Onlineauftritte von Kaufhof, Karstadt und Co. Warenhäuser verschlafen den digitalen Wandel

Deutsche Warenhäuser haben den Kampf gegen die Online-Konkurrenten im Internet verloren. Schlimmer noch: Die Kunden wenden sich von ihnen ab. Händler müssen dringend handeln.

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Sie haben es verbockt. Deutschlands Waren- und Modehäuser haben den Onlinehandel unterschätzt, den digitalen Wandel verpennt und treiben die Kunden in die Arme der Konkurrenz. Das zumindest legt eine repräsentative Umfrage des Technologieunternehmen trbo nahe, die der WirtschaftsWoche exklusiv vorliegt.

1000 Kunden hat das auf Datenanalyse und Shop-Optimierung fokussierte Start-up nach ihrer Haltung zu den Onlineauftritten von acht großen Traditionshäusern befragt. Um es vorwegzunehmen: Sie stellen den Internet-Angeboten kein gutes Zeugnis aus.

Ein großer Teil der Deutschen hält die Onlineportale der deutschen Warenhäuser für beliebig und austauschbar. Auf den Punkt gebracht: In der Masse der Einkaufsportale im Netz sind sie im schlimmsten Fall überflüssig.

Das Dilemma beginnt schon bei einem grundlegenden Problem: Nicht jedem Konsumenten ist klar, dass es die Warenhäuser überhaupt digital gibt. Zu leiden haben besonders die kleineren, regionalen Modehäuser. Breuniger, Wöhrl oder AppelrathCüpper könnten theoretisch die ganze Republik beliefern. Praktisch kennt die Internetshops weniger als ein Drittel der Befragten. Die Existenz von karstadt.de und die Onlineauftritte von Galeria Kaufhof und C&A sind immerhin mehr als zwei Dritteln bekannt.

„Mit der Bekanntheit ihrer Online-Shops können zumindest die großen Warenhäuser noch einigermaßen zufrieden sein“, sagt trbo-Geschäftsführer Daniel Kirchleitner. Doch die Probleme liegen tiefer. „Die Shops werden wahrgenommen, aber dann kehren ihnen viele Leute den Rücken. Das zeigt doch, dass da einiges total falsch läuft.“

So bekannt sind die Online-Shops der Warenhäuser


Tatsächlich: Abgesehen von C&A schafft es laut der Umfrage kein Waren- oder Modehaus, auch nur die Hälfte der Shop-Besucher zu regelmäßigen Kunden zu machen. „Viele Kunden sagen ‚Einmal und nie wieder‘“, erklärt Kirchleitner den Befund.

Haben sie die Wahl zwischen Kaufhausfiliale und deren Online-Shop, entschieden sich in der Umfrage viele Kunden für die Filiale. Einkaufen mache dort mehr Spaß, man könne besser stöbern und erhielte Beratung, sagen viele.
Dabei ist diese Wahl in Wahrheit wohl nur eine theoretische. In der Realität werden viele Kunden beides meiden - und bei einem anderen Online-Shop bestellen.

Dass viele Waren- und Modehäuser online Probleme haben, ist für Branchenkenner kein Geheimnis. Das wäre halb so schlimm, wenn es im Kerngeschäft gut liefe. Doch auch dort sieht es finster aus. Nachdem Nicolas Berggruen den Karstadt-Konzern an René Benko überschrieben hatte, räumte er ein, die Wucht des digitalen Wandels unterschätzt zu haben.

Warum die Deutschen Online-Shopper sind


Und nicht nur der tiefe, schier endlose Fall von Karstadt zeigt den Umbruch. „Das einst erfolgreiche Konzept der Warenhäuser, den Kunden ein Vollsortiment von Bekleidung bis hin zu Lebensmittelwaren zu bieten, wird von einem zunehmenden Teil der Käuferschaft als nicht mehr zeitgemäß betrachtet“, analysieren Branchenexperten im aktuellen Handelsmonitor.

