Olympia Die Konkurrenz läuft Puma davon

Kurz vor den Spielen warnt Puma vor einem Gewinneinbruch. Wie Asics, Mizuno und Li Ning kämpft der Konzern in London darum, von Nike und Adidas nicht komplett abgehängt zu werden. Usain Bolt soll's richten.

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Usain Bolt Quelle: dapd

Auf dem Dach des mehr als 100 Jahre alten Lagerhauses im Londoner Stadtteil Shoreditch thronen vier mit Graffiti besprühte U-Bahn-Waggons. Aus der darunter liegenden Ziegelhalle dringen höllisch pumpende Beats. Hier, auf einem gut 25 Meter langen Laufsteg, groovt Olympia-Sieger und 100-Meter-Weltrekordler Usain Bolt aus Jamaika durch den Raum.

Village Underground nördlich der City ist schwer angesagt bei Musik- und Kunstfans – aber nicht nur bei denen. Bolt zu Füßen, inmitten von gut 100 geladenen Gästen, scannen auch zwei Männer eines anderen Metiers jede Bewegung des Stars: Franz Koch, Vorstandschef des deutschen Sportkonzerns Puma aus Herzogenaurach, und François-Henri Pinault, der Boss des Pariser Luxusgüterkonzerns und Puma-Mehrheitseigners PPR. Bolt, der gerade die Olympia-Kollektion von Puma zur Schau trägt, ist der große Werbe- und Hoffnungsträger der Franken und Franzosen für die am Freitag beginnenden Olympischen Sommerspiele. Der 1,95-Meter-Kerl soll dafür sorgen, dass der drei Milliarden Euro Umsatz schwere Sportartikelhersteller mit der gleichnamigen Wildkatze im Logo im verschärften Wettlauf der Sportartikelhersteller nicht noch weiter zurückfällt.

Puma und seine Stars
Pélé, Star der Fußball-Weltmeisterschaft 1970 Quelle: dapd
Boris Becker Quelle: dpa/dpaweb
Diego Armando Maradona Quelle: dpa
Lothar Matthäus Quelle: dpa
Heike Drechsler gewinnt 1993 bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Stuttgart Gold im Weitsprung. Im Jahr 2000 wurde sie zu Deutschlands Sportlerin des Jahres gewählt. Quelle: AP
Usain Bolt Quelle: Reuters
Fußballnationalmannschaft Italiens Quelle: dpa

Denn Anlass zur Sorge gibt es genug. Am vergangenen Mittwoch schickte Koch mit einer Gewinnwarnung den Aktienkurs des Konzerns auf den tiefsten Stand der vergangenen neun Monate. Der Halbjahresgewinn soll um 13 Prozent geringer ausfallen als in der Vorjahresperiode, als er noch bei knapp 115 Millionen Euro gelegen hatte. Zwar hatte der Umsatz des MDax-Wertes in den ersten sechs Monaten um knapp neun Prozent zugelegt. Doch die Flaute in Europa zieht den Gewinn runter. Donnerstag stellt Koch die Quartalszahlen vor – und seinen Plan, den Konzern umzubauen, Stellenstreichungen nicht ausgeschlossen.

Chart: Aktien-Info Puma Quelle: Thomson Reuters, Unternehmen

Olympia in London setzt Puma daher massiv unter Druck, den Anschluss an die Marktführer Adidas und Nike nicht vollends zu verlieren. Das umso mehr, als auch Wettbewerber wie Asics und Mizuno aus Japan oder der chinesische Konzern Li Ning werbewirksam aufs Siegertreppchen drängen – und nach ihrem Stück vom weltweit gut 200 Milliarden Euro schweren Sportmarkt greifen. „Adidas, Nike und Puma sorgen im Umfeld von solchen Großereignissen für 80 Prozent des damit verbundenen Umsatzes – alle anderen müssen sich um die restlichen 20 Prozent streiten“, sagt Klaus Jost, Vorstandschef von Intersport, Deutschlands größter Einkaufsgemeinschaft für Sportartikel.

Angreifer aus Nippon


Die größten Sportartikelhersteller
Näherin bei Vaude
Schöffel-Chef Peter Schöffel
Frau vor einem Salewa-Zelt
Die Schweizer wollen keine "Flachlandmarke" sein und verweigern sich dem Lifestyletrend der Konkurrenz. Unter Bergsteiger hat die Marke mit dem Mammut längst Kultstatus. Neben Winterkleidung und Wanderschuhen, gehören auch Geräte zum Aufspüren von Lawinenopfern zur Produktpalette. 2009 konnte so ein Umsatz von 171 Mio. Euro erwirtschaftet werden. Foto: dpa
Messestand von Patagonia
Logo von Jack Wolfskin auf einer Jacke
Bergsteiger in Northface-Montur

Dabei bieten die Spiele an der Themse den Sportartiklern aus der zweiten Reihe eine Bühne, die sie sonst kaum haben. Denn anders als etwa bei der Fußballeuropameisterschaft hält das Internationale Olympische Komitee die Wettkampfstätten frei von Werbebanden. Gewinnt Sprinter Bolt zum Beispiel am 5. August die 100 Meter und dreht danach seine Ehrenrunde, hat Puma für sein Logo die Milliarden Fernsehzuschauer allein, ungestört von Reklame für Bier oder Kreditkarten.

