Für Gentz, Schneider und den 2010 dazugestoßenen Vorstand Rubin Ritter, der wie die beiden Gründer an der WHU Vallendar studiert hat, eine Gratwanderung: Sie müssen Konzernstrukturen schaffen, die Start-up-Wendigkeit erhalten, alle Bedenken zerstreuen, dass der Siegeszug der Verkaufsmaschine ins Stocken gerät und Zalando in Richtung Gewinnzone treiben.
Bisher schreibt nur die Region Deutschland/Österreich/Schweiz schwarze Zahlen. Insgesamt verliert das Unternehmen Geld. Dass Umsatz und Verlust 2013 fast im Gleichschritt gestiegen sind, dürfte Finanzexperten wenig begeistern.
Ein Blick auf den Online-Shop verrät den Grund: „Sale Endspurt“ verheißt ein roter Button auf der Startseite und wirbt mit Preisnachlässen „bis zu 70%“. Der Kundenschwund infolge widriger Witterungsbedingungen habe Rabattschlachten im Textilhandel entfacht, heißt es im Zalando- Umfeld. Zudem schlagen Anlaufkosten für neue Logistikstandorte ins Kontor.
Doch Investoren sind derlei Argumente im Zweifel egal. Sie wollen vor einem Börsengang sehen, dass Gewinne zumindest in Reichweite rücken. „Die Chefs müssen Zalando auf Profitabilität trimmen“, bringt es ein früherer Manager auf den Punkt.
Wenig Sparpotenzial
Als Mittel der Wahl gilt ein Mix aus Kostensenkungen und Skalierung, sprich: Mit jedem zusätzlichen Euro sollen die relativen Kosten für Logistik und IT-Struktur sinken. Zudem dürfte das Management den Ausbau margenstarker Eigenmarken vorantreiben. Rund ein Dutzend Eigenkreationen wie die Schuhmarke Zign und das Kleiderlabel Kiomi gibt es schon.
Das wirkliche Sparpotenzial ist indes überschaubar. Auf den Markteintritt in neuen Ländern wird die Führungscrew wohl vorerst verzichten. Unrentable Projekte wurden bereits Ende 2013 eingestampft. So wurde beschlossen, den Luxusmodeableger Emeza einzumotten. Das Anpacken der wirklich großen Kostenblöcke, etwa für Retouren und Marketing, gilt als wesentlich gefährlicher. Denn fällt das Kostenregiment zu rigide aus, schrumpfen die Wachstumsraten wie Wollpullis in der 90-Grad-Wäsche.
Zalando auf einen Blick
Die Berliner Robert Gentz und David Schneider starteten im Oktober 2008 mit dem kleinen Online-Schuhshop Zalando. Ihr Büro diente als Warenlager, der Service lief über ihre Mobiltelefone.
Zu den Investoren zählen die Tengelmann-Gruppe (6 Prozent), der Facebook-Investor Digital Sky Technologies DST (9 Prozent), Holtzbrinck Ventures (8 Prozent) sowie die Samwer-Brüder Marc, Oliver und Alexander über ihren Berliner Startup-Entwickler Rocket Internet und European Funders Fund (17%). Die schwedische Investment AB Kinnevik hat mehrfach aufgestockt und hält mittlerweile 36 Prozent an Zalando direkt und indirekt via Rocket Internet. Damit sind die Schweden die größten Gesellschafter des E-Commerce Unternehmens. Im August 2013 stieg die Mode-Gruppe Bestseller von Anders Holch Povlsen mit 10 Prozent ein. Er kaufte u.a. Holtzbrinck und Tengelmann Anteile ab. Weitere Investoren wie der russischen Dotcom-Finanziers Yuri Milner halten insgesamt zusammen 13,5 Prozent.
Zalando expandierte in den vergangenen vier Jahren extrem schnell und aggressiv in ganz Europa und ist mittlerweile in 15 Ländern aktiv. Dafür setzte das Unternehmen große Summen für das Marketing, vor allem TV-Spots ein. Das Marktforschungsunternehmen Nielsen berechnete die Ausgaben für die Spots im Jahr 2011 allein in Deutschland auf 90 Millionen Euro. Der Bekanntheitsgrad der Marke Zalando liegt in der werberelevanten Zielgruppe bei 95 Prozent. In Frankreich kennt den Online-Händler nach einem Jahr am Markt bereits jeder Zweie.
Laut Bundesanzeiger wies Zalando für 2009 einen Fehlbetrag von 1,6 Millionen aus. 2010 waren es 20,4 Millionen. Der Umsatz lag 2010 bei 150 Millionen Euro. 2011 waren es bereits 510 Millionen Euro, 2012 hat Zalando die Milliarden-Marke mit 1,15 Milliarden Euro Nettoumsatz geknackt und den Vorjahresumsatz verdoppelt. 2013 kletterte der Umsatz um 52 Prozent auf 1,76 Milliarden Euro. Dabei steht aber ein Rekordverlust von 100 Millionen Euro in den Büchern.
Zalando beschäftigt aktuell mehr als 1200 Mitarbeiter. In Berlin entsteht ein neuer Bürokomplex mit 20.000 Quadratmetern für mehrere hundert Mitarbeiter. Ab Sommer 2013 sollen weitere Büroflächen in Berlin Mitte angemietet werden. In Erfurt eröffnet Anfang Dezember das erste eigene Logistikzentrum, mit dem Bau eines weiteren hat der Online-Händler in Mönchengladbach begonnen, hier sollen bis zu 1000 Beschäftigte arbeiten.
Wie empfindlich Investoren selbst auf vage Anzeichen einer Wachstumsdelle reagieren, hat das Telekomkonglomerat Kinnevik bereits im Vorfeld der Zalando-Zahlen zu spüren bekommen. Die Schweden halten 36,5 Prozent der Anteile und sind der größte Aktionär noch vor den Investorenbrüdern Samwer (siehe Kurztextgalerie).
Eine große Wette
Nachdem kürzlich Daten eines Internet-Marktforschers bekannt wurden, wonach die Zahl der Zalando-Shopbesucher im Dezember nur noch 26,4 Prozent über dem Vorjahreswert lag, brach der Aktienkurs von Kinnevik ein. Kurz zuvor war Mia Brunnel Livfors, langjährige Konzernlenkerin und Chefkontrolleurin von Zalando, zurückgetreten. Wie wichtig die Berliner sind, zeigt die Nachfolge: Cristina Stenbeck, Vertreterin einer Kinnevik-Großaktionärsfamilie und Verwaltungsratschefin, soll dem Vernehmen nach den Zalando-Aufsichtsratsvorsitz übernehmen.
Stenbeck ist eine der reichsten Schwedinnen. Die heute 36-Jährige nahm angeblich schon als 14-Jährige an ihrer ersten Besprechung im väterlichen Unternehmen teil, lebte lange in New York und ist maßgeblich für die Online-Ausrichtung von Kinnevik verantwortlich. Zalando ist auch für sie die größte Wette.