Fast zwei Drittel der Bundesbürger kaufen einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov zufolge nur noch selten in Warenhäusern ein, jeder zehnte nie. Nur noch jeder vierte Befragte geht demnach noch regelmäßig zum Shoppen zu Karstadt, Kaufhof und Co. Vor allem junge Leute zwischen 18 und 24 Jahren meiden der Umfrage zufolge die Einkaufstempel. Mehr als 80 Prozent von ihnen gaben an, selten oder nie in Warenhäusern einzukaufen. Am häufigsten sind dort demnach noch die über 55-Jährigen zu finden.

Was Warenhäuser online besser machen müssen

Den Modehäusern stehen ebenfalls turbulente Zeiten bevor. Zalando, Amazon & Co wirbeln den Markt auf. Wenn die Textilbranche wächst, dann in der Regel online. Bereits heute werden zehn Prozent der Bekleidungsumsätze laut des Bundesverbands für Versandhandel online gemacht. Branchenkenner sehen insbesondere Discount-Modehändler wie C&A in Gefahr.


Wollen die großen Händler in Zukunft überleben, müssen sie nach Einschätzung der meisten Handelsexperten im Netz präsent sein. „Die Umfrageergebnisse zeigen aber deutlich, dass viele Händler die Digitalisierung noch immer nicht verstanden haben“, urteilt Gerrit Heinemann, Professor für Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Managementlehre, Handel und Einzelhandel an der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach. Keiner der untersuchten Online-Shops erreiche auch nur annähernd das Niveau internationaler Konkurrenten. Die sind aber aus Kundensicht die relevanten Wettbewerber – und nur einen Klick entfernt.

Das steht auch für Daniel Kirchleitner fest. Er glaubt, dass die Online-Shops der stationären Händler derzeit weder in puncto Benutzerfreundlichkeit noch Bedienkomfort mit den großen Online-Shops mithalten können. Mit eklatanten Folgen: „Der Kunde verliert unterwegs den roten Faden und findet nicht das, was er sucht“, sagt Kirchleitner. „Das machen Konkurrenten wie Amazon und Zalando einfach sehr viel besser. Und das liegt nicht allein an der größeren Produktauswahl.“ Es fehle vielfach an technischen Hilfestellungen wie etwa automatischen Vorschlägen von ähnlichen oder zum Produkt passenden Artikeln.

Click & Collect
Gerade bei vermeintlichen Stärken patzen die stationären Händler im Internet, glaubt Kirchleitner. „Besonders die Zielgruppe 55-Plus überträgt ihre Erwartungen von der Offline in die Online-Welt“, sagt er. Das betreffe zum Beispiel die Betreuung.

Ein Beispiel: Steht dem Käufer im Warenhaus ein Verkäufer zur Seite, will er vermutlich auch im Internet Beratung. Liefern könnten die Shops die etwa über Chatfunktionen oder Kundenbewertungen. Services, die bei Online-Angreifern wie Amazon Mindeststandard sind, sucht der Kunde auf den Websites der Warenhäuser aber meist vergebens.

Das denken die Deutschen über die Online-Shops der Warenhäuser

Dass sie digital aufrüsten müssen, wissen die Mode- und Warenhäuser selbst. „Wenn der Kunden den Anzug nicht bei uns bekommt“, sagt ein Sprecher der Warenhauskette Breuninger. „dann holt er ihn sich bei Amazon oder Zalando.“ Schon deshalb baue man das Online-Angebot kontinuierlich aus. Besonderen Erfolg verspreche dabei die Multi-Channel-Ansätze, also alles was die verschiedenen Einkaufskanäle miteinander verzahnt.

„Click & Collect“ heißt das Schlagwort, das seit einiger Zeit die Branche umtreibt. Wer etwa in den Online-Shops von Breuninger oder C&A ein Produkt bestellt, kann es sich nicht nur nach Hause, sondern auch in die nächstgelegene Filiale liefern lassen. Dort gibt es im Optimalfall weitere Beratung und die Möglichkeit zum Umtausch. Das Angebot sei ein voller Erfolg, heißt es etwa bei C&A. „Mittlerweile nutzt ein zweistelliger Prozentsatz unsere Online-Kunden diesen Service“, so ein Unternehmenssprecher.