Vor Ort setzt Puma ganz auf Reggae und Jamaika. Mit Millionenaufwand richteten die Franken in der Londoner Brick Lane einen Puma Yard ein. Bei freiem Eintritt können Fans und Kunden hier auf fast 45 000 Quadratmetern an Laufwettbewerben teilnehmen, auf TV-Schirmen die Spiele verfolgen und Puma-Outfit kaufen, das Cedella Marley, die Tochter der verstorbenen Reggae-Legende Bob, entworfen hat. Hinzu kommen drei weitere hippe Puma-Läden im Herzen von London. Damit schielt Puma auch auf die Kauflust der großen jamaikanischen Gemeinde in London.

Diagramm: Vom Feld abgesetzt

Bauen Koch und Eigner Pinault voll auf Bolt, müssen sie fürchten, dass ihnen Asics die Schau stiehlt. Die Japaner haben mit dem Franzosen Christophe Lemaitre nicht nur den stärksten europäischen 100-Meter-Sprinter unter Vertrag. Asics rüstet darüber hinaus auch zehn Olympia-Teams aus. Außerdem haben die Japaner in der Oxford Street unweit vom Hyde Park gerade einen Flaggschiff-Laden eröffnet, ihren vierten in Europa. Dort will der Angreifer aus Nippon vor allem seinen Service präsentieren. Angelehnt an sein Entwicklungszentrum in Kobe bietet Asics Hobbyläufern professionelle Fuß- und Beinvermessung und Fitnesstests an. Zum Paket gehört auch ein Lauf-Club samt Umkleidekabinen und Duschen. Ähnlich wie Adidas, Nike und Puma wollen die Japaner wachsen. Kommen sie derzeit auf 2,5 Milliarden Euro, peilen sie wie Puma bis 2015 vier Milliarden Umsatz an. Helfen sollen dabei auch die Werber der Amsterdamer Agentur 180, bis vor wenigen Jahren wichtigster Partner des Konkurrenten Adidas.

Damit hat Asics dem Konkurrenten Mizuno einiges voraus. Das 1906 gegründete Traditionsunternehmen bringt es zwar auf einen Umsatz von 1,8 Milliarden Euro.

Unter Druck


Franz Koch Quelle: dpa

Doch außerhalb des Inselstaates tut sich der Baseball- und Laufschuhspezialist noch schwer. „Der Markt in Japan ist bereits sehr stark ausgereizt, daher wollen wir noch mehr als bislang Fuß fassen in Europa“, sagt Mizuno-Deutschland-Chef Mark Kaiway der WirtschaftsWoche, „Olympia wollen wir nutzen, um gerade das europäische Business in den Kernsportarten zu stärken. Vor allem in Deutschland sehen wir noch sehr viel Potenzial.“ Chancen sieht die Marke mit dem stilisierten Rennvogel im Logo vor allem bei Laufschuhen und Hallensport, Disziplinen, die bei den Großen unter „ferner liefen“ rangieren, da Nike und Co. sich auf Massensportarten wie Fußball, Basketball und Laufen konzentrieren. „Kleinere Marken haben hier durchaus Chancen, Kunden zu finden“, sagt Intersport-Manager Jost.

Der Einkaufspezialist denkt dabei vor allem an Schwimmausrüster wie Speedo, aber auch an das 1996 als T-Shirt-Hersteller gestartete Unternehmen Under Armour aus den USA. Auch die Amerikaner peilen Wachstum außerhalb ihres Heimatmarktes an und setzen damit Puma und Asics unter Druck. Noch sind die Erlöse von Under Armour jenseits der Landesgrenzen vergleichsweise mickrig – zarte 89 Millionen von insgesamt knapp 1,5 Milliarden Dollar. Ändern soll das nun ein Deutscher. Under-Armour-Boss Kevin Plank heuerte gerade den früheren Adidas-Manager Karl-Heinz Maurath für das Auslandsgeschäft an.

Dänische Underdogs

Für London plant der sonst eher großspurige Milliardär Plank recht kleinteilig. Under Armour stattet den US-Schwimm-Star Michael Phelps außerhalb des Schwimmbeckens aus. Stärker als Olympia steht dagegen Fußball auf dem Programm. In der Bundesliga rüsten die Amerikaner bereits Hannover 96 mit Trikots aus, in England kommen jetzt die Tottenham Hotspurs hinzu. Einen größeren Auftritt plant Plank frühestens für die WM 2014 in Brasilien und Olympia 2016 in Rio.

Doch nicht alle Sportartikelhersteller sehen in den fünf Ringen den großen Bringer. „Nein, an Olympia beteiligen wir uns nicht“, sagt Henning Nielsen, Marketingchef von Hummel. Der dänische Sportartikelhersteller hat als Markenzeichen Winkel und eine pummelige Biene. Die werden jedoch ausdrücklich nicht auf den Leibchen der Handballteams etwa von Polen oder Montenegro zu sehen sein, die Hummel bei Olympia einkleidet. Denn die Regeln sehen vor, dass Markenlogos nicht größer sein dürfen als 20 Quadratzentimeter. „Drunter machen wir es nicht“, sagt Nielsen der WirtschaftsWoche und verzichtet daher lieber. Die Teams starten nun in neutralen Shirts.

Die eigenwillige Haltung hat dem kleinen Unternehmen bislang offenbar nicht geschadet: In den vergangenen vier Jahren hat Hummel den Umsatz auf knapp 150 Millionen Euro verdreifacht, ganz ohne Stars wie Bolt. Stattdessen unterstützen die Dänen Underdogs: die Fußball-Nationalteams von Afghanistan und Sierra Leone.

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