Online-Lebensmittelhandel Wie Picnic die Deutschen vom Wocheneinkauf im Internet überzeugen will

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Die Rückkehr des Milchmanns

Diesen Preisvorteil kann sich Picnic laut eigener Aussage dank einer speziellen Lieferweise erlauben. Die Runner, wie Knaudt seine Kuriere nennt, fahren die Städte nach dem „Milchmann-Prinzip“ ab. Mehrmals am Tag fahren die Lieferwagen durch die Straßen im Rheinland. Die Kunden können über die Picnic-App ein Zeitfenster von 20 Minuten pro Tag auswählen, in dem sie die Lieferung entgegennehmen.

Anders funktioniert es bei den meisten Online-Supermärkten. Diese fahren keine festen Routen ab. Sollte es passieren, dass zwei Haushalte, die im gleichen Haus wohnen etwas bestellen, kann es vorkommen, dass ein Lieferwagen zwei Mal am Tag zur gleichen Adresse fahren muss. Erst mittags, dann nochmal abends. Das ist aufwändiger und entsprechend teurer als das Milchmann-Prinzip von Picnic. „Dadurch fahren wir die Kunden in einer Kette ab und schaffen drei Mal mehr Auslieferungen in der Stunde als die Konkurrenz“, sagt zumindest Deutschlandchef Knaudt.

Durch eine Kooperation mit Edeka Rhein-Ruhr kommt Picnic an die Lebensmittel. Diese werden ins Zentrallager von Picnic geliefert. Das steht in Viersen und ist ein altes Tengelmann-Lager. Von hier aus geht es für die Einkäufe der Kunden zu verschiedenen Hubs, wo sie in die Lieferwagen von Picnic geladen werden. Um die Lebensmittel während des gesamten Transports ausreichend zu kühlen, errechnet ein Algorithmus für jedes Produkt die benötigte Menge an Kühlmittel. So will Knaudt nichts verschwenden und die Produkte trotzdem mit der optimalen Temperatur zum Kunden bringen.

Die Unterschiede zu einem Supermarkt in der Stadt sollen nur gering sein: „Bei uns findet man alles, was es in den meisten Supermärkten auch gibt. Es gibt nur kleine Ausnahmen: Wir haben zum Beispiel keine dutzend verschiedenen Sorten Meersalz“, sagt Knaudt. Geliefert werden die Produkte in eigens entwickelten Elektro-Lastern, die gerade einmal 1,35 Meter breit sind und somit auch in engen Straßen keinen Stau verursachen. Die Laster produziert Picnic selbst, weil es auf dem Markt kein Modell gegeben habe, das auf die Ansprüche des Start-ups passte. 40 der E-Laster sind derzeit im Rheinland unterwegs.

Von der Stiftung Warentest wurde Picnic noch nicht getestet. Man wäre laut Knaudt aber gerne bei dem Test dabei gewesen. Vielleicht ist es soweit, wenn das Start-up in weitere Städte expandiert. Das soll demnächst passieren.

Großbritannien als Vorbild

Anderswo werden bestehende Probleme offenbar schneller gelöst: „In Großbritannien beträgt der Onlineanteil am Lebensmittelhandel schon heute etwa fünf Prozent. Wenn wir in Deutschland so weit kommen würden, dann würde diese junge Branche 12,5 Milliarden Euro Umsatz im Jahr machen“, erklärt Unternehmensberater Christian Wulff. „Bei all der Kritik muss man sich auch diese beachtliche Summe vor Augen führen.“

Und trotzdem, in Deutschland sind wir noch nicht mal in der Nähe dieser fünf Prozent. 1,5 sind es derzeit. Probleme gibt es noch genug, auch wenn die Akzeptanz der Verbraucher steigt. Sie steigt allerdings nur gemächlich. Schuld daran sind zu viele Einschränkungen: Seien es hohe Mindestbestellwerte oder der Fakt, dass die meisten Anbieter keine Getränkekisten, sondern aus logistischen Gründen nur einzelne Flaschen und Sechserpacks liefern. „Ich glaube nicht, dass der Onlineanteil hierzulande in absehbarer Zeit auf 20 Prozent und mehr steigen wird“, sagt Wulff. Das ist keine waghalsige Prognose, alles andere wäre nämlich eine echte Überraschung.

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