem der britische Investor Dawnay Day stand, mehr als 70 kleinere Filialen des Konkurrenten Karstadt, als der mal wieder in der Krise steckte. Doch nur drei Jahre später rutschte Hertie in die Pleite.

Jetzt droht sich die Geschichte bei zahlreichen Karstadt-Filialen zu wiederholen. Denn der anfangs als Karstadt-Retter gefeierte deutsch-amerikanische Investor Nicolas Berggruen hat bei seinem Rückzug Mitte August seinem Nachfolger Benko eine Handelsruine hinterlassen. Benko und Karstadt-Aufsichtsratschef Stephan Fanderl müssen nun Teile des Filialnetzes kappen, um das Überleben des Unternehmens zu sichern. Jede vierte Filiale steht auf dem Prüfstand.

Die „Immobilien Zeitung“ hat bereits eine Rote Liste der Schließungskandidaten aufgestellt. Besonders gefährdet sind demnach Standorte in Bayreuth, Bottrop, Bremerhaven, Dessau, Hamburg, Iserlohn, Mönchengladbach, Neumünster, Recklinghausen und Siegen. Diese Filialen erwirtschaften besonders wenig Umsatz pro Quadratmeter und tauchten schon häufiger auf den Streichlisten des Warenhauskonzerns auf. Gewissheit wird es für die Beschäftigten an den Standorten erst geben, wenn der Karstadt-Aufsichtsrat das nächste Mal zusammenkommt. Doch eine für vergangene Woche angesetzte Sitzung wurde auf unbestimmte Zeit verschoben.

Risiko für die Städte

Grafik zum Rückzug von Karstadt

Für die Ratsherren vieler Städte bedeutet das nichts Gutes. Bei Hertie waren auch drei Jahre nach der Insolvenz mehr als die Hälfte der von Dawnay Day verwalteten Häuser noch ohne Käufer. „Die Strukturen bei Hertie waren so kompliziert, wir wussten nicht mal, mit wem wir eigentlich verhandeln können“, sagt der Bingener Bürgermeister Feser. Er schloss sich mit Kollegen anderer Hertie-geschädigter Städte zusammen, um gegen den Leerstand und das fehlende Engagement der Insolvenzverwalter und des Dawnay-Day-Hauptgläubigers, der Deutschen Bank, zu protestieren.

Doch 14 der ehemals 34 Bürgermeister der Runde haben heute noch immer keine Gewissheit über die Zukunft ihrer Hertie-Häuser. Für diese Immobilien habe man noch keinen Kaufvertrag abschließen können, berichtet Sebastian Mogos-Lindemann vom Immobilienfinanzierer CR Investment Management in Berlin, der für die Verwertung der Gebäude zuständig ist. Ein Problem dabei waren die überzogenen Preisvorstellungen von Dawnay Day: Die Briten hatten die Immobilien in ihren Büchern viel zu hoch bewertet und verlangten deshalb lange Kaufpreise, die nur wenige Investoren zu zahlen bereit waren.

Doch auch die Kommunen selbst erschwerten den Verkauf. So zog in Velbert bei Düsseldorf ein Investor sein Angebot für die Hertie-Immobilie zurück, weil die Stadt Plänen für ein Einkaufszentrum an anderer Stelle zustimmte. Bei anderen Gebäuden sind es die öffentlichen Vorschriften, die eine Weiterentwicklung der Gebäude blockieren. In der Ruhrgebietsstadt Herne wollte selbst bei der Zwangsversteigerung des ehemaligen Hertie-Gebäudes kein Investor zuschlagen. Weil die Fassade dem Denkmalschutz unterliegt, ist der Umbau des Haues unverhältnismäßig teuer. Nun ist für Oktober eine zweite Zwangsversteigerung angesetzt.

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