Millionen-Investitionen nötig

Breuninger und Galeria Kaufhof gehen auch den anderen Weg, holen das Internet in ihre Filialen und rüsten sie mit Tablets aus. Beratungsgespräche im Laden sollen auf den Online-Shop erweitert, Waren die nicht in der Filiale sind, gleich an die Wunschadresse bestellt werden – betreutes Online-Shopping also. Unabhängig von den einzelnen Besonderheiten: Unisono verweisen die stationären Händler auf ihre enormen Entwicklungssprünge und hohe Umsatzzuwächse im Onlinehandel in den vergangenen Jahren.

Das klassische Warenhauskonzept ist am Ende, zwischen Supermärkten und Discountern tobt der Kampf. Was bedeutet das für die Kunden? Wo kaufen wir in Zukunft ein? Welche Ladenkonzepte noch eine Chance haben.
von Stephan Happel

Das reicht alles nicht, kritisiert allerdings E-Commerce-Experte Gerrit Heinemann. „Die traditionellen Händler hinken noch immer meilenweit hinterher. Da werden Online-Shops geführt wie Filialen.“

Das vielgepriesene Multi-Channeling sei in Deutschland noch am Anfang. „Click&Collect“ sei vielfach gar „Etikettenschwindel“, weil es sich nur um eine einfache Anlieferung an den Laden handle. Doch den Warenkorb kurz vor dem Filialbesuch am gleichen Tag zusammenstellen zu lassen, sei in Deutschland nicht möglich, weil die Voraussetzungen fehlen. Schließlich müsste nicht nur die im Online-Shop gezeigte Ware vor Ort vorrätig ist, sondern auch alle Filialen bis auf Artikelebene informationstechnisch vernetzt sein. In vielen Waren- und Modehäusern undenkbar.

Wie es richtig geht, zeigen dabei manche stationären Händler in den USA und Großbritannien. Milliarden Dollar hat der schwächelnde Warenhaus-Riese Macy‘s in den Ausbau seines Onlinegeschäftes, in neue Services und Multi-Channel-Angebote gesteckt. Mit Erfolg: Laut Branchenschätzungen macht das Onlinegeschäft mittlerweile mehr als zehn Prozent des Umsatzes aus und verhilft Macy’s zu Stärke zurück.

Die britische Warenhauskette John Lewis macht mittlerweile sogar mehr als 25 Prozent ihres Gesamtumsatzes von rund 4,9 Milliarden Euro über ihren eigenen Online-Shop.

Kaufhaus oder Online-Shop - Was ist besser?

Davon sind die deutschen Traditions-Händler weit entfernt, was sowohl Technik als auch Anspruch angeht. Beispiel: Im Kalenderjahr 2013 lag der Online-Umsatz von Galeria Kaufhof bei rund 50 Millionen Euro. In drei Jahren, so der Plan, soll er bei zehn Prozent des Gesamtumsatzes liegen. Das wären immerhin etwa 300 Millionen Euro.

Hohe Investitionskosten

Zu wenig, sagen Kritiker. Während die Online-Angreifer mit hohem Tempo Innovationen und Weiterentwicklungen in den Markt drücken, agieren die stationären Händler eher zurückhaltend. „Da wird im Zeithorizont von einem Jahr gedacht“, sagt Heinemann. „Bei diesem Thema ist es aber wichtig, groß und in Zeiträumen von zehn oder zwanzig zu denken.“

Wer seinen Online-Shop aber wirklich groß aufziehen will, muss viel Geld zahlen. Schon die Investitionen in die Grundlagen kosten. Eine moderne Homepage, neue Funktionen für die Nutzerfreundlichkeit – da kommen schnell hohe Summen zusammen. Wer dann auch noch auf verschiedene Kanäle setzen will, muss noch tiefer in die Tasche greifen - und mitunter sein ganzes Waren- und Liefersystem anpassen.

Bei Karstadt müssten bis zu 500 Millionen Euro investiert werden, um auf ein konkurrenzfähiges Niveau zu kommen, schätzt Heinemann. Doch deutsche Händler investierten meist nur einstellige Millionensummen - zu wenig, meint der Experte:

„Das reicht gerade einmal für Kosmetik.“

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