Onlinehändler in der Kritik Amazons umstrittene Eigenmarken-Strategie

Mit dem elektronischen Lesegerät Kindle begann Amazon damit die komplette Wertschöpfungskette von der Produktion bis zum Verkauf der Ware zu übernehmen. Quelle: imago images

Mit Eigenmarken wie „Amazon Basics“ oder „Mama Bear“ macht der Onlinegigant nicht nur Markenherstellern Konkurrenz, sondern auch seinen eigenen Marktplatzhändlern. Die Zweifel wachsen, dass es dabei immer fair zugeht.

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Sie heißen „Mademark“, „Denali“, „Evansea“ oder auch „Amazon Pharmacy“ und gehören zu den neuesten Markenkreationen von Amazon. Seit Jahresbeginn hat der Online-Gigant diese und zahlreiche weitere Begriffe beim Deutschen Patent- und Markenamt schützen lassen. Sie dürften demnächst neue Eigenmarken-Produkte des Konzerns zieren; Mademark etwa für Shirts und Tops, Denali für Grillgeräte und Evansea für alkoholische Getränke.

Hunderte solcher Markennamen hat sich der amerikanische Versandkonzern in den vergangenen Jahren gesichert und treibt so eine Strategie voran, die einst mit dem elektronischen Lesegerät Kindle begann: Der Konzern übernimmt bei einzelnen Artikeln die komplette Wertschöpfungskette von der Produktion bis zum Verkauf der Ware – und kann so teils deutlich höhere Margen erzielen. Längst verkauft der Konzern etwa Batterien, Handy-Zubehör, Handtücher, Messerblöcke und Gymnastikbänder unter der Marke „Amazon Basics“. Teppiche gibt’s von der Eigenkreation „Movian“ und Windeln tragen oft das Amazon-Label Mama Bear. Wie viele Produkte Amazon insgesamt bereits aus dem eigenen Haus führt, ist unklar. Doch die Tendenz ist klar: Es werden mehr.

Dabei unterscheidet sich der Konzern auf den ersten Blick nicht groß von anderen Händlern wie Supermarktketten, die neben den klassischen Produkten von Markenherstellern in aller Regel auch ihre Eigenmarken verkaufen.

von Jacqueline Goebel, Max Haerder, Henryk Hielscher, Matthias Hohensee

Bei Amazon kommt jedoch ein weiterer Aspekt hinzu: Der Konzern verkauft nicht nur selbst Produkte, sondern fungiert auch als Marktplatz für Dritte. Schon früh hatte sich Amazon dafür entschieden, seine Plattform für externe Händler und Hersteller zu öffnen, die Sportzeug, Schmuck oder Technik auf eigene Rechnung anbieten. Ein genialer Kniff, durch den der Konzern die Auswahl für seine Kunden vervielfacht hat – und gleichzeitig an den Gebühren der Händler verdient.

Durch die Ausweitung der Eigenmarken macht der Konzern jedoch zusehends seinen eigenen Geschäftspartnern Konkurrenz. Ob dabei alles fair zu geht, fragen sich schon seit längerem Marktplatzhändler wie Kartellwächter. So gehen die europäischen Wettbewerbshüter schon seit geraumer Zeit Hinweisen nach, wonach Amazon Daten, die auf dem Marktplatz bei Transaktionen von Drittverkäufern erhoben werden, für eigene Zwecke nutzt. Der Verdacht: Amazon verfolgt, welche Artikel bei der Konkurrenz gut laufen und steigt mit eigenen Produkten dann möglicherweise selbst in diese Märkte ein. Auch in den USA reiben sich Kritiker an Amazons Doppelrolle als Marktplatzbetreiber und Händler.

Amazon hat bislang jedoch stets bestritten, die Daten seiner Geschäftspartner für eigene Produktentwicklungen zu nutzen. Doch nun verstärkt ein Bericht des „Wall Street Journal“ die Zweifel. Demnach sollen mehrere frühere Angestellte aus dem Private-Label-Geschäft die Daten von Marktplatzanbietern gezielt verwendet haben, um zu analysieren, in welchen Kategorien Amazon Eigenmarken starten könnte, welche Eigenschaften diese haben müssten und zu welchem Preis sie angeboten werden sollten. Als Beispiel wird eine Kofferraum-Tasche genannt: Dabei sollen die Amazon-Verantwortlichen Daten aus Umsatz, Marketing und Versand des Herstellers ausgewertet haben, um ein Konkurrenzprodukt zu entwickeln.

In einer Stellungnahme teilte Amazon mit, dass „die Store-Daten für die erwähnten Produkte aggregiert wurden und mehrere Angebote enthielten“. Den eigenen Mitarbeitern sei es zudem untersagt, nicht-öffentliche, händlerspezifische Daten zu verwenden, um daraus eigene Produkte zu entwickeln. Amazon kündigte an, den Vorwürfen im Rahmen einer eigenen Untersuchung nachzugehen, da das beschriebene Vorgehen gegen interne Richtlinien verstoßen würde.

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