Onlinemarktplatz Ebay räumt endlich auf

Ebay verabschiedet sich von "3, 2, 1, meins" und krempelt seinen Onlinemarktplatz gehörig um. Mit einer großangelegten Imagekampagne betont es das Neuwaren-Geschäft stärker und greift mit allerlei Neuerungen Amazon an.

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Ebay schafft Ordnung: Das neue Konzept lädt zum stöbern ein. Quelle: Collage

Vor mehr als 20 Jahren angetreten als Onlineauktionshaus, war es über Jahre ein Rätsel, was Ebay sein wollte: Anfangs gerierte sich das Unternehmen als Netzflohmarkt, dann setzte es verstärkt auf gewerbliche Verkäufer und Marken, nur um im Anschluss den Auktionshauscharakter zu betonen.

Auch die Abspaltung des Gewinnbringers Paypal 2015 trug nicht zu einer klaren Markenidentität bei. Von all dem ziellosen Lavieren übriggeblieben ist bis heute der Slogan „3, 2, 1, meins“. Und den will das Unternehmen loswerden.

„Durch die sehr erfolgreiche Brand-Kampagne von damals sind wir bis heute im wahrsten Sinne des Wortes ‚gebranded’“, sagt Ebay-Deutschland-Chef Stefan Wenzel. Das Geschäft mit Auktionen von Privatanbietern sei nach wie vor sehr wichtig, in der Wahrnehmung aber viel zu präsent. „Der Slogan von damals entspricht schlichtweg nicht mehr der Realität, in der wir uns heute befinden.“

Die Realität sieht heute so aus: Seit Jahren vertreibt das Unternehmen mehr als 80 Prozent seiner Waren über gewerbliche Händler, die neue Produkte zu einem Fixpreis anbieten – und befindet sich damit in direkter Konkurrenz zum Branchenprimus Amazon, gegenüber dem Ebay vor Jahren ins Hintertreffen geraten ist.

Onlinehandel: So kauft der Durchschnittsdeutsche ein

Damit auch beim Verbraucher ankommt, dass Ebay heute mehr ist als eine Auktionsplattform, hat der Konzern seine globale Markenstrategie überarbeitet. In Deutschland ist im November der erste Werbespot angelaufen, der auf dem neuen Markenbild fußt.

In dem 20-sekündigen Spot sind zu Anfang zwei junge Frauen zu sehen, die nach einer durchfeierten Nacht engumschlungen durch das verregnete Berlin laufen. Aus dem Off ertönt: „Die meisten Menschen stehen um 6:18 Uhr auf.“ Gezeigt werden allerlei Figuren wie die feierwütigen Frauen, die nicht den Klischees entsprechen, die die Off-Stimme aufzählt. Am Ende des Spots sagt die Stimme: „Aber seit wann bist du wie die meisten? Finde jetzt genau deins mit Millionen neuer Artikel bei Ebay.“ 

Der Spot ist nur der Auftakt zu einer größeren Kampagne, die zeigen will, dass Ebay für jeden Kunden die richtigen Produkte hat. „Die kommunikative Neuausrichtung wird uns dauerhaft begleiten, weil nur der stete Tropfen den Wahrnehmungsstein hüllt“, sagt Wenzel.

Anruf bei Mark Steier, der von 2001 bis 2012 auf Ebay Autoteile verkauft hat und mit mehreren 10.000 Verkäufen pro Monat einer der größten Händler auf Ebay war. Heute ist er Privatier und betreibt den Blog wortfilter.de, auf dem er die Online-Handelswelt rund um Ebay und Amazon analysiert. Auf die Frage, was er von der neuen Imagekampagne hält, stößt er aus: „Endlich!“ Und setzt nach: „Ebay wird sich jetzt seiner Stärken bewusst. Die hatte es schon immer, aber sie wurden nie richtig kommuniziert.“

Das können die deutschen Online-Händler
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Ebays Neuausrichtung

Um dem Claim „Genau deins“ gerecht zu werden, arbeitet Ebay aktuell an einigen Baustellen. Da wäre etwa das gigantische Sortiment: Weltweit hat Ebay mehr als eine Milliarde Produkte, 140 Millionen davon stammen aus Deutschland: Saisonwaren, Waren aus der Vorsaison, Sammlerstücke, Kunstwerke, Artikel von lokalen und von internationalen Händlern, von Markenherstellern und kleinen Manufakturen. „Der Ebay-Inventarkosmos macht uns einzigartig“, sagt Wenzel. Bis dato war dieser Kosmos aber auch schwer zu durchforsten.

Deswegen Ebay will einen neuen Zugang zu seiner Produktwelt bieten.

"Luft nach oben"

Bis dato waren die Artikel auffindbar über den Suchschlitz und das anschließende Durchforsten hunderter Seiten mit Ergebnissen. Heute arbeitet das Unternehmen zusätzlich mit „Kollektionen“, in denen sich allerlei Produkte zu bestimmten Themen finden. Auch Nischen wie „Gebrauchte Retroelektronik“ tragen dazu bei, das Einkaufserlebnis zu personalisieren.

Die verrücktesten Ebay-Auktionen

„Für relevante Konsumentengruppe ist Ebay in der Lage aus der enormen Angebotszahl relevante und schöne Einstiegsseiten zu generieren, die die Produkte konzentriert sichtbar machen“, sagt der frühere Ebay-Händler Steier. „Das Stöbern und Sich-inspirieren-lassen beim Einkauf ist etwas, wo Ebay Amazon weit voraus ist.“

Natürlich arbeitet das Unternehmen auch weiter an der Suchfunktion. „Das Einkaufsverhalten ist aber immer eine Frage des Moments“, sagt Wenzel. Wer etwa am Montagmorgen etwas suche, wolle wahrscheinlich möglichst effizient ein Problem lösen, wer hingegen sonntags suche, stöbere eher. „Wir wollen verstehen, worum es in der Session gerade geht und für beides die richtige Antwort bieten“, sagt Wenzel.

Vor allem beim Stöbern sieht er noch „Luft nach oben“. „Wir haben heute zunehmend die Möglichkeit, den Nutzer an die Hand zu nehmen und durch unser Sortiment zu führen, wenn er noch gar nicht genau weiß, wonach er sucht. Das ist für uns ein Paradigmenwechsel. Für den Nutzer bedeutet das, dass wir unser riesiges Produktsortiment noch einfacher erleb- und konsumierbar machen.“

Möglich macht das die Katalogisierung der rund eine Milliarde Artikel weltweit, an der das Unternehmen aktuell arbeitet. „Die Frage ist, wie viele Daten mute ich dem Verkäufer beim Einstellen eines Artikels zu“, erklärt Wenzel. Früher habe Ebay die Hürde eher niedrig gehalten wie die meisten Online-Marktplätze. Die Konsequenz: Die Artikel waren kaum vergleichbar und wenig übersichtlich aufgelistet „Das ist eine Entscheidung, die wir nun korrigieren, denn der Mehrwert der Katalogisierung ist enorm – für Käufer und damit auch für Verkäufer.“

Gerade räumt Ebay auf. Einzelne Artikel werden konkreten Produkten zugeordnet und über Produktkennzeichnungen wie der globalen Artikelnummer (GTIN) wird der unsortierte Datenbestand zu einem einheitlichen Produktkatalog transformiert.

Die beliebtesten Händler der Deutschen
Das Logo des Parfümerie- und Handelskette "Douglas" Quelle: dpa
Das Aldi-Logo Quelle: REUTERS
Eine Kaffeetasse in einer Tchibo-Filiale vor einem Produktregal. Quelle: dpa
Ansicht des Logos und des Schriftzugs der Drogeriemarktkette Müller Quelle: dpa
Eine Kundin schiebt in einer Rossmann-Filiale einen Einkaufswagen. Quelle: dpa
Ein Kugelschreiber mit der Aufschrift "Otto...find ich gut." Quelle: dpa
Eine Verkäuferin ordnet die Buchauslagen in einer Thalia Filiale Quelle: dpa

Die katalogisierten Artikel sind so für den Käufer schnell in puncto Preis und speziellen Merkmalen vergleichbar. Außerdem ermöglicht die Katalogisierung gezieltere Marketingmaßnahmen und das Anbieten ergänzender Produkte. „Für die Verkäufer bringt das einen größeren Aufwand mit sich“, gibt Wenzel zu. „Aber sie sehen den Nutzen und unterstützen den Weg, den wir hier gemeinsam gehen.“

Die Frage ist: Warum Ebay diesen Schritt nicht schon vor Jahren gegangen ist? Der einheitliche Produktkatalog ist immerhin einer der Faktoren, die Amazon so erfolgreich gemacht haben. „Das rückblickend zu erklären ist müßig“, sagt Wenzel. „Wichtig ist, dass wir das jetzt angehen.“

Mittlerweile sind laut Unternehmensangaben fast 50 Prozent der Artikel katalogisiert, Ziel sind 90 Prozent.

Sich von der Konkurrenz inspirieren lassen

Neben der Weiterentwicklung der eigenen Stärken, bedient sich Ebay an Ideen, die Amazon groß gemacht haben. So hat das Unternehmen im März dieses Jahres Produktbewertungen eingeführt, wie es sie bei Amazon gibt und mit Ebay Plus in Deutschland im vergangenen Jahr ein Kundenbindungsprogramm aufgesetzt, das unter anderem kostenlosen Versand bietet - analog zu Amazon Prime.

Retourenquote nach Zahlungsweise

Aktuell hat Ebays Premiumprogramm mehr als 185.000 Nutzer – im Vergleich zu den Prime-Zahlen ist das mickrig, Amazon soll in Deutschland rund 17 Millionen Premiumkunden haben. Allerdings kann sich das Wachstum beim noch jungen Ebay-Premiumprogramm sehen lassen: Im April dieses Jahres waren es noch 100.000 Ebay-Plus-Nutzer.

Auch den Händlern gibt Ebay neue Werkzeuge an die Hand, etwa das Verkäufer-Cockpit Pro. Die Entwicklung der Schnittstelle dauerte knapp zwei Jahre. Sie bereitet für die Verkäufer verkaufsrelevante Daten auf. „Der Händler hat so einen Überblick, wie seine Produkte gegenüber dem Wettbewerb dastehen, was der optimale Verkaufspreis ist und was die optimalen Verkaufstage sind“, sagt der frühere Ebay-Händler Steier. Händler, die bei Amazon verkaufen, kennen solche Tools schon lange. „Das Ebay so etwas bis dato nicht geboten hat, ist ein Witz“, sagt Steier. „Es gibt keine Plattform, wo du als Marktteilnehmer in der Lage bist, das Wettbewerbstreiben transparenter zu betrachten als bei Ebay. Endlich bereiten sie diese Daten auch auf.“

Ob das dazu beiträgt, gegenüber dem schon vor Jahren enteilten Konkurrenten Amazon wieder etwas aufzuholen? Zumindest scheint Ebay mittlerweile auf dem richtigen Kurs zu sein. „Mit Ebay-CEO Devin Wenig und Wenzel als Deutschland-Chef legt Ebay wieder den Fokus auf die kleineren und mittleren Händler“, sagt Steier. Und in der Tat läuft es für Ebay wieder besser. Auch wenn die Anleger mit den jüngsten Zahlen nicht zufrieden waren, konnte Ebay zuletzt einen Gewinnsprung verbuchen.

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