Milliardenschwere Online-Unternehmen versuchen derzeit fieberhaft, Menschen wie Srijoni Sen für sich zu gewinnen. Die 30-jährige Juristin arbeitet für eine Denkfabrik in Indiens Hauptstadt Neu Delhi und organisiert ihren Alltag vor allem über Apps auf ihrem Smartphone.
Sen bestellt Kleidung bei Amazon und dem indischen Konkurrenten Flipkart, bucht Fahrten durch die 17-Millionen-Metropole mit Uber, nutzt den digitalen Bezahldienst Paytm für ihre Telefonrechnungen, kauft Kinokarten via Bookmyshow und sucht Restaurants mit Zomato aus. Selbst Nahrungsmittel bestellt die junge Frau mobil.
Sie lebe eben nicht mehr so wie die Vorgängergeneration, in der immer ein Familienmitglied daheim gewesen sei und den Haushalt schmiss, sagt Sen. Sie probiere viel aus, während sie ihren eigenen Lebensstil entwickle. „Die Dienste sind nicht immer perfekt“, sagt sie. „Ich wechsle viel zwischen konkurrierenden Anbietern hin und her.“
Das sind Amazons nächste Projekte
Unter Amazon Dash versteht der Internetkonzern eine Art Einkaufsliste auf Knopfdruck. Die kleinen Aufkleber mit Taste können die Kunden einfach im Haus an das Waschmittel oder an das Hundefutter kleben - und wenn die Packung leer ist, per Knopfdruck schnell bei Amazon eine neue bestellen. Bisher ist der Service nur für Kunden des Premiumdienstes Amazon Prime in den USA und in Großbritannien erhältlich - für 4,99 US-Dollar je Button.
Mit "Amazon Handmade" macht der Online-Händler Anbietern wie Etsy oder DaWanda Konkurrenz. Auf dem Marktplatz will Amazon Künstler und Bastler versammeln, die individualisierbare Produkte verkaufen: Selbstgeschneiderte Kleider und Taschen, Schmuck, Armbänder, Möbel. Die Plattform befindet sich in den USA noch im Aufbau. Wer dort verkaufen will, kann sich jetzt schon bewerben. Allerdings kostet ein professioneller Verkäufer-Account knapp 40 Dollar im Monat, und Amazon will bei jeder Bestellung zwölf Prozent Provision einstreichen. Bei anderen Plattformen sind diese Konditionen weitaus günstiger für die Verkäufer - allerdings erreichen sie dort wahrscheinlich nicht so viele Kunden. Ob und wann Amazon Handmade auch nach Deutschland kommen soll, ist nicht bekannt.
Über seine Plattform "Amazon Home Service" vernetzt der Online-Händler in den USA Techniker, Handwerker und Trainer mit seinen Kunden in den Großstädten. Wer bei Amazon einen neuen Fernseher kauft, kann also gleich einen Techniker beauftragen, der den Fernseher anschließt und einrichtet. Auch Yoga-Stunden und Gitarren-Lehrer lassen sich über die Plattform buchen. Bis zum Jahresende will Amazons einen Service in 30 amerikanischen Großstädten anbieten.
In der Amazon-Heimatstadt Seattle fährt seit diesem Sommer der "Treasure Truck" - ein Lkw, vollgeladen mit Sonderangeboten. Kunden können die Waren auf dem Truck per App bestellen und direkt liefern lassen - zum Beispiel ein Surfboard für den Preis von 99 Dollar anstatt den üblichen 499 Dollar.
Prime Music ist der Musik-Streamingdienst von Amazon, eine Konkurrenz zu Spotify oder Apple. Wer Mitglied beim Amazon Premiumdienst Prime ist, kann den Service in den USA und auch in Großbritannien ohne Zusatzkosten nutzen. Allerdings verfügt Amazon bisher nur über eine Bibliothek von etwa einer Millionen Songs.
Amazon begnügt sich schon lange nicht mehr, Medien zu verkaufen - der Online-Händler produziert sie mittlerweile auch selbst. Über seinen Streamingdienst zum Beispiel hat Amazon die ersten Folgen der Serie "The Man in the High Castle" veröffentlicht. Darin geht es um die Frage: Wie würde die Welt aussehen, wenn die Nazis den zweiten Weltkrieg gewonnen hätten? Auch einen eigenen Kinofilm mit dem Titel "Elvis & Nixon" produziert Amazon. Was danach kommt? Wahrscheinlich ein eigenes Videospiel. Laut Medienberichten hat Amazon Entwickler von bekannten Spielen wie World of Warcraft oder Halo verpflichtet.
Und an Konkurrenten besteht derzeit kein Mangel. Nicht nur lokale Geschäfte, auch viele westliche Unternehmen sehen in den aufstrebenden Ländern wie Indien ihre Chance auf viele, immer zahlungskräftigere Kunden. Innerhalb eines Jahres wuchs der Onlinehandel in Indien von 3,5 Milliarden auf 6 Milliarden Dollar an, so das Ergebnis einer Studie der Unternehmensberatung Pricewaterhouse Coopers. Das Wachstum soll weitergehen: Fünf Milliarden Dollar will alleine der Onlinehändler Amazon investieren. Indien, heißt es aus der Zentrale Seattle, soll nach den USA der zweitgrößte Markt werden. Und auch Alibaba aus China machen sich bemerkbar. Mit ihren Milliarden wollen die Onlinegiganten die bisherigen indischen Marktführer verdrängen.
Noch beherrschen die indischen Unternehmen Flipkart und Snapdeal den Markt. In immer neuen Finanzierungsrunden sammeln sie Hunderte Millionen Euro ein. Die Flipkart-Gründer Sachin und Binny Bansal - die nicht verwandt sind - haben es mit einem geschätzten Vermögen von 1,3 Milliarden Dollar in diesem Jahr zum ersten Mal auf die Liste der 100 reichsten Inder geschafft, die das Magazin „Forbes“ erstellt. Beide haben einst bei Amazon gearbeitet, ehe sie 2007 Flipkart gründeten. Eines ihrer Erfolgsmodelle: Zahlung bei Anlieferung - denn in Indien hat fast niemand eine Kreditkarte und nicht einmal die Hälfte ein Bankkonto.