Online-Händler im Interview "Zalando wird ein Modeunternehmen bleiben"

Zalando, das mittlerweile in 10 europäischen Ländern Schuhe, Kleidung und Heimtextilien verkauft, gilt als eines der erfolgreichsten Internet-Startups in Deutschland – und als eines der verschwiegensten. Im Interview mit WirtschaftsWoche Online sprechen die drei Geschäftsführer, Robert Gentz, David Schneider und Rubin Ritter über ihre Expansionsstrategie, erfolgreiche Werbung und Umsätze, über die sie eigentlich nichts verraten wollen.

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Ein Paket-Container mit einem Zalando-Paket Quelle: dpa

Wirtschafswoche Online: Vier Jahre nach der Gründung ist Zalando heute Europas größter Online-Only-Versand von Schuhen und Kleidung. Wollten Sie von Anfang an die Nummer 1 in Europa werden?

Robert Gentz: Wo wir heute mit dem Unternehmen stehen, war damals gar nicht vorstellbar. Als wir im Oktober 2008 gestartet sind, hatten wir das Lager für die Schuhe in unserem kleinen Büro, der Kundenservice lief über das Handy. Nur zwei Wochen nachdem wir Online gingen, kam die Lehman-Krise und die Wirtschaft sackte ab. Auch sechs Monate später waren wir gerade Mal 15 Leute.

David Schneider: Am Anfang wollten wir auch nur mit Schuhen durchstarten. Kleidung und Heimtextilien zu verkaufen, war nicht geplant. Dann aber ging doch alles schneller, als wir erwartet haben.

Wann kam die Wachstumsexplosion?

Schneider: Wir haben uns zu Beginn darauf konzentriert, dass die Prozesse alle perfekt laufen und die Infrastruktur optimiert. Anfang 2010 kam die Sache dann richtig ins Rollen. Wir haben die Einkaufsvolumina hochgefahren und im März 2010 mit der Fernsehwerbung begonnen. Damals hatten wir weniger als hundert Mitarbeiter, heute sind es mehr als 1000. Entscheidend war, dass wir das nötige Kapital hatten, um diesen Wachstumskurs zu gehen.

Viele Beobachter sagen, die Entscheidung explosionsartig zu wachsen, wurde nicht bei Zalando getroffen. Vielmehr sei es der Plan der drei Investoren Oliver, Marc und Alexander Samwer gewesen, die Zalando seit der Gründung finanziert und beraten haben. Wurde Zalando der Wachstumskurs aufgezwungen?

Schneider: Die Samwerbrüder mit ihrem Inkubator Rocket Internet haben uns anfangs sehr unterstützt. Auch heute stimmen wir uns bei Themen ab, die die Unternehmensstrategie betreffen; allerdings mit dem gesamten Gesellschafterkreis. Die Entscheidungen auf der operativen Ebene treffen nur die Geschäftsführer.

Die Online-Schuhhändler Zalando aus Berlin und Spartoo aus Grenoble kämpfen um die Marktführerschaft in Europa – teuer und mit Vollgas die Deutschen, eher dezent die Franzosen.
von Benjamin Reuter

Wie oft telefonieren Sie denn mit den Samwers, um die Geschäftsstrategie abzustimmen?

Gentz: Ab und an telefonieren wir zu einigen Themen. Aber es nicht so, dass wir jede Woche zu einem festen Zeitpunkt eine Telefonkonferenz schalten. Wir sind inzwischen ein eigenständiges großes Unternehmen.

Zalando gilt in der Branche als ebenso erfolgreich wie verschwiegen. Vielleicht verraten Sie trotzdem, wie viel Umsatz Sie gerade machen?

Rubin Ritter: Zu aktuellen Zahlen möchten wir uns nicht detailliert äußern. Nur so viel: Wir sind mit den Umsätzen zufrieden. Im ersten Halbjahr 2011 hatten wir einen Umsatz von rund 200 Millionen Euro und seitdem sind wir weiter extrem stark gewachsen. Allein im April haben wir 250 neue Mitarbeiter eingestellt.

Erfolg mit dem richtigen Marketing-Mix

Knackt Zalando in diesem Jahr die Umsatzgrenze von einer Milliarde Euro?

Ritter: Lassen Sie sich überraschen. Wir arbeiten daran, aber man muss sehen, wo wir am Ende des Jahres herauskommen.

Stimmen die 300 Millionen Euro Investitionskapital, die Beobachter Zalando zuschreiben?

Ritter: Wir haben mit den Investoren vereinbart, dass wir uns dazu nicht äußern. Wir sind auf jeden Fall solide finanziert und wir haben Gesellschafter, die unsere Investitionen in weiteres Wachstum stemmen können und dazu auch bereit sind.

Auf wie viele Monate im Voraus plant Zalando das Wachstum? Oder reagieren Sie immer nur kurzfristig auf die Entwicklungen?

Ritter: Durch das saisonale Geschäft müssen wir sehr genau planen, was wir in einem halben Jahr und auch in einem Jahr machen. Wir müssen zum Beispiel die Bestellungen für Schuhe und Kleidung entsprechend platzieren. Danach errechnen wir dann die Kapazitäten, die wir brauchen, zum Beispiel an Mitarbeitern und Logistik.

Gentz: Im Rückblick lagen wir immer ziemlich richtig mit unseren Prognosen, was in den kommenden sechs oder zwölf Monaten passiert. Das dann in eine Wachstumsstrategie umzusetzen, ist dennoch nicht einfach. Denn Wachstum, Logistik, Mitarbeiterzahl, Einkauf und Marketing müssen perfekt aufeinander abgestimmt sein.

Apropos Marketing. Zalando hat laut den Marktanalysten von Nielsen im Jahr 2011 TV-Spots im Wert von rund 90 Millionen Euro gesendet. Das ist ein ziemlich einfaches Erfolgsrezept, um einen Markt von aufzurollen, oder?

Gentz: Viele meinen, unser Erfolg hätte erstens mit unserem Kapital zu tun und zweitens mit der TV-Werbung, die wir dafür schalten. Fakt ist jedoch, dass der deutlich überwiegende Teil der Marketingausgaben im Bereich Online liegt und das TV-Marketing in jedem unserer Märkte nur einen kleinen Teil des Marketing-Mixes darstellt. TV hilft der Markenbekanntheit und dem Vertrauen in die Marke, die Kunden werden jedoch nach wie vor mit Online-Marketing gewonnen.

In Frankreich hat sich die Investition in die TV-Kampagnen gelohnt?

Gentz: In Frankreich war Fernsehen ein wesentlicher Baustein, um den Markt aufzubauen. Dabei sind wir erst im Dezember 2010 gestartet. Da wir in diesem Jahr 150 Millionen Euro Umsatz in Frankreich anpeilen, kann man sagen, dass sich die Fernsehwerbung gelohnt hat. Die Markenbekanntheit liegt in Frankreich aktuell bei 89 Prozent.

Kein allgemeingültiges Erfolgsrezept

Bequemerweise haben Sie in Frankreich auch gleich die TV-Spots aus Deutschland übernommen und die Sendung "The Voice" gesponsert. In Deutschland und den Niederlanden war es eine Topmodel-Sendung. Wird nach dem Vorbild jetzt der gesamte europäische Markt aufgerollt?

Ritter: Es gibt kein allgemeingültiges Erfolgsrezept. Grundsätzlich ist jeder Markt anders, in jedem Land erwarten die Kunden von einem Onlinehändler etwas anderes, sei es beim Angebot, zum Beispiel bei der Markenauswahl, oder dem Service. Andererseits gibt es natürlich Überschneidungen und Synergien. Was unsere Einkäufer in London für den englischen Markt finden und dort gut verkaufen, läuft später im Rest Europas auch gut. England ist ein Leitmarkt, der modisch meist ein halbes Jahr voraus ist.

Gerade ist Zalando in Belgien, Schweden und Spanien an den Start gegangen und ist jetzt in 10 europäischen Ländern präsent. Geht das Wachstum in diesem Tempo weiter?

Ritter: Wir investieren solange, wie sich die Investitionen in Neukunden rechnen. Wenn wir den europäischen mit dem sehr weit entwickelten amerikanischen Markt vergleichen, sehen wir in Deutschland und insgesamt in Europa noch großes Wachstumspotential. Das werden wir ausschöpfen. Außerdem werden wir die Substanz des Unternehmens stärken, also in die Logistik und die IT investieren.

Gehört zur Expansionsstrategie auch ein Ausbau der Produktpalette? Wird es also neben Schuhen, Kleidung und Heimtextilien bald auch Fernseher bei Zalando geben?

Schneider: Das müsste schon ein sehr schicker Fernseher sein ... nein, im Ernst, Zalando wird ein Modeunternehmen bleiben. Wir konzentrieren uns jetzt auf den Ausbau der aktuellen Kategorien. Bei Heimtextilien zum Beispiel weiten wir das Angebot noch aus.

Ist das ein erster Schritt, demnächst Profite zu erwirtschaften?

Schneider: Natürlich ist es unser Ziel, in allen Kategorien profitabel zu arbeiten. Aber wir fixieren keine Budgets oder Gewinnziele für die nächsten Jahre. So lange es sinnvoll ist und es sich lohnt, so lange investieren wir in Wachstum

Das klingt nach hohem Kapitalbedarf. Werden diese Investitionen demnächst über einen Börsengang finanziert?
Gentz: Nein, momentan gibt es dafür keinen Grund. Obwohl Zalando ein Unternehmen ist, das von der Struktur, von der Story und dem Potential her vielleicht irgendwann an die Börse gehen wird. Fokus ist aktuell aber das operative Geschäft. Dafür sind wir gut durchfinanziert und was in zwei, drei Jahren diesbezüglich passiert, werden wir dann entscheiden, wenn die Entscheidungen getroffen werden müssen.

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