Online-Möbelhandel Wo bleibt das Zalando der Möbelbranche?

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Möbelhandel: Die Vorzüge des Probesitzens

Doch die Amerikaner machen unabhängig davon deutlich, dass sie im deutschen Möbelgeschäft mitmischen wollen. Anfang 2019 hat Amazon zwei eigene Möbellinien ins Programm genommen: Movian, in Preis und Design offenbar von Ikea inspiriert, sowie die höherpreisige Marke Alkove.

Auch der Hamburger Handelsriese Otto nennt sich „Deutschlands führender Online-Möbelhändler“. Allerdings ebenfalls, ohne Ross und Reiter zu nennen. Bisher hat Otto nur einmal eine Umsatzzahl für seinen Online-Geschäftsbereich „Home&Living“ veröffentlicht: Für das Geschäftsjahr 2017/2018 (März 2017 bis Februar 2018) lag der Umsatz dieser Sparte bei mehr als 950 Millionen Euro. Dazu zählt Otto aber nicht nur Schränke, Tische und Betten, sondern auch Teppiche, Gardinen und Dekorationsartikel. Und seitdem? Eine Otto-Sprecherin teilt auf Anfrage unserer Redaktion mit, in den vergangenen beiden Geschäftsjahren sei der Möbelbereich (als Teilbereich von „Home&Living“) jeweils „zweistellig gewachsen“. Wie hoch aber der Möbel-Anteil an „Home&Living“ ist, verrät Otto nicht.

Im Sommer 2019 kündigte Otto an, seine 24-Stunden-Lieferung in Zukunft auch auf die Möbel auszurollen – gerade bei Polstermöbeln ein nicht leicht einzuhaltendes Versprechen. Dafür baute Otto in Nürnberg ein großes Logistikzentrum auf. André Müller, seit 32 Jahren bei Otto, leitet seit drei Jahren die Sparte „Home&Living“. Auf der Internationalen Möbelmesse in Köln im Januar stellte Otto nun bereits das dritte Jahr in Folge aus. Die Durchdringung im Online-Möbel-Handel, sagte Müller jüngst im Otto-eigenen Podcast, „ist noch nicht ganz so hoch“. Die größte Herausforderung sei die Haptik: Stoff- und Holzmuster können Otto-Kunden kostenlos bestellen, um sie mal anzufassen. Otto wolle in Zukunft beim Online-Möbel-Kauf noch mehr Service bieten und mehr Informationen, erklärte Müller, ähnlich wie Matratzenhändler: mit Informationen über Härtegrade, Zonen, Sitzaufbau und Federkern – dann sei eine Beratung „noch besser möglich“.

Interessanterweise erkennen auch vormals reine Online-Händler gewisse Vorzüge darin, ihren Kunden das Sofa zum Anfassen und Draufsetzen zur Verfügung zu stellen. Home24 etwa betreibt mittlerweile sieben Geschäfte in Deutschland. Auch Konkurrent Westwing eröffnet „hin und wieder“ und „für kurze Zeit einen Pop-Up-Store, damit unsere Kunden die Artikel vor dem Einkauf auch hautnah erleben können“, schreibt das Unternehmen auf seiner Webseite.

Der Möbel-Marktführer spricht: Ikea-Deutschland-Chef Dennis Balslev erklärt seine Ideen von kleinen Innenstadt-Filialen, den Erfolg der Lautsprecher-Lampe und die Zukunft der Smart-Home-Produkte.
von Stephan Knieps

Und der Marktführer? Ikea Deutschland ist mit einem Gesamtumsatz von 5,3 Milliarden Euro Deutschlands Möbelkönig. Doch während der Gesamtumsatz 2019 im Vergleich zum Vorjahr nur um moderate 5,5 Prozent zulegte, eskalierte Ikeas Online-Anteil in Deutschland um 33 Prozent auf nunmehr 494 Millionen Euro. Damit hat Ikea einen Online-Anteil von 9,4 Prozent erreicht. Der durchschnittliche Online-Anteil aller Ikea-Landesgesellschaften weltweit liegt sogar bereits bei 11 Prozent. Ikea-Deutschland-Chef Dennis Balslev erklärte der WirtschaftsWoche: „In Deutschland ist man eher traditionell: Der Online-Anteil am gesamten Handel in Deutschland ist kleiner als in vielen anderen Ländern“. Eines Tages aber werde er auch hier zweistellig sein.

Doch trotz des derzeitigen Online-Wachstums – die nun gewohnten Steigerungsraten werden auch wieder an Kraft einbüßen, prophezeit Sebastian Deppe von der Handelsberatung BBE: „Der Möbelkauf ist nicht so einfach zu digitalisieren wie etwa der Kauf von Büchern, Elektronik oder Kleidung.“ Das liege vor allem an der „komplexen Wertschöpfungskette der Möbel“: Je höher der Preis des Möbelstücks, desto seltener kauft man sich solch ein Produkt und desto sorgfältiger wählt man es auch aus. „Bestimmte Sortimentsbereiche eignen sich besser für den Onlinehandel, aber insgesamt wird die Möbelbranche nicht die breite Online-Verteilung finden wie andere Branchen.“ Uwe Krüger von der IFH Köln stimmt zu: „So hoch wie etwa bei Büchern oder Elektronik wird der Online-Anteil im Möbelmarkt wohl nicht steigen.“